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TEKOM #006 Update Rechtliche Entwicklungen in der Technischen Dokumentation

TEKOM #006 Update Rechtliche Entwicklungen In Der Technischen Dokumentation

Anlass um über die Rechtliche Entwicklungen zu sprechen, ist das in der letzten Woche die Jahrestagung der tekom stattgefunden hat. Die tekom ist wie viele von Ihnen sicher wissen der deutsche Fachverband zur Technischen Kommunikation.

Der Fachverband behandelt alle Themen rund um die Definition, Erstellung und Bereitstellung von Informationsprodukten. Die Technische Dokumentation und Anleitungen aller Art sind hierbei entsprechend wichtige Teile für den Fachverband.

Es finden im Jahr immer zwei Tagungen statt, die Frühjahrstagung und die Herbsttagung. Die im Frühjahr stattfindende Tagung ist die kleinere und wechselt Ihren Standort. Die Herbsttagung, welche auch als Jahrestagung des Verbandes angesehen wird, hat Ihren festen Platz auf dem Messegelände in Stuttgart.

Eine Vielzahl von Ausstellern präsentiert auf dem Messegelände dem Fachpublikum Ihre Produkte wie Redaktionssystem und Dienstleistungen. Zudem tragen viele Fachreferenten Ihre Vorträge vor, um den Besucher Wissen zu vermitteln und auf dem aktuellen Stand der Technik zu bringen.

Einer dieser Fachreferenten ist Herr Jens-Uwe Heuer-James, ein Anwalt und Mitglied des Rechtsdienstes der tekom. Er informiert in seinen Vorträgen die Zuhörer immer über die aktuellen rechtlichen Entwicklungen in der Technischen Dokumentation. Dieser Vortrag ist fester Bestandteil jeder Jahrestagung und gehört auch zu den beliebtesten Vorträgen der tekom.

Vortrag über die rechtlichen Entwicklungen in der Technischen Dokumentation

Der Vortrag von Herr Jens-Uwe Heuer-James gibt dabei einen Ausblick über die weitere Entwicklung der Normen, Richtlinien und Gesetze in der Technischen Dokumentation. Da sich das europäische Recht ständig weiter entwickelt und somit auch das deutsche Recht, ist es nicht verwunderlich, dass sein Vortrag immer sehr gut besucht ist.

Aktuelle Rechtsentwicklungen

Nach einem lockeren Einstieg kamen zuerst die Antreiber für aktuelle Rechtsentwicklungen in der Technischen Dokumentation zu sprechen. Das sind sowohl die gesetzlichen Entwicklungen durch neue Richtlinien und Gesetze, die Überwachung der Produkte am Markt sowie die aktuellen Fälle der Rechtsprechung (der bekannteste Fall derzeit ist natürlich dieser der Boeing 737)

Etwas was sich in dem Vortrag hervorgetan hat, ist dass sich seit dem letzten Jahr die Zahl der Verstöße gegen die Produktüberwachung durch Anzeige von Mitbewerbern gestiegen sind. Waren früher Produkthaftungsfälle ein häufiger Grund für Gerichtsprozesse, sind es aktuelle eher Fälle von Verletzungen der Instruktionspflicht, beispielsweise das eine fehlerhafte Technische Dokumentation mit dem Produkt herausgegeben wurde oder wie im Falle von Boeing die Kunden nicht ausreichend informiert wurden und mit falschen Tatsachen geworben wurde.

Der Fall Boeing

Rufen wir uns den Fall Boeing nochmal ins Gedächtnis. Im Oktober 2018 und März 2019 stürzen jeweils baugleiche 737 Max Flugzeuge von Boeing ab und hunderte Menschen kamen dabei ums Leben. Bis dorthin war dieses Modell der Verkaufsschlager bei Boeing. Aufgrund von Zeit- und Kostendruck bei der Entwicklung wurden bei Konstruktion und der Software Fehler gemacht. Die verbesserte Version der 737 hat größere Triebwerke verbaut als ihr Vorgänger. Eine neue verbaute Software sollte verhindern, dass bei einem überzogenen Steigflug es zu einem gefährlichen Strömungsabriss kommen kann. Diese Software spielte bei beiden Abstürzen eine entscheidende Rolle. Auch Piloten kritisieren, dass Sie über die Eingriffe in die Steuerung durch die Software nicht ausreichend informiert wurden. Die deutlich veränderten Flugeigenschaften hätte Boeing seinen Kunden eigentlich mitteilen müssen, damit diese Ihre Piloten entsprechend schulen können. Jedoch hat Boeing damit geworben, dass es im Cockpit der 737 Max keine wesentlichen Veränderungen zum Vorgänger gibt, um die Verkaufszahlen nicht zu schmälern. Die Summe die Boeing für die Vernachlässigung Ihrer Instruktionspflicht und den unlauteren Wettbewerb hierfür zahlen muss geht in die Milliardenhöhe.

Die vermehrte Anzahl solcher Fälle von unlauterem Wettbewerb ruft natürlich eine verstärkte Präsenz der Marktüberwachung hervor.

Auch die Gerichte schauen sich deswegen vermehrt die Anleitungen der Hersteller an. Die den Gerichten vorliegenden Anleitungen entsprechen sehr häufig nicht dem IST-Zustand des Produktes. So sind Abbildungen des Produktes in der Anleitung hinterlegt, die einen frühen Entwicklungsstand von vor mehreren Jahren aufweisen. Das Produkt hat sich seit dieser Aufnahme aber stark verändert und die Abbildungen sind nicht mehr aktuell zum eigentlich Soll-Zustand.

Passend zu den Entwicklungen der Rechtslandschaft sind im Vortrag auch einige Beispiele von Gerichtsurteile in Produkthaftungsfällen vorgetragen worden.

Beispiele von Gerichtsurteilen – Beatmungsgerät

In einem ersten Beispiel ging es um ein Beatmungsgerät, welches ein Kunde für seine Frau aus einem Fachgeschäft gekauft hat. Das verkaufte Gerät war in diesem Fall nicht für die Frau des Käufers geeignet, weswegen es nach Verwendung zu Komplikationen kam und eine Notfall-Op an der Frau durchgeführt werden musste. Der Käufer verklagte das Geschäft daraufhin, dass diese Ihn nicht ausreichend über das Produkt informiert habe. Das Gericht sah die Klage als gerechtfertigt an, da ein „Fachgeschäft“ über genügend fachliches Wissen verfügen muss, um einen potenziellen Käufer über die Produkte und den Anwendungsbereich umfassend und sicher zu beraten. Hier lag also eine Verletzung der Instruktionspflicht des Verkäufers vor.

Beispiele von Gerichtsurteilen – Notrufsystem in einem Fahrzeug

Das zweite Beispiel handelt sich um den Erwerber eines Fahrzeuges, welches ein Notrufsystem enthält. An sich gesehen eine praktische Sache: Passiert ein Unfall, informiert dieses System automatisch die Notrufstellen über den Unfall.

Nun kommt das kuriose: Der Käufer störte jedoch die Tatsache, dass das Notrufsystem seine personenbezogenen Daten weitergibt. Der Käufer wurde darüber beim Kauf des Fahrzeuges nicht informiert und klagt deswegen gegen den Händler.

Zwar ist das Notrufsystem in der Anleitung des Fahrzeuges beschrieben, jedoch kriegt der Kunde die Anleitung natürlich erst nach dem Kauf. Auf vertraglicher Ebene hätte der Händler seinen Kunden umfassend vor dem Kauf über das Notrufsystem und die Verarbeitung von personenbezogenen Daten informieren müssen.

Beispiele von Gerichtsurteilen – Gebrauchte Batterien

In dem letzten Beispiel was ich hier nennen möchte, ging es um gebrauchte Batterien. Ein Herr kaufte sich einen gebrauchten Miniatur Helikopter mit Batterien. Er hat das gebrauchte Produkt ohne Anleitung erworben.

Was ist nun passiert: Der Kunde hat die alten Batterien zum Aufladen in das Ladegerät getan und ist dann weggegangen. Die alten Batterien explodierten und verursachten einen Brand,  der einen Schaden in Höhe von 15.000 € zur Folge hatte.

Der Käufer hatte gegen den Verkäufer geklagt, dass das gebrauchte Produkt keine Anleitung enthalten hatte.

Das Gericht wies die Klage jedoch ab und verwies auf eine allgemeine Sorgfaltspflicht, die der neue Käufer mit dem Kauf eines gebrauchten Produktes übernommen hat. Gebrauchte Produkte können jeglichen Zustand haben und eine vollständige Gebrauchstauglichkeit bzw. Funktionsfähigkeit darf NICHT vorausgesetzt werden. Ein Produkt, welches also nicht neu ist und zudem auch keine Anleitung besitzt, darf nicht ohne besondere Sorgfalt des Anwenders benutzt werden.

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Anstehende Entwicklungen bei Richtlinien und Verordnungen

Kommen wir nun auf die kommenden Richtlinien und Verordnungen zu sprechen, die im Vortrag genannt wurden.

Manche davon sind bereits veröffentlicht, andere sind noch in Planung und kommen erst in einigen Jahren.

Im Vortrag kam kurz die Revision der EG-Maschinenrichtlinie zu sprechen. Aktuell überarbeiten die EU-Staaten diese und mit einer Veröffentlichung ist frühesten Mitte 2022 zu rechnen. Auch die Tekom arbeitet an der Revision der Maschinenrichtlinie mit.

Herr Jens-Uwe Heuer-James sieht der Veröffentlichung jedoch kritisch entgegen. Die Verbandsvertreter des Maschinenbaus sehen die Überarbeitung als fragwürdig, da die Unternehmen schon jetzt Probleme mit der Umsetzung haben. Daher bleibt dieses Thema spannend und es ist noch ungewiss ob wirklich mit einer Veröffentlichung bis 2022 zu rechnen ist.

Hingegen ist schon bald mit einer neuen Verordnung zu rechnen, die auch den Maschinenbau betreffen wird. Die Rede ist von der neuen Marktdurchsetzungsverordnung der EU.

Marktdurchsetzungsverordnung

Die Veröffentlichung dieser Verordnung ist für den 16. Juli 2021 geplant. Wie viele von Ihnen sicher wissen dürften, ist der Unterschied einer Verordnung zu einer Richtlinie dieser, dass die Verordnung sofort gültiges EU-Recht ist und nicht erst in nationale Bestimmungen umgesetzt werden muss. Daher gibt es für eine Verordnung auch keine Übergangsfrist und muss sofort angewendet werden.

Aber worum geht es in dieser Verordnung überhaupt?

In Übereinstimmung mit dem rechtlichen Rahmen der EU, welcher als „New Legislative Framework“ bekannt ist, betrifft diese neue Richtlinie alle CE-pflichtigen Erzeugnisse. Das bedeute jedes Produkt, das unter eine der Richtlinien fällt, welche eine CE-Kennzeichnung fordern, ist betroffen. Das betrifft sehr viele Produkte unter anderem Maschinen, Spielzeug, Druckgeräte, Niederspannungsprodukte oder persönlicher Schutzausrüstung.

Grund für diese Verordnung ist die Unzufriedenheit der EU mit der Durchsetzung der Marktüberwachung.

Die Verordnung beschäftigt sich mit den Pflichten der Wirtschaftsakteure, behandelt das Thema von Fulfillment Dienstleister und legt genaue Begriffsbestimmungen fest.

Begriffsbestimmung „Risiko“

Zu den interessantesten Begriffsbestimmungen zählt sicherlich die Definierung von Risiko. So definiert die Verordnung was ein akzeptables Risiko ist. Das beispielsweise ein Messer an einem Werkzeug scharf ist und somit ein Risiko darstellt, sollte jedem klar sein. Da waren die Auffassungen zwischen Marktaufsicht und Handel sehr unterschiedlich. Hersteller haben Gefahren abgetan, die Marktaufsicht hat mögliche Risiken aufgebauscht. Die Verordnung legt in Zukunft klar fest, welche Risiken als akzeptabel für den Benutzer gelten. Das hat dann natürlich direkte Auswirkungen auf Risikobeurteilungen und vor welchen Gefahren gewarnt werden muss.

Fullfilment Dienstleister

Zudem beschäftigt sich die Verordnung mit den Fullfilment Dienstleister wie Amazon. Die Dritthändler die über solche Onlinehandel Plattformen Ihre Produkte anbieten, könnten im Falle von fehlerhaften Produkte häufig nicht belangt werden. Diese sitzen im EU-Ausland und haben auch noch falsche Kontaktdaten hinterlegt. Die Verordnung ermöglicht den Marktüberwachungsbehörden nun direkt den Fullfilment Dienstleister zur Verwantwortung zu ziehen, wenn einer der Dritthändler auf der Plattform fehlerhafte Produkte auf den europäischen Markt bringt.

Pflichten von Wirtschaftsakteuren

Die Verordnung definiert auch die Pflichten von Wirtschaftsakteuren. Beispielsweise müssen Hersteller Ihre Kunden über die Lieferkette informieren und Angaben auf dem Produkt zu möglichen Importeuren machen.

Auch die Überprüfung und Nachweis der Konformität der Produkte mit den CE-Richtlinien ist ein Teil der Verordnung. Im Falle der Nichtkonformität verlangt die Verordnung die Einleitung sofortiger Korrekturmaßnahmen.

Auch wegen möglichen Durchsetzungsersuchen aus anderen Ländern macht die Verordnung Angaben. So kann es möglich sein, dass beispielsweise die Marktaufsicht in Italien ein fehlerhaftes Produkt auffällt und diesen Vorfall auch den anderen europäischen Behörden meldet. Dann müssen auch die anderen Marktaufsichten, auch die in Deutschland, das betroffene Produkt als fehlerhaft einstufen und entsprechende Maßnahmen einleiten.

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Marktüberwachung in der Praxis

Kommen wir zum Schluss der Folge noch kurz auf die Marktüberwachung in der Praxis zu sprechen.

Im Vortrag wurde hervorgehoben, dass rund 80% der Anleitungen von Maschinen fehlerhaft sind, da die gemessenen Geräuschemissionen an diesen Maschinen fehlerhaft oder unzureichend sind. Zu diesem Thema will die EU auch noch einen Leitfaden für Maschinenhersteller veröffentlichen.

Herr Jens-Uwe Heuer-James sieht in seinem Vortrag auch die Tendenz, dass die Marktüberwachung vermehrt sogar durch Prüfinstitute geprüfte Produkte aus dem Handel zieht, die aber fehlerhaft sind. Der Grund dafür kann schon eine fehlerhafte Technische Dokumentation sein. Die Marktüberwachung fordert dann ein Nachbessern der Anleitung und zieht evtl. sogar das Produkt bis zur Nachbesserung aus dem Handel. Zudem scheut sich die Marktüberwachung auch nicht davor alte Produkte auf den Prüfstand zu stellen und zu kontrollieren.

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