Das Thema KI ist nicht neu, wir haben uns bereits im letzten Jahr in einigen…
Urteile in der Produkthaftung – Podcast #US-P005
Zahlen und Fakten
Bevor wir nun mit den Beispielen und Urteilen beginnen, möchte ich noch ein paar Hinweise und Zahlen erwähnen, die aus meiner Sicht interessant und wichtig sind, wenn es um die Produkthaftung in den USA geht.
Zunächst einmal eine statistische Übersicht von Haftungsfällen in den USA. Insgesamt werden 19% aller Ansprüche vor einem Gerichtsprozess aufgegeben. Das bedeutet, dass rund 1/5 aller Haftungsfälle nie vor Gericht gehen, weil zum Beispiel der verletzte Produktnutzer selbst verantwortlich für den Schaden war und es keine Aussicht auf den Gewinn des Prozesses gibt.
Die restlichen 81% gehen vor Gericht. Um die Gerichte nicht zu überlasten, gibt es in den USA häufig Vergleichsprozesse, bei denen der Geschädigte gegen einen verhandelten Geldbetrag die Klage fallen lässt. Dies trifft auf rund 95% aller Fälle die vor Gericht gehen zu.
Die übrigen 5% der Klagen werden in einem Gerichtsprozess durch die Jury entschieden. Hiervon werden in der Regel 37% zugunsten des Klägers entschieden. Wenn Sie sich diese Zahlen ansehen, werden Sie feststellen, dass das Risiko Produkte in die USA zu verkaufen geringer ist, als Sie vermutlich angenommen hatten. Mit einer guten Vorbereitung und genügend Maßnahmen kann der Markt USA guten Gewissens erschlossen werden. Ich möchte hierbei jedoch hervorheben, dass es sich bei diesen Zahlen um eine Statistik handelt und mir keine Zahlen vorliegen, wie hoch die Zahl der Produkthaftungsklagen im Jahr in den USA ist. Auch kann aufgrund dieser Statistik nicht gesagt werden, in welchem Bereich Sie mit Ihren Produkten landen könnten.
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Nanny State USA und die Auswüchse der Produkthaftungsfälle
Aufgrund der weltweit bekannten Haftungsfälle in Millionen Höhe und den entsprechenden Mythen wie der Katze in der Mikrowelle, hat die USA inzwischen gerne das Image eines „Nanny States“, also eines Staates der ein Kindermädchen ist. Diese Situation ist auch in den USA selbst bekannt, wodurch es dort die sogenannte „Stella-Awards“ gibt. Diese Awards zeichnen die skurrilen Produkthaftungsfälle und deren Ausgang aus und sind benannt nach Stella Liebeck, die den Haftungsfall gegen Mc Donalds aufgrund des heißen Kaffees gewann. Die Awards wurden bis 2007 vergeben und inzwischen leider aufgegeben.
Aber auch die Auswüchse auf Betriebsanleitungen aus den USA sind irre und verrückt. Sie haben nichts mehr mit guter, technischer Dokumentation zu tun. So gibt es beispielsweise Hinweise, dass ein Batman-Kostüm es nicht ermöglicht fliegen zu können oder das es verboten ist, dass Kinder in der Spülmaschine spielen zu lassen. Mein persönliches Highlight dabei ist der Hinweis zu einem Bügeleisen, dass nicht bei Kleidung verwendet werden darf, die gerade getragen wird.
Durch solche Hinweise und einige Abstruse Haftungsfälle sind auch die Amerikaner in den letzten Jahren vernünftiger geworden, sodass auch die Jury immer mehr dem gesunden Menschenverstand folgt und Urteile, aus der Sicht von deutschen, vernünftiger gefällt werden.
Beispielfall Nr. 1, Produkthaftung bei Medikamenten
Kommen wir nun direkt zu den Beispielen und den dazugehörigen Urteilen. Einige dieser Beispiele stammen von unserem Anwaltspartner, einige sind von den Stella Awards und einige von anderen, vergleichbaren Webseiten oder Institutionen. Ich werde anhand dieser Beispiele die Namen der Kläger und Beklagten nicht aufführen, diese können jedoch ohne weiteres im Internet recherchiert werden.
Beginnen wir mit unserem ersten Beispiel. Ein Mann ist an Parkinson erkrankt und nimmt hiergegen ein Medikament, das von einem großen, amerikanischen Pharmakonzern entwickelt wird. In seiner Freizeit vergnügt sich der Mann regelmäßig mit Glücksspiel. Eines Tages verlor er im Spielkasino eine Summe von 200.000 Dollar.
Der Pharmakonzern hat im Zuge der Produktbeobachtungspflicht festgestellt, dass es eine Korrelation, jedoch keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Medikament und Spielsucht gibt. Daher wurden die Beipackzettel um diese Warnhinweise ergänzt. Dies geschah vor dem Verlust des Geldes, jedoch nach der ersten Verschreibung des Medikamentes an den Mann. Sprich er hat jahrelang das Medikament genommen aber nicht bemerkt, dass sich der Beipackzettel geändert hat.
Der Mann verklagte den Pharmakonzern mit der Begründung, dass ihn das Medikament spielsüchtig gemacht hat und der Konzern davor nicht ausreichend gewarnt hat. Was denken Sie, wie ging der Haftungsfall aus?
Die Jury folgte der Begründung des Klägers und sprach ihm nicht nur den Ersatz der 200.000 Dollar zu, sondern verhängte auch einen Strafschadensersatz in Höhe von 8 Millionen Dollar gegen den Pharmakonzern. Haben Sie richtig geraten?
Schaut man sich den Fall auf Basis unserer Podcast Reihe an, ist das Urteil wenig überraschend. Selbst in Deutschland könnte es vermutlich vor einer Jury so geschehen. Wenn wir eine Jury hätten. Oder fragen Sie sich selbst. Wie oft haben Sie den Beipackzettel von Aspirin oder ähnlichen Medikamenten gelesen, die Sie öfters benötigen? Würde Ihnen eine Änderung des Zettels auffallen? Gerade bei ernsten Folgen wie Spielsucht sollte der Hersteller seine Kunden über solche neuen Nebenwirkungen gründlich informieren. Egal ob über Ärzte oder Apotheken. Und die Jury in dieser Situation zu überzeugen erscheint mir nicht gerade schwer.
Beispielfall Nr. 2, die Gummikordel und das verletzte Auge
Kommen wir nun zu unserem zweiten Beispiel, was bestimmt das ein oder andere Vorurteil gegenüber Amerikanern stärken könnte. Ein Mann verklagte den Hersteller von Kapuzenpullis, weil die Gummikordel sein linkes Auge getroffen und einen dauerhaften Schaden an seinem Sehnerv verursacht hat.
Er wollte die Gummikordel seiner Kapuze einstellen, dabei entglitt diese seinen Händen und schnellte in sein Gesicht. Dabei traf die Kordel direkt sein linkes Auge. Und was denken Sie? Wie hat die Jury geurteilt?
Vielleicht für einige von Ihnen überraschend, das Gericht wies die Klage ab. Zum einen wurde es so begründet, dass der Eintritt einer Verletzung nicht immer mit einem mangelhaften Produkt zu tun hat. Das Produkt, also der Kapuzenpulli, ist ja in Ordnung. Zum anderen stellte die Jury fest, dass ein Verbraucher die Gefahren die von einer Gummikordel ausgehen vermeiden kann, indem er deren Tendenz zum Zurückschnellen bedenkt und sie daher nicht gewaltsam in die Nähe des Gesichtes zieht.
In diesem Urteil kommt der gesunde Menschenverstand zum Tragen, den ich vorhin erwähnt habe. Es ist jedem klar, dass ein gezogenes oder gespanntes Gummi in eine Richtung schnellt, wenn es gelöst wird. Etwas anderes gegenüber der Jury zu behaupten oder zu argumentieren wird schwer. Auch das es ausgerechnet das Auge getroffen hatte, kann fast als Zufall oder Pech eingeschätzt werden, die Kordel hätte auch gegen Mund, Backen oder Stirn schnallen können.
Beispielfall Nr. 3, Tod durch fehlende PSA
Unser drittes Beispiel dreht sich um persönliche Schutzausrüstung bzw. das Fehlen der persönlichen Schutzausrüstung. Ein Mann band sich nicht an eine Sicherheitsleine. Als er abstürzte fiel er durch ein Oberlicht und zog sich tödliche Verletzungen zu. Die Erben des verunglückten Bauarbeiters verklagten den Hersteller des Oberlichtes, da wenn es nicht gebrochen wäre, der Bauarbeiter überlebt hätte. Was denken Sie, wie hat das Gericht und die Jury entschieden?
Die Jury entschied, dass der Hersteller des Oberlichtes nicht haftbar sei. Haben Sie es erahnt? Das Gericht stimmte zwar den Erben zu, dass es möglich gewesen wäre, das Oberlicht aus teurerem Material herzustellen und solche Unfälle zu vermeiden. Jedoch sei es unrealistisch und unzumutbar vom Hersteller zu verlangen, das er alle Unfälle vorhersieht die mit seinem Produkt in Verbindung stehen. Vor allem da der Hauptgrund für den Unfall das nicht verwenden einer Sicherheitsleine war.
Beispielfall Nr. 4, Der Tunnelblick aufs Handy
Das nächste Beispiel hat mit Menschen zu tun, die starr auf das Handy starren und ihre Umgebung nicht mehr wahrnehmen. Eine Frau wurde in den USA von einem Auto angefahren, als sie direkt in den entgegenkommenden Verkehr lief. Zum Unfallzeitpunkt folgte die Frau gerade der Wegbeschreibung einer namhaften Kartenapp auf dem Handy.
Die Frau verklagte den namhaften Konzern mit der Begründung, dass das Unternehmen bzw. die Software es unterlassen habe, sie vor dem Fehlen von Bürgersteigen oder Gehwegen entlang der festgelegten Route zu warnen. Hat die Frau Recht bekommen?
Das Gericht entschied, dass der Hersteller nicht haftbar ist. Würde man den individuellen Benutzern gestatten das Unternehmen für jede Fehlleitung zu verklagen, so würde es für zwangsweise beinahe für alles unbeschränkt haften.
Außerdem wollte das Gericht den gesunden Menschenverstand fördern. Das Gehen auf einer ländlichen Straße in der Nacht ohne Gehweg ist nie die beste Wahl. Egal was die Webschreibung von Apps sagt.
Beispielsfall für einen Designfehler
Kommen wir nun zu Fällen, die als Beispiele für die unterschiedlichen Haftungsursachen dienen können. Wie in den ersten Folgen der Reihe erklärt, kann eine Produkthaftung durch mehrere Gründe ausgelöst werden. Dazu gehören Designfehler, Herstellungsfehler und Instruktionsfehler. Anhand eines Beispielfalles möchte ich diese nun alle erklären.
Wir fangen nun mit dem Designfehler an. Es gab vor einigen Jahren eine Klage eines Mannes gegen einen großen Motoradhersteller und einen Hersteller von erhöhten Rücksitzen für Motorräder. Der Mann fuhr nach eigener Aussage eine 4-stündige Motorradtour und hatte danach einen schweren Fall von Priapismus. Dies ist der medizinische Fachbegriff für eine schmerzhafte Dauererektion. Diese Erektion dauerte 2 Jahre an, danach war er Impotent.
Er verklagte die beiden Hersteller auf Schadensersatz, entgangenen Lohn, Arztkosten, emotionalen Stress und generellen Schadensersatz. Hat er Recht bekommen?
Er hat kein Recht bekommen, aber aus einem anderen Grund. Der zuständige Richter hat seine Beweise, eine Studie aus Japan, abgelehnt, da diese nicht für die USA relevant sei. Der Fall wäre eine Erfindung des Mannes und es würde keinen Zusammenhang zwischen seiner Dauererektion und dem Sitz geben. Die Studie die betreffe Japan und nicht die USA. Ohne Beweise hat der Mann die Klage fallen lassen müssen. Auch dies zeigt eine Besonderheit von amerikanischen Gerichten: Die Lokalität ist den Richtern und der Jury sehr wichtig. Ein anderes Beispiel hierzu war das britische Englisch für Amerika, wodurch die Anleitung kurzerhand als nicht vorhanden eingestuft wurde, da es kein US-Englisch war.
Beispiel für einen Herstellungsfehler
Wir wechseln nun zu einem Fall eines Herstellungsfehlers. Eine Gruppe von Klägern hat eine US-Ladenkette und den Hersteller von Klappstühlen im Zuge einer Sammelklage verklagt. Mehrere dieser Leute hatten Ihre Finger verloren, als sich diese in dem Klappstuhl verfingen.
Die Kläger behaupteten, dass die Stuhlbeine kaputt waren und nach vorne schnappten, wobei sie eine Guillotine für die dazwischen verfangenen Finger und Hände darstellten. Was denken Sie, wie ging der Fall aus?
Ein genaues Fazit muss ich Ihnen in diesem Fall leider schuldig bleiben. Der Hersteller und die Ladenkette bestätigten die defekten Stuhlbeine und deren Wirkung auf Hände und Finger. Sie lösten die Rechtsstreitigkeiten durch einen Vergleich in unbekannter Höhe auf.
Beispiel für einen Instruktionsfehler
Es fehlt nun noch der Instruktionsfehler, der entsteht, wenn ein Produkt unzureichend warnt. Im Juni 2012 verklagte eine Frau einen Geländefahrzeughersteller. Dieser stellt Quads und andere, ähnliche Fahrzeuge her. Die Frau verklagte den Hersteller, weil sie aufgrund mangelhafter Warnhinweise dauerhafte Verletzungen erlitten hatte.
Und das war passiert: Die Frau fuhr auf ihrem Geländefahrzeug, als sich ihr langes Haar plötzlich in einer ungeschützten, rotierenden Antriebsachse verfing. Die durch die verfangenen Haare entstandene Kraft „skalpierte“ die Frau, brach ihre Wirbelsäule und verursachte weitere schwerwiegende Körperschäden.
Ein Urteil kann ich zu diesem Fall nicht bekanntgeben, da der Prozess obwohl er von 2012 ist, noch nicht entschieden ist. Daher hier noch ein anderer Fall, der bereits entschieden ist.
Ein 2 Jahre altes Baby wurde von seiner Mutter in einem Kinderwagen des beklagten Herstellers geschoben. Da sie alleine war und keine Hand freihatte, hat sie den Kinderwagen mit dem Kind zusammengeklappt. Der Finger des kleinen Mädchens verfing sich dabei in dem Schließmechanismus des Kinderwagens und wurde gequetscht. Die Verletzungen führten zu einem Krankenhausaufenthaltes und drei OPs.
Die Mutter verklage den Hersteller mit der Behauptung, dass der Kinderwagen mangelhaft hergestelt wurde, weil eine ungeschützte Quetschkante an einer Stelle vorhanden war, an der Kinder normalerweise ihre Hände platzieren. Die Mutter behauptete außerdem dass der Hersteller es unterlassen habe, angemessene Warnschilder bezüglich der Gefahren der Quetschkanten anzubringen. Sie forderte in einem Vergleichsangebot 183.000 Dollar. Was denken Sie? Wie ist der Fall ausgegangen?
Das Gericht entschied zu Gunsten des Herstellers. Es sah als erwiesen an, dass man Kinderwägen nicht zusammenklappt, solange sich Kinder darin befinden. Auch die Aussage, dass sie keine Hand für das Kind frei hatte, wurde nicht anerkannt. Die Dokumentation des Herstellers beinhaltete alle relevanten Informationen, wodurch er freigesprochen wurde.
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Mögliches Vorgehen für den Markteintritt in die USA
Wir sind nun wieder am Ende des heutigen Podcasts. In der nächsten Folge werde ich auf eine mögliche Vorgehensweise eingehen, wie Sie vorgehen können, wenn Sie den amerikanischen Markt neu erschließen möchten. Es werden dort auch Tipps genannt, die Ihnen weiterhelfen können, falls Sie bereits auf dem amerikanischen Markt sind.
Ich hoffe, Ihnen hat diese Folge gefallen. Sollten Sie Anregungen oder Fragen zu dem Thema haben, schreiben Sie diese bitte in die Kommentare oder lassen Sie uns diese per E-Mail zukommen. Ich freue mich schon auf nächste Woche und hoffe, Sie sind dort wieder dabei.
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