Fällt ein Produkt gleichzeitig unter mehrere EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften (z. B. Maschinenrichtlinie, ATEX-Richtlinie, EMV-Richtlinie oder Niederspannungsrichtlinie), müssen alle anwendbaren Richtlinien im Konformitätsbewertungsverfahren berücksichtigt werden.
Das kann zu erheblichen Herausforderungen führen, weil jede Richtlinie:
- eigene Geltungsbereiche,
- unterschiedliche Begriffsdefinitionen,
- und teils abweichende Konformitätsbewertungsverfahren vorsieht.
Beispiel 1 – Maschinenrichtlinie und ATEX-Richtlinie
Wenn eine unvollständige Maschine zusätzlich unter die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU fällt,
wird sie nicht mehr als unvollständige Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG betrachtet.
Die ATEX-Richtlinie kennt den Begriff „unvollständige Maschine“ nicht – sie spricht nur von „Geräten“ und „Schutzsystemen“.
Daher ist in diesem Fall eine vollständige CE-Kennzeichnung nach ATEX erforderlich, während die Maschinenrichtlinie nur ergänzend berücksichtigt wird.
Beispiel 2 – Maschinenrichtlinie und Niederspannungsrichtlinie
Bei Produkten, die unter die Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU fallen,
besteht eine gegenseitige Abgrenzung:
Artikel 1 Absatz 2 k) der Maschinenrichtlinie schließt elektrische Betriebsmittel aus, die innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen betrieben werden und bereits in den Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie fallen.
Das bedeutet:
Für diese Produkte gilt nur die Niederspannungsrichtlinie – die Maschinenrichtlinie ist nicht anwendbar.
Fazit
Im Konformitätsbewertungsverfahren müssen Hersteller stets prüfen:
- Welche Richtlinien tatsächlich gelten.
- Ob Überschneidungen oder Ausschlüsse zwischen den Richtlinien bestehen.
- Wie die Bewertungsschritte aufeinander abgestimmt werden müssen.
Die EU erlaubt, sofern mehrere Richtlinien gelten, eine gemeinsame EU-Konformitätserklärung, die alle einschlägigen Richtlinien nennt.
Jede Richtlinie muss jedoch inhaltlich erfüllt und das Verfahren ordnungsgemäß dokumentiert werden.
