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NI #014 Prinzip der Verständlichkeit nach IEC/IEEE 82079-1

NI #014 Prinzip Der Verständlichkeit Nach IEC/IEEE 82079-1

Die Globalisierung schreitet immer weiter voran. Gerade durch das Internet ist es heute sehr leicht weltweit seine Produkte anzubieten und zu verkaufen. Als Käufer merkt man dabei nicht unbedingt, wo man das Produkt nun genau gekauft hat. Und bei der Lieferung des Produktes bekommt dann häufig eine Produktinformation, die man nicht lesen oder nicht verstehen kann. Im schlimmsten Fall hat man dann ein Produkt, das man nicht verwenden kann. Und genau darum geht es heute.

Heute setzen wir uns erneut mit der IEC/IEEEE 82079-1 „Erstellen von Nutzungsinformationen“ als Edition 2 von 2019 auseinander.  In der letzten Folge haben wir uns das Prinzip der Verfügbarkeit angeschaut. Heute schauen wir uns das Prinzip „Verständlichkeit“ an.

In diesem Zuge möchte ich auf unsere Online-Seminare hinweisen. Wir haben neue Themen in unsere Online-Seminare aufgenommen.

Eine wichtige Anmerkung: Die neue 82079 ist noch nicht in Deutsch erschienen. Wir arbeiten hier mit der englischen Norm sowie einem Praxisleitfaden zur Norm. Zur deutschen Version könnten sich also noch einige Dinge ändern.

Der Leitfaden wird von unserem Branchenverband herausgegeben und wurde von Leuten verfasst, die auch bei der Entstehung der Norm beteiligt werden. Einige Autoren kennen Sie vermutlich sogar aus den Interviews von meinen Kollegen. Aufgrund der Nähe der Autoren zur Norm vermute ich aber wenige bis keine Änderungen.

In diesem Zuge möchte ich auch gleich erwähnnen, dass die Prinzipien der Norm selten alleine stehen. Häufig sind sie mit anderen Prinzipien der Norm verbunden und erzeugen so Schnittmengen. Diese Prinzipien behandele ich in anderen Folgen.

Ich verlinke daher hier auf die jeweiligen Folgen:

Globalisierung und internationaler Vertrieb

Durch das Internet als Verkaufsplattform und die damit verbundenen Portale wie Amazon, Ebay oder anderen Anbietern kann man heut zu Tage viele Produkte einfach kaufen. Egal um welche Uhrzeit und ob man nun auf der Couch, im Garten oder im Bett liegt. Insbesondere als Endverbraucher ist man nun nicht mehr auf den lokalen Fachmarkt vor Ort angewiesen, sondern hat die sogenannte Qual der Wahl.

Aber nicht nur der Verbraucher hat davon seinen Nutzen, sondern auch die Hersteller. Es war noch nie einfacher seine Produkte weltweit zu verkaufen. Man braucht ja schließlich nur eine Website und es kann losgehen.

Leider nein. Denn was viele gerne vergessen oder vergessen wollen sind die bürokratischen Hürden der einzelnen Staaten. Den viele Staaten stellen an die Teilnehmer auf dem Markt Anforderungen. Anforderungen die die Produkte erfüllen müssen, ansonsten darf man diese nämlich nicht dort verkaufen. Und bei Missachtung führt dies zu Bußgeldern, Produktrückrufen oder sogar Haftstrafen.

Lokale Anforderungen der einzelnen Staaten und deren Gründe

So ist es in eigentlich allen Staaten geregelt. Und die einzelnen Staaten haben sogar ganz unterschiedliche Anforderungen! Der eine Staat möchte eine Zertifizierungssiegel, der andere die Anleitung in einer bestimmten Sprache. Aber natürlich gibt es auch Übereinkünfte und Zusammenschlüsse. Zum Beispiel die CE-Kennzeichnung in der EU.

Und die Gründe sind dafür auch sehr einfach. Häufig möchte der Staat damit seine Bevölkerung von schlechten oder vielleicht sogar gefährlichen Produkten schützen. Er fordert von den Markteilnehmern daher die Vermarktung von sicheren Produkten und den entsprechenden Nachweis.

Gleichzeitig soll der Markt natürlich auch in gewisser Weise Fair sein. Alle Hersteller unterliegen denselben Bedingungen und Anforderungen, die sie erfüllen müssen. Egal ob sie innerhalb oder außerhalb des Staates ihren Sitz haben. So soll zum Beispiel der heimische, lokale Hersteller davor geschützt werden, von Anbietern von außerhalb preislich unterboten werden zu können. Und dieser kann dies häufig nur, weil er billigere oder unsichere Produkte produziert. Den Preis also mit einem evtl. gefährlicheren Produkt erreicht.

Die schlechte, unverständliche Anleitung

Aber ich möchte hier niemandem etwas unterstellen oder Vorurteile schüren. Wer wie ich auch Erfahrungen in BWL hat weiß, dass sich ein Preis aus vielen unterschiedlichen Faktoren und Kosten zusammensetzt. Meist hat der Preis auf dem Preisschild also auch eine gewisse Berechtigung. Und daher kommen wir nun zu unserem eigentlichen Thema zurück. Der technischen Dokumentation.

Denn auch diese muss von jemandem erstellt werden. Und diese Person kostet natürlich auch Geld, und zwar auf verschiedene Weisen. Sie benötigt einen monatlichen Lohn, Weiterbildungen, einen Arbeitsplatz usw. Auch dieser Faktor wandert hoffentlich in die Preiskalkulation. Und ich sage hoffentlich, weil ich leider auch schon zu oft das Gegenteil erlebt habe.

Aber nicht nur die Erstellung kostet Geld, auch die Übersetzung in die jeweilige Landessprache. Und so entsteht ein Kostenpunkt, der im Endpreis berücksichtigt werden muss. Egal ob das Produkt einmal produziert wird oder millionenfach. Und interessanterweise sieht man auch sofort, wenn hier gespart wurde. Das Ergebnis ist dann eine schlecht übersetzte, meist unverständliche Benutzerinformation. Und so kommen wir nun zu unserem Thema, dem Prinzip der Verständlichkeit.

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Die Anforderungen des Prinzips „Verständlichkeit“

Die Norm fordert auch hier auf den ersten Blick nichts Besonderes. Die Nutzungsinformation muss für die Zielgruppe verständlich sein. Soweit so gut. Die Norm verweist dabei insbesondere auf die verwendeten:

  • Texte und die Terminologie
  • Illustrationen, Sicherheitszeichen und grafische Symbole
  • Methoden zur Navigation und zum Mediengebrauch

Nun diese Punkte können einen Redakteur schon vor eine Herausforderung stellen, sollte er sich damit noch nicht beschäftigt haben. Aber das ist erst der Anfang, der schwerere Teil steht darunter. Denn die Information soll außerdem den kulturbedingen Vorstellungen, Nutzungsgewohnheiten und dem Bildungsniveau der Zielgruppe entsprechen.

Und das ist eine sehr schwere Aufgabe. Und genaugenommen tötet diese Anforderung die „weltweit gültige Anleitung“. Also die Anleitung die weltweit verwendet werden kann und quasi nur in die jeweiligen Fremdsprachen übersetzt werden muss.

Ist das überhaupt wirtschaftlich?

Und das wirft wieder Fragen auf, die diskutiert werden müssen. Wie vorhin erwähnt habe ich auch betriebswirtschaftliche Hintergründe. Es stellt sich also bei dieser Anforderung sofort die Frage, in wie weit so eine Anleitung überhaupt wirtschaftlich ist. Denn es ist definitiv ein großer Aufwand. Insbesondere wenn man die kulturellen Anforderungen erfüllen möchte.

In Japan oder im asiatischen Gebiet sollte man zum Beispiel Piktogramme vermeiden, die Gesichter zeigen. Hinzu kommt eine andere Leserichtung, nämlich von oben nach unten. Und die Anleitungen arbeiten dort auch mit mehreren Bildern, häufig in einem Comic-Stil. Solche Anleitungen könnte man für die westlichen Märkte nicht verwenden. Das würde hier auch auf der kulturellen Ebene nicht akzeptiert werden.

Eine wirtschaftliche Anleitung müsste also gegen diese Anforderung und somit gegen die Norm verstoßen. Was wiederum Angriffsflächen für Gutachten von Sachverständigen bietet, da diesem dem Stand der Technik folgen. Eine schwierige Entscheidung.

Ein Kollege hat es mal sehr treffend formuliert. Er wurde vom Kunden gefragt, wer das ganze bezahlen soll, das Stück Papier würde ja sowieso niemand lesen. Und er hat dies sehr elegant mit einer Gegenfrage beantwortet. Er fragte, wie oft der Kunde seine Gebäudebrandversicherung in den letzten Jahren gebraucht hat. Denn er würde ja jedes Jahr auch Unsummen dafür bezahlen und diese nicht benötigen.

Und genau das ist die Dokumentation oder die Nutzungsinformation im schlimmstenfalls: Eine Versicherung bzw. ein Beleg dafür, dass man als Hersteller alles erfüllt hat, was der Gesetzgeber on einem fordert.

Der Schlüssel ist die Zielgruppe

Aber zurück zur Norm und zum Prinzip der Verständlichkeit. Der Schlüssel bzw. die Lösung gibt die Norm in Ihrer Anforderung nämlich auch an. Es handelt sich dabei um die Zielgruppe. Den nur wenn diese bekannt ist, können alle Informationen zur Verfügung gestellt werden. Und dass dann auch in Verständlicherweise.

Die ersten beiden Spiegelstriche sind dann schnell erledigt. Wird beispielsweise eine Dokumentation für eine Elektrofachkraft erstellt, können wir davon ausgehen, dass diese Person weiß, wie Kabel verlegt werden müssen. Diese Information müssen wir nicht in textlicher Form wiedergeben. Auch können wir mit Fachbegriffen arbeiten, denn die Person weiß auch, was z. B. ein FI-Schalter ist.

Weiter wird sie die Farben der verschiedenen Kabel und Leiter kennen und sicherlich auch das Piktogramm für gefährliche Spannung. Und ein Schaltbild kann die Person ohne weiteres auch lesen. Wäre dasselbe Produkt nun aber im Baumarkt und somit für jeden Verfügbar, können wir schon jetzt mit Fehlern auf Seiten der Nutzer rechnen. Den fehlende und somit unverständliche Informationen führen zu Verwirrung, Frust, Versuchen und im schlimmsten Fall zu Verletzungen. Und dass nur, weil die Anleitung für die Zielgruppe nicht verständlich war.

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Methoden zur Navigation und Mediengebrauch

Der letzte Aufzählungsstrich hat nicht mehr so viel mit der klassischen Papieranleitung zu tun. Denn dort hat man wenig Möglichkeiten der Navigation im Dokument und die Verwendungsart einer gedruckten Anleitung ist normalerweise ebenfalls bekannt.

Hier greift die Norm etwas in die Zukunft. Denn die digitalen Anleitungen stehen bekanntlich bereits in den Startlöchern. Zumindest wenn man sich den Entwurf der Maschinenrichtlinie anschaut. Und in digitalen Medien ist die Navigation und die Verwendung anders zu bewerten als bei der Papieranleitung.

Hier sollte sich der Redakteur also auch mit diesen Punkten auseinandersetzen. Wie sucht die Zielgruppe Informationen? Wie kann ich ihr diese schnell zur Verfügung stellen? Und wie werden diese überhaupt abgerufen? Hat z.B. der Zimmermann ein Smartphone in der Tasche, mit dem er über einen QR-Code auf unsere Anleitung kommt?

Nun nicht unbedingt. Denn er verarbeitet Material und kann entsprechend dreckig werden. Und Smartphones reagieren häufig sehr ungehalten auf Verunreinigungen. Oder er hat Nägel und Werkzeug in den Taschen, eine Beschädigung des Smartphones muss in Betracht gezogen werden. In diesem Fall könnte der Zimmermann wohl kein Smartphone bei sich haben. Der QR-Code zur Anleitung des Werkzeuges wäre unbrauchbar und die damit verbundene Anleitung nicht vorhanden. Vor allem schlecht, wenn das Werkzeug gefährlich ist und/oder ohne die Informationen nicht verwendet werden kann.

Fazit

Wie Sie sehen, ist die Verständlichkeit einer Information nicht nur auf die Sprache begrenzt. Es spielen viele weitere Faktoren eine Rolle und können auch weiterreichende Folgen haben. Einzig die Erfüllung der kulturellen Anforderungen ist aus meiner Sicht ein Streitpunkt. Allgemeine Punkte wie Verständlichkeit von Piktogrammen müssen in allen Staaten erfüllt werden und sind häufig auch haftungsrelevant. Ich glaube niemand würde auch nur auf die Idee kommen, Produkte in die USA zu senden, ohne eine passende Anleitung für diesen Markt zu haben.

Aber sind beispielsweise Leserichtung oder im Comic-Stil wirklich so relevant? Oder führen sie nur zu einer höheren Produktakzeptanz bei der Zielgruppe? Etwas was bei jedem Produkt im Detail geklärt werden muss. Denn am Ende des Tages ist auch die Wirtschaftlichkeit ein kritisches Thema für Hersteller. Ist der Aufwand für Dokumentation zu hoch, können schnell Märkte unattraktiv werden oder auf lange Sicht den Bankrott des Unternehmens verursachen.

Viele Punkte dieses Prinzips können zum Glück recht einfach erfüllt werden, wenn man die Dokumentation entsprechend den Normen aufbaut und strukturiert. Aber das gilt bei allen Prinzipien der IEC/IEEE 82079-1 und sollte daher auch immer das Ziel der Doku sein. So entstehen gute Anleitungen für gute Produkte. Und das ist interessant Weise auch eine der häufigsten Rückmeldungen unserer Kunden. Plötzlich ist die Anleitung lesbar, strukturiert und macht sogar Spaß beim Lesen.

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