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PS #004 Risikoeinschätzung

PS #004 Risikoeinschätzung

Die Risikobeurteilung ist das wohl zentralste Thema im Arbeitsalltag einer technischen Redaktion, denn sie ist die absolut unentbehrliche Arbeitsgrundlage um ein normen- und richtlinienkonformes Informationsprodukt in puncto Sicherheit zu erstellen.

Nahezu alle Richtlinien und Verordnungen der EU fordern für Produkte die Erstellung einer Risikobeurteilung. Hiermit soll ermittelt werden welche Gefahren während des gesamten Produktlebenszyklus für alle an und mit dem Produkt handelnden Personen sowie für Sachen drohen.

Die Risikobeurteilung ist im Grunde genommen ein Überbegriff für verschiedene durchzuführende Untersuchungen. Sie besteht aus der Risikoanalyse und der Risikobewertung.

Die Risikoanalyse wiederum ist untergliedert in die Ermittlung der Maschinengrenzen, der Identifizierung der möglichen Gefährdungen und in die Risikoeinschätzung. Und um die Risikoeinschätzung soll es in dieser Ausgabe gehen.

Die Risikoeinschätzung ist der letzte durchzuführende Schritt in der Risikoanalyse. Sie soll aufzeigen, ob und in welchem Umfang Maßnahmen erforderlich sind um die ermittelten Gefahren zu beseitigen oder zu minimieren. Gefahren können sowohl Umwelt- sowie Sachschäden, als auch Personenschäden nach sich ziehen. Vor allem Letzterer Punkt ist bei der Abschätzung des Schadensausmaßes von Relevanz.

In der Risikoeinschätzung wird das Risikoausmaß mittels sogenannter Risikoelemente messbar gemacht. Für diese Art der Kategorisierung gibt es mehrere von den Normen vorgeschriebene Methoden von denen einige universeller einsetzbar sind als andere.

Zu den universell einsetzbaren Methoden – und damit auch für die aufgabenbezogene Risikobeurteilung geeignet – gehört die europäische Norm DIN EN 62061 mit dem Titel: Sicherheit von Maschinen – Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Steuerungssysteme.

Sie eignet sich besonders wegen der guten Abstimmung zwischen Risikoelementen sowie den klar hierfür definierten Kriterien. Am Ende steht dann das Sicherheits-Integritätslevel (oder auch Sicherheitsanforderungsstufe – kurz SIL), die angibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Gefährdungssituation ist. Das SIL wird mit Hilfe von vier Risikoelementen ermittelt deren Werte mit

  • S: Schwere der Verletzung
  • F: Häufigkeit und/oder Dauer der Gefährdungssituation, der Personen ausgesetzt sind
  • W: Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Gefährdungssituation
  • P: Möglichkeit der Vermeidung oder Begrenzung des Schadens

bezeichnet werden.

Der Wert der Risikoelemente „F“, „W“ und „P“ werden zur Klasse „K“ zusammengefasst. Das Sicherheitsintegritäts-Level entsteht schließlich aus dem S- und K-Wert und gibt die ermittelte Höhe des Risikos an.

Der S-Wert

Der S-Wert wird in der DIN EN 62061 in den Stufen 1 bis 4  angegeben. Diese definieren die Höhe der des Personenschadens durch Beschreibung der Verletzungsart oder Gesundheitsschädigungen und reichen von leicht und heilbar über bleibende, schwere, sogenannte irreversible Verletzungen, bis hin zu Verletzungen mit Todesfolgen.

Der F-Wert

Der F-Wert – also die Einschätzung der Häufigkeit – bezeichnet nicht wie man möglicherweise erwartet, wie oft eine Gefährdungssituation auftritt und zu einem Unfall führt, sondern wie oft und wie lange sich Personen in einer Gefährdungssituation aufhalten könnten. Diese Einschätzung muss in der Dokumentation anschließend begründet werden.

Bei der Zuordnung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Gefährdungssituation ist in der Norm DIN EN 62061 ein Wert zwischen 1 und 5 zu wählen.

Dabei gilt: Beträgt die Aufenthaltsdauer in der Gefährdungssituation mehr als 10 Minuten, wird der Wert um eine Stufe hochgesetzt – der Maximalwert liegt weiterhin bei 5.

Der W-Wert

Dieses Risikoelement in dieser Methode der Risikoeinschätzung beurteilt die Wahrscheinlichkeit mit der eine Gefährdungssituation auftritt. Auch hier wird ein Wert zwischen 1 (vernachlässigbar) und 5 (sehr hoch) gewählt, dessen Wahl in der Dokumentation begründet werden muss.

Die Norm DIN EN 62061 bietet auch in dieser Hinsicht Anhaltspunkte, welcher Wert bei der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit zu wählen ist.

Der P-Wert

Der Ermittlung des P-Wertes schließt die die Risikoeinschätzung ab. Hierbei geht es um Fragen wie

  • Kann die Person die Gefahr erkennen und sich rechtzeitig in Sicherheit bringen?
  • Kann in einer Gefährdungssituation beispielsweise ein Not-Aus-Schalter betätigt oder ein Schutzraum aufgesucht werden?

Diese Einschätzung erfolgt durch Vergabe der Werte 1 (Gefährdungsvermeidung wahrscheinlich), 3 (Gefährdungsvermeidung selten) oder 5 (Gefährdungsvermeidung unmöglich). Auch diese Wahl ist in der Dokumentation zu begründen und zu dokumentieren.

Folgende Kriterien sind dabei für die richtige Einschätzung maßgebend:

  • Ist es möglich die Gefahr vor dem Auftreten zu erkennen?
  • Sind Gegenmaßnahmen nach Auftreten der Gefährdungssituation noch möglich?
  • Kann die Person vor der Gefährdung flüchten oder Dritte eingreifen und der Person helfen?
  • Ist eine Beeinflussung der Gefährdung durch bestimmte Vorrichtungen, wie das Betätigen einer Starttaste, möglich?

Können mehrere dieser Fragen mit ja beantwortet werden, fällt die Wahl auf den Wert 1.

Trifft nur ein Kriterium zu, ist immer der Wert 3 zu wählen.

Trifft kein Kriterium zu, ist der Wert 5 anzugeben.

Der SIL-Wert

Den Abschluss der Risikoeinschätzung bildet die Ermittlung des SIL-Wertes mit Hilfe der sogenannten Klasse. Hierzu addiert man die Werte aus den Einschätzungen der Risikoelemente F, W und P und stellt die Summe in einer dafür vorhandenen Tabelle dem Wert der Schwere der Verletzung (dem S-Wert) gegenüber. In der Norm DIN EN 62061 sind die Sicherheits-Integritätslevel in die Stufen 1 bis 3 klassifiziert.

Dabei gilt:

  • SIL 1 steht für ein geringes Risiko
  • SIL 2 für ein mittleres Risiko
  • SIL 3 für ein hohes Risiko

Bei einer besonderer Schwere der Verletzungen und einem hohen addierten Wert der ermittelten Risikoelemente ist beispielsweise von SIL 3 auszugehen.

Wichtig:

Diese Ermittlung der Sicherheitsanforderungsstufe muss für jede Gefährdung, die zuvor in der Risikobeurteilung ermittelt wurde, einzeln durchgeführt werden. Auf dieser Grundlage lassen sich nach der Risikobewertung Entscheidungen für richtige und wichtige Schutzmaßnahmen treffen, die vor Gefährdungssituationen schützen oder diese verhindern.

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