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Besonderheiten für Betriebsanleitungen – #US-P003

Besonderheiten Für Betriebsanleitungen – #US-P003

Besonderheiten für Betriebsanleitungen

Ein herzliches Willkommen an alle Zuhörerinnen und Zuhörer zu einer neuen Folge unseres Podcasts zur Technischen Dokumentation. Mein Name ist Florian Schmider und ich bin bei der GFT AKADEMIE verantwortlich für den Bereich der Technischen Dokumentation.

 Wie letzte Woche angekündigt, werden wir heute Besonderheiten besprechen, die für Anleitungen für den US-Markt wichtig sind. Letzte Woche habe ich es bereits erwähnt, dass die Einhaltung von Normen und Richtlinien in den USA wichtig sind, diese jedoch nur als Basis oder Standard anzusehen sind. Normen und Richtlinien haben daher im Vergleich zu Europa oder Deutschland nur einen untergeordneten Wert, die Verständlichkeit und Qualität der Anleitung ist entsprechend wichtiger. Daher gehen wir heute genau darauf und auf weitere Besonderheiten ein. Aufgrund der großen Anzahl an Besonderheiten werde ich hieraus eine Doppelfolge machen, damit die Folge nicht zu lang wird.

Da die Folgen thematisch aufeinander aufbauen, empfehle ich Ihnen sich auch die anderen Folgen der Reihe anzuhören. So ist alles für Sie verständlich und gut erklärt. Vollständige Erklärungen von bereits erklärten Begriffen und Begebenheiten spare ich mir in den neueren Podcasts, damit die Folgen nicht zu lange werden.

Die Verständlichkeit und Qualität von Anleitungen ist ein großer Streitpunkt unter technischen Redakteuren. Beide Kriterien hängen stark von der Sicht des Redakteurs und der Qualifikation und dem Wissen von Lesern und Nutzern der Anleitung ab. Gerade ob Texte verständlich oder zu ungenau beschrieben sind, kann eine sehr subjektive Meinung sein. Wie soll der technische Redakteur diesen Punkt für die USA denn dann handhaben?

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Die Verständlichkeit – Alles klar?

Als Maßgabe für die Verständlichkeit nutzen einige Redakteure den sogenannten „dümmsten, anzunehmenden Nutzer“. Dieser Begriff oder diese Zielgruppe soll einen Nutzer beschreiben, der keine Ahnung hat und auch nur ein geringes Wissen. Gerne wird diese Zielgruppe genutzt, um ein Produkt bzw. eine Anleitung für „alle Nutzer“ zu schreiben.

Das Problem daran hatte ich bereits im Podcast zur Zielgruppe erläutert. Es ist schlicht nicht möglich für alle Nutzer zu schreiben. Zu stark sind die Unterschiede der einzelnen Nutzer. Seien es körperliche Behinderungen wie Farbenblindheit oder Sehschwäche oder geistige Einschränkungen. Es müssen Grenzen der Zielgruppe definiert und auch entsprechend in der Anleitung beschrieben werden. Dies gilt sowohl für den europäischen als auch den amerikanischen Markt.

Doch das allein reicht nicht für den amerikanischen Markt aus. Es gibt viele kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland, Europa und den USA. Kriterien wie das Berufsausbildungssystem oder das Allgemeinwissen. Auch diese müssen berücksichtigt werden und entsprechend in die Anleitung einfließen.

Einer der Hauptpunkte dabei ist die Beschreibungstiefe der Texte und Handlungen. Wie in einem Podcast der Reihe „Betriebsanleitung erstellen“ erwähnt, bin ich kein Freund von Handlungen, die beendet werden mit „zum Zusammenbau befolgen Sie die Handlungen in umgekehrter Reihenfolge“. Der Grund dafür ist einfach der, dass dies genaugenommen im Detail gar nicht geht. Wenn in der Handlung Schrauben entfernt werden, sagt die Anweisung auch bei der umgekehrten Reihenfolge, dass die Schrauben entfernt werden müssen. Der Redakteur meint nicht nur die umgekehrte Reihenfolge sondern auch die gegenteilige Durchführung von Handlungen.

Dies ist ein wichtiger Punkt für die USA. Solche abgekürzten Texte erfordern vom Leser ein aktives Mitdenken, etwas was dort einfach unüblich in Zusammenhang mit Anleitungen ist. Der Leser dort ist es nicht gewohnt und ihm wird es entsprechend schwerfallen. Sie können sich das ganze so ähnlich vorstellen, wie wenn ich Ihnen nun vorschreibe, immer die Anleitung der Produkte zu lesen müssten, bevor Sie das Produkt nutzen dürfen. Gerade wenn Sie einen neuen TV kaufen und die Anleitung lesen müssen, wird Ihnen dies schwer fallen. Vorausgesetzt Sie gehören zu der Gruppe von Menschen, die ungern Anleitungen lesen.

Nehmen wir an, wir haben nun einen Gerichtsprozess, da die „umgekehrte Reihenfolge“ nicht funktioniert hat, eine Schutzabdeckung nicht montiert wurde und ein herausfliegendes Teil jemanden verletzt hat. Zur Erinnerung, die Jury hat kein juristisches oder technisches Wissen. Welche Argumentation wird die Jury überzeugen? Ihre „das ist doch klar, dass die Abdeckung wieder montiert wird, es ist nur nicht richtig beschrieben“ oder die „es ist nicht beschrieben, da es Geld und Zeit kostet. Verletzungen werden bereitwillig von der Firma akzeptiert. Stellen Sie sich vor, liebe Jury, das Teil hätte jemanden getroffen den Sie lieben. Oder sogar getötet“ Argumentation des Anwalts des Klägers. Ich glaube das Argument des Klägers wird in diesem Fall besser ankommen.

Ein wichtiger Punkt in dem Beispiel ist auch der Grund warum es nicht beschrieben wird. Warum beschreiben wir Handlungen nicht vollständig und kürzen es mit „umgekehrter Reihenfolge“ ab? Mögliche Gründe dafür die mir gerade einfallen sind Faulheit, die Kosten im Hinblick auf Zeit des Redakteurs und die Übersetzungskosten, und die Unverständnis, das doch jeder weiß, was damit gemeint ist. Alles keine guten Argumente in einem Prozess für unsere Seite.

Daher die Empfehlung von mir: Beschreiben Sie Ihre Handlungen und Texte in für die Zielgruppe ausreichender Tiefe. Gerade wenn Sie bereits wissen, dass das Produkt außerhalb Europas verkauft werden soll. Selbst wenn dies bedeutet, dass Sie die Drehrichtung von Schrauben beschreiben müssen. So können Sie eine der größten Haftungsrisiken vermeiden.

Die Amtssprache der USA? Englisch oder?

Wir bleiben bei der Verständlichkeit des Textes, gehen jedoch von der Beschreibungstiefe zur Sprache weiter. Die besten Texte helfen dem Leser nicht weiter, wenn er diese nicht verstehen kann. Es geht nun also direkt um die Sprache. Doch welche Sprache ist für die USA die richtige? Derjenige der nun sagt, Englisch liegt aus zwei Gründen nicht ganz richtig.

Zum einen hat die USA keine einheitliche Amtssprache. Englisch ist faktisch Nationalsprache, da sie von etwa 82% der Bevölkerung die Muttersprache ist. Offiziell ist es jedoch nur von 32 Bundesstaaten die Amtssprache, in den anderen inoffiziell. Prinzipiell ist es jedoch eine der wichtigsten Sprachen.

Zum andern wird unter Englisch dort US-Englisch verstanden. Es unterscheidet sich von britischem Englisch durch Besonderheiten wie Sprech- und Schreibweisen. Der Unterschied ist jedoch extrem wichtig, da es bereits Prozesse gab, wo Anleitungen in britischem Englisch als nicht vorhanden gewertet wurden, da sie nicht in US-Englisch verfasst waren.

In den USA werden ungefähr 337 Sprachen gesprochen. Neben Englisch ist die wichtigste Sprache Spanisch. Dies gilt besonders in Gebieten mit hohem lateinamerikanischem Bevölkerungsanteil, wie in Staaten die an Mexiko angrenzen. Diese Staaten haben oft auch Richtlinien und Gesetze, die die Anleitungen in Spanisch und Englisch fordern. Jedoch sollten Sie dies nicht daran festmachen, ob die Staaten an Mexiko angrenzen, da wie in einer früheren Folge erwähnt, beispielsweise auch Staaten wir New York für die Baubranche Spanische Anleitungen fordern, da der Arbeiteranteil der Branche entsprechend hoch ist.

Neben US-Englisch und Spanisch gehören zu den häufigsten, gesprochen Sprachen auch Französisch, Chinesisch und Deutsch. Je Bundesstaat ist diese Ausprägung unterschiedlich, jedoch kann man sagen, dass Französisch eher im Norden in Richtung Kanada vorkommt. Deutsch und Chinesisch hingegen sind räumlich nicht geballt und weitläufiger verteilt. Diese Vielfalt an Sprachen zeigt, wie wichtig die Recherche von Richtlinien in den einzelnen Bundesstaaten ist. Nur mit ihr können Sie feststellen ob Sie neben US-Englisch weitere Sprachen benötigen.

Die Folgen unverständlicher Anleitungen

Die Sprache und die Beschreibungstiefe von Anleitungen sind wichtige Faktoren für gute Anleitungen. Es gibt nichts Frustrierendes als wenn man Probleme mit einem Produkt hat und die dazugehörige Anleitung unverständlich, unvollständig oder falsch ist. So geht es jedem von uns, so geht es auch den Amerikanern. Hinzukommt, dass durch die 82% der englischen Muttersprachler quasi jeder fünfte Englisch als Fremdsprache sieht und Texte in Englisch je nach Sprachkenntnisse nur bedingt oder schlecht versteht.

Schlechte, ungenau beschriebene Anleitungen führen neben Frust beim Leser auch zu Risiken. Der Amerikaner ist aufgrund der kulturellen Gegebenheiten eher jemand, der eine Lösung sucht und daher auch bereit ist Dinge zu versuchen. Durch diese Versuche besteht das Risiko, das Produkte nicht ordnungsgemäß verwendet werden und das Risiko für Unfälle entsprechend steigt. Entsprechend steigt das Haftungsrisiko und die Möglichkeit viel Geld dadurch zu verlieren. Dies gilt für alle Bereiche von Produkten, egal ob Maschinen, Anlagen oder Konsumgütern. Jedoch steigt dieses Risiko gerade bei Konsumgütern extrem an, da die Zielgruppe dort wesentlich größer ist.

Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch, dass im Falle eines Haftungsfalles nicht nur die Anleitung zum Produkt betrachtet wird. Meist werden von den Anwälten des Klägers auch die Anleitungen von anderen Herstellern und Mitbewerbern zum Vergleich herangezogen. Abweichende Kriterien oder Elemente die dort besser gemacht werden, werden als Argumente herangezogen, dass der verklagte Hersteller nicht genügend unternimmt, um ein sicheres Produkt zu vertreiben. Sprich neben der eigenen Anleitung muss auch der Hersteller schauen, wie seine Mitbewerber auf dem amerikanischen Markt auftreten.

Das metrische System

Neben diesen wichtigen Punkten möchte ich noch einige im Vergleich, kleinere Kriterien ansprechen, die für Betriebsanleitungen für die USA wichtig sind. Zum einen wissen die meisten Personen, dass es neben dem metrischen System auch das angloamerikanische System gibt. Dies ist daher wichtig, da die Maßangaben und ähnliche Angaben in den USA umgerechnet werden müssen.

Ich weiß, dass an dieser Stelle einige der Zuhörer mir gerne wiedersprechen möchten. In der Vergangenheit hatte ich bereits öfters Diskussionen zu diesen Angaben. Offiziell haben die vereinigten Staaten das metrische System anerkannt und es wird auch öfters gesetzlich vorgeschrieben. Jedoch klafft eine riesige Lücke zwischen Gesetz und Realität: Die meisten Menschen in den USA können nichts mit dem metrischen System anfangen geschweige es einsetzen.

Somit ist zwar der Hersteller einer Anleitung mit metrischen System Gesetzes konform, jedoch kann dies dennoch in einem Haftungsfall als negatives Argument für den Kläger dienen. Wie bereits erwähnt, hat die Jury jedoch keine juristischen Kenntnisse, kann mit dem metrischen System vermutlich selbst nichts anfangen und ist dadurch vermutlich offener für die Argumente des Klägers. Einige der Jurymitglieder werden sich vielleicht auch noch an den letzten Einführungsversuch des Systems in den 70ern erinnern können und wie dieses gescheitert ist. Sollten Sie sich dafür interessieren, über Google können hierzu interessante Artikel gefunden werden.

Als Empfehlung zur Lösung dieses Punktes kann auch die Vorgehensweise der versuchten Einführung dienen. Geben Sie einfach beide Maßsysteme an, eines in Klammer. So können die Leser beide Angaben anschauen, entsprechend anwenden und notfalls nachrechnen. Nur die Angabe des metrischen Systems könnte zu Unfällen führen, wenn beispielsweise jemand das Gewicht in Tonnen falsch betrachtet und das Lastaufnahmemittel unter dem Gewicht versagt.

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Die wichtigsten 6. Punkte zur Prüfung von Betriebsanleitungen in der technischen Dokumentation.
  • Ersichtlicher Verwendungszweck der Maschine
  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
  • Korrekt gestaltete Warnhinweise
  • Übersichtliches Layout der Betriebsanleitung
  • Verständliche Abbildungen
  • Hochwertige textliche Gestaltung

Das Bild gehört zum Text!

Der weitere wichtige Punkt betrifft Bilder, Verweise und Kapiteln. Anleitungen und die Kapitel für amerikanische Anleitungen sollten so strukturiert werden, dass diese übersichtlich sind und auch nicht aus zu vielen unterschiedlichen Ebenen bestehen. Eine Gliederung in 3 Ebenen, also beispielsweise 1.1.1 hat sich als vorteilhaft herausgestellt.

Außerdem sollten Anleitungen so wenig Seitenverweise beinhalten wie möglich. Ein schlechtes Beispiel hierzu wäre, wenn Sie Informationen zum Betrieb suchen, von dort auf die Wartungsangaben verwiesen werden, dort über die technischen Daten zum Sicherheitskapitel und schlussendlich in ein anderes Kapitel im Betrieb geführt werden. Solche Verweise sind unnötige und zwingen den Leser zum „Springen“ in der Anleitung. Daher sollten alle Informationen zu den entsprechenden Situationen auch genau dort aufgeführt werden.

Dasselbe betrifft Abbildungen und Grafiken. Auch diese gehören zu der entsprechenden Situation oder Handlung. So ist dem Leser immer klar was er zu tun hat und die Bilder unterstützen die Handlungen. Unnötiges Umblättern in der Anleitung sollte auch bei Bildern vermieden werden. Generell sollten Anleitungen für die USA mehr und zusätzliche Bilder im Vergleich zur Deutschen Anleitung beinhalten. Gleichzeitig können diese Bilder es auch ermöglichen, dass ein spanischer Leser die englische Anleitung besser versteht.

Weitere Besonderheiten in der nächsten Folge

Wir sind nun wieder am Ende des heutigen Podcasts. Wie bereits erwähnt, werden wir nächste Woche mit weiteren Besonderheiten fortfahren. Dort wird es nicht nur um Besonderheiten seitens der Dokumentation gehen, sondern auch um Punkte, die bei der Konstruktion und Planung von Maschinen und Anlagen berücksichtigt werden sollten.

Ich hoffe, Ihnen hat diese Folge gefallen. Sollten Sie Anregungen oder Fragen zu dem Thema haben, schreiben Sie diese bitte in die Kommentare oder lassen Sie uns diese per E-Mail zukommen. Ich freue mich schon auf nächste Woche und hoffe, Sie sind dort wieder dabei.

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