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TEKOM #007 Rechtliche Entwicklungen in der Technischen Dokumentation in 2020

TEKOM #007 Rechtliche Entwicklungen In Der Technischen Dokumentation In 2020

Der Anlass um über Rechtsentwicklungen zu sprechen ist die im letzten Monat stattgefundene Jahrestagung der tekom. Dieses Jahr bedingt durch Corona sogar das erste mal nur rein digital. Die tekom ist wie viele von Ihnen sicher wissen der deutsche Fachverband zur Technischen Kommunikation.

Der Fachverband behandelt alle Themen rund um die Definition, Erstellung und Bereitstellung von Informationsprodukten. Die Technische Dokumentation und Anleitungen aller Art sind hierbei entsprechend wichtige Teile für den Fachverband.

In diesem Jahr fanden die Fachvorträge über ein Online-Konferenztool statt. Einer dieser Vorträge stammt wie jedes Jahr von Herr Jens-Uwe Heuer-James, ein Anwalt und Mitglied des Rechtsdienstes der tekom. Darin behandelte er die aktuellen rechtlichen Entwicklungen in der Technischen Dokumentation. Da dieser Vortrag zu den beliebtesten Vorträgen der tekom Jahrestagung zählt, habe ich mir diesen ebenfalls angehört und möchte meine Meinung zu den aktuellen Rechtsentwicklungen wiedergeben.

Brexit und die Folgen

Eines der Themen, die am Anfang des Vortrages behandelt wurden, waren die Auswirkungen des Austritts von England aus der EU, auch als Brexit bekannt. Dabei wurde kurz angerissen, was ab dem neuen Jahr für Hersteller und Importeure gilt. Der Austritt von England findet zum 31.12. statt. Was bedeutet das ab nächstes Jahr?

Da England ab 2021 nicht mehr als Mitgliedsstaat der EU zählt, sondern als Drittstaat verlieren alle Zertifikate von UK Prüfstellen Ihre Gültigkeit. Im Rahmen einer Baumusterprüfung können dann die bisherigen Prüfstellen nicht mehr verwendet werden.

Hersteller aus England benötigten in Zukunft einen Bevollmächtigen in der EU, um Ihre Produkte nach Europa zu exportieren. Auch sind die EU Konformitätserklärungen für europäische Produkte anzupassen, da dort dann auch dort die bevollmächtigte Stelle in der EU abgebildet sein muss.

Jeder Händler von Waren aus England wird zu einem Importeur und muss auf der Verpackung der Produkte entsprechend Angaben als Importeur ergänzen.

Die CE-Kennzeichnung hat ab dem nächsten Jahr in England keine Gültigkeit mehr. Die Anforderungen an Produkte, die nach England gehen, sind leider weiterhin unklar. Bei den Brexit-Verhandlungen mit dem Stand von Mitte Dezember scheint weiterhin kein Deal in Sicht zu sein.

Für Hersteller, die Waren nach England verkaufen, ist die neue UKCA-Kennzeichnung als Pendant für die CE-Kennzeichnung anzuwenden. UKCA steht für United Kingdom Conformity Assesssed. In einer Übergangszeit bis zum 31.12.2021 kann aber auch das CE-Kennzeichen noch in England verwendet werden. Bis die Reglungen für den Einfuhr von Waren nach England genau feststehen, wird noch ein bisschen Zeit vergehen. Bis zum Ende der Übergangszeit können die Produkte noch unter der Berücksichtigung der bisherigen Anforderungen nach England eingeführt werden.

Angaben auf Produktverpackungen

Das nächste Thema behandelt die Rechtsprechung in der Praxis. Der erste Fall bezog sich dabei auf die Angaben auf Produktverpackungen. Die Frage ist hierbei welche Angaben ausreichen, um einen Hersteller zu identifizieren. Genügt es, die Internetseite des Herstellers auf der Verpackung anzugeben?

Die europäische Richtlinie zur Produktsicherheit verlangt hierbei mindestens die postalische Anschrift des Herstellers. Daher genügt es auch nicht die Internetseite anzugeben.

Weiterhin muss, falls das Produkt in die EU importiert wurde, die Angabe des Importeurs auf der Verpackung stehen. Damit soll die Lieferkette eines Produktes aus einem Drittstaat klar nachvollzogen werden.

Warn- und Sicherheitshinweise gehören dann auf die Verpackung, wenn diese schon vor der Nutzung des Produktes notwendig sind. Beispielsweise für das Transportieren des Produktes. Falls dort Gefahren drohen, wie durch einen stark versetzten Schwerpunkt des Produktes, müssen Sicherheitshinweise auf der Verpackung stehen. Der Benutzer sieht dann die möglichen Gefahren wie das Kippen des Produktes bei falscher Handhabung.

Als Ergebnis ist festzuhalten: Die Verpackung muss den Namen sowie die Kontaktanschrift des Herstellers enthalten. Fehlen diese Angaben kann der Hersteller oder der Händler, der das Produkt verkauft, zur Verantwortung gezogen werden.

Geistiges Produkt auch ein Produkt im Sinne der Produkthaftung?

Der nächste behandelte Fall war die die falsche Abbildung eines Gesundheitshinweis in einer Tageszeitung. Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat sich mit der Frage beschäftigt, wie es um geistige Werke steht und ob diese auch als ein Produkt anzusehen sind.

Hintergrund: In der Tageszeitung war ein Gesundheitshinweis abgebildet. Dieser riet dazu bei Rheumascherzen eine Kräutercreme aus Meerrettich auf die betroffene Stelle für 2-5 Stunden aufzutragen. Hierbei hat sich ein Tippfehler auf die Dauer der Einwirkung eingeschlichen. Anstatt Stunden sollte es eigentlich Minuten heißen. Eine Frau hat sich aber genau an diesen gedruckten Ratschlag gehalten, weswegen es aufgrund der langen Dauer der Einwirkung zu einer starken toxischen Hautreaktion führte. Die Frau verklagte dann die Tageszeitung auf Schmerzensgeld wegen dem falschen Hinweis. Jetzt stellt sich die Frage: Ist dieser Gesundheitshinweis auch ein Produkt im Sinne der Produkthaftung? Kann hier das Produkthaftungsgesetzt angewendet werden?

Die Entscheidung zur Auslegung des Produkthaftungsgesetz bleibt in diesem Fall spannend. Der Oberste Gerichtshof aus Österreich gab die Entscheidung für den Fall an den europäischen Gerichtshof weiter. Und zwar mit der Frage ob geistige Werke auch als Produkt im Sinne der Produkthaftung anzusehen sind.

Was für Folgen hätte dies auf andere Bereiche mit textlicher Erstellung von Inhalten? Kann der Kreuzworträtsel-Herausgeber für sein Produkt haftbar gemacht werden? Oder die Esoterik-Zeitschrift, die Lebensweisheiten herausgibt? Was ist mit dem Text in den Glückskeksen? Oder viel spannender für unseren Bereich natürlich die Frage über die Texte von Technischen Dokumentationen. Und was ist mit der Übersetzung von Betriebsanleitungen in andere Sprachen?

Bisher gab es hierzu noch keine gerichtliche Entscheidung durch den europäischen Gerichtshof. Es bleibt daher spannend wie sich dieser Fall rechtlich noch weiterentwickelt.

Wichtigkeit der bestimmungsgemäßen Verwendung

Das nächste wichtige Thema, was in der Technischen Dokumentation bisher eher stiefmütterlich behandelt wird, ist die bestimmungsgemäße Verwendung.

Diese zeigt die zu erwartende Sicherheit beim Produkt auf und bestimmt das anwendbare Produktsicherheitsrechts. Handelt es sich bei dem Produkt um eine Maschine, Haushaltsgerät oder sogar ein Spielzeug? Auch legt die bestimmungsgemäße Verwendung die Bandbreite der vertraglichen Gewährleistung fest, da der Anwendungsbereich des Produktes über die Beschreibung definiert wird.

Auch die Beschreibung von vorhersehbarer Anwendung ist wichtig. Hierzu zählt natürlich auch die Beschreibung der möglichen Fehlanwendung. Ein Klassiker, den ich hier gerne aufzähle, ist die Kabeltrommel, welche zur Benutzung nicht voll ausgerollt wird. Der Hersteller muss in seinen Benutzerinformationen vor einem solchen Gebrauch und den Folgen solch einer Fehlanwendung warnen. Die Kabeltrommel kann möglicherweise überhitzen, wenn diese nicht komplett abgerollt wird.

Notwendigkeit von Informationen/Warnhinweisen

Ein weiterer Inhaltspunkt sind die rechtlichen Bestimmungen für „notwendige“ Informationen in der Technischen Dokumentation. Dies ist in der Praxis schwierig und es kommt häufig zu Fehleinschätzungen, dass nur geringe Informationen erforderlich sind, da nur Fachleute das Produkt nutzen.

Hier ist ein gutes Beispiel behandelt worden. Der Fahrer eines gepanzerten Sonderfahrzeuges stand nicht die Information zur Verfügung, dass durch den veränderten Schwerpunkt des Fahrzeuges bei Volleinschlag und Rückwärtsfahrt das Fahrzeug kippen kann. Es gab dann natürlich eine Trainingssituation, in der dann das Fahrzeug eines Personenschützers umkippte. Die Versicherung wollte den entstandenen Schaden nicht zahlen. Dem Personenschützer hätte aufgrund seines Fachwissens klar sein müssen, dass bei einem solchem Fahrzeug die Gefahr besteht, dass das Fahrzeug kippen kann. Nun musste gerichtlich die Frage geklärt werden, ob der Fahrer in diesem Fall grob fahrlässig gehandelt hat.

Das Gericht hat geurteilt, dass dem Fahrer kein fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden kann, da der Effekt nicht allgemein bekannt ist und die Betriebsanleitung dazu keine Hinweise enthielt. Es genügt nicht anzunehmen, dass der „Fachmann“ in diesem Fall über die mögliche Gefahr des veränderten Schwerpunktes aufgrund der Panzerung Bescheid weiß. Je nach Vertriebsland können die Produktanwender ja auch unterschiedliche Qualifikationen vorweisen. Die Betriebsanleitung muss daher über entsprechende Informationen bzw. Warnhinweise auf solche Besonderheiten hinweisen.

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Die wichtigsten 6. Punkte zur Prüfung von Betriebsanleitungen in der technischen Dokumentation.
  • Ersichtlicher Verwendungszweck der Maschine
  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
  • Korrekt gestaltete Warnhinweise
  • Übersichtliches Layout der Betriebsanleitung
  • Verständliche Abbildungen
  • Hochwertige textliche Gestaltung

Bedienungsanleitung in elektronischer Form

Gegen Ende kam noch das Thema auf in Bezug auf die Bedienungsanleitung in elektronischer Form. Wird es in Zukunft ausreichen, die Anleitung nur noch per Download anzubieten?

Es gab einen Fall, wo das Landesgericht Essen darüber entscheiden musste, da die deutsche Anleitung gefehlt hat. Dem Produkt lag nur eine englische Anleitung bei. Die deutsche Anleitung war aber über ein Internet-Link verfügbar.

Ob in Zukunft auf Anleitungen in Papierform zu verzichten ist, kann hierbei nicht gesagt werden. Dem Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetzt wurde zugestimmt. Das lag hauptsächlich daran, dass die deutsche Anleitung im Internet sich auch auf ein andere Produktvariante bezogen hat und somit für das Produkt auch nicht ausreichend ist. Das Thema elektronische Anleitung konnte daher vor Gericht nicht weiter behandelt werden.

Zudem das Landgericht sich auch nur mit diesem deutschen Fall beschäftigt hat. Der europäische Raum wird bei dieser Verhandlung vollständig ausgeblendet. Die Auslegung des europäischen Rechtes ist dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten.

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