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BA #036 Die auswechselbare Ausrüstung

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Das Schreiben von Benutzerinformationen für Produkte, die wiederum Zubehör zu einem bestimmten Produkt sind, ist nicht selten eine echte Herausforderung.

Eine Aufgabe die bei technischen Redakteuren immer mal wieder auf dem Schreibtisch liegt, besteht darin, eine Benutzerinformation für ein oder mehrere Produkte zu erstellen, die ihrerseits zu einem weiteren Produkt gehören. Dies können beispielsweise Erweiterungskomponenten für Bodenpflegegeräte oder Werkzeugmaschinen sein.

Besonders spannend, aber nicht selten auch besonders arbeitsaufwändig wird es dann, wenn es sich bei dem Kernprodukt beispielsweise um einen Traktor oder ein Multifunktionsfahrzeug handelt. Ein solches Fahrzeug ist nämlich anders als ein PKW oder LKW so konstruiert, dass es eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen kann. So bewegt der Traktor in der Forst- und Landwirtschaft mittels seines Frontladers und den entsprechenden Werkzeugen nicht nur Heu, Stroh, Mist oder schwere Dinge, er kann außer einem normalen Anhänger auch andere Maschinen wie Düngewagen, Häcksler, Heuwender und andere ziehen und betreiben. Ähnlich verhält es sich bei Multifunktionsfahrzeugen die ihren Dienst beispielsweise in Logistikunternehmen, Straßenmeistereien, Kommunalbetrieben und vielen anderen Bereichen versehen.

Möglich ist dies, weil diese Fahrzeuge so konstruiert sind, dass sie bereits in der Grundversion Merkmale besitzen, die von zahlreichen funktionsergänzenden Komponenten genutzt werden können. Bei Traktoren ist dies beispielsweise die sogenannte Zapfwelle, mit der eine an das Fahrzeug angehängte Komponente wie beispielsweise ein Mähwerk oder ein Heuwender angetrieben werden kann. Multifunktionsfahrzeuge lassen den Anbau und Wechsel von Komponenten wie Besensystemen, Schneeräumsystemen, Mähwerken, Hebeeinrichtungen und anderen zu. Zu diesen Zwecken stehen bei beiden Fahrzeugtypen Schnittstellen für Druckluft, Hydraulik und elektrische Energie zur Verfügung.

In vielen Fällen haben wir es, neben dem Fahrzeug, mit der sogenannten auswechselbaren Ausrüstung zu tun. Nach der Definition der Maschinenrichtlinie handelt es sich dabei um

eine Vorrichtung, die der Bediener einer Maschine oder Zugmaschine nach deren Inbetriebnahme selbst an ihr anbringt, um ihre Funktion zu ändern oder zu erweitern, sofern diese Ausrüstung kein Werkzeug ist;

Soweit der Originaltext der Maschinenrichtlinie.

Nun können auswechselbare Ausrüstungen in verschiedener Weise daherkommen. Nicht nur, dass sie sich in Form und Funktion unterscheiden, sie können beispielsweise sowohl mit als auch ohne eigenen Antrieb auftreten. Haben wir es vor diesem Hintergrund eigentlich dann mit einer Maschine zu tun oder eher nicht?

Grundsätzlich ist zu sagen, dass gem. dem einleitenden Satz in Artikel 1 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG auch die auswechselbare Ausrüstung eine Maschine im Sinne dieser Richtlinie ist. Außerdem ist die auswechselbare Ausrüstung in Abs. 1 des Artikels 1 unter lit. b) aufgeführt. Damit gilt die Maschinenrichtlinie also so oder so auch für unsere „Anbauausrüstungen“, auch in Hinsicht auf die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen, es sei denn, es ist explizit angegeben, dass diese ausschließlich für eine oder mehrere bestimmte Produktkategorien gelten.

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Bei der Definition, ob es sich bei einem Produkt um eine auswechselbare Ausrüstung im Sinne der Maschinenrichtlinie handelt, gilt es nun Folgendes zu beachten:

Ein bestimmtes Produkt, also die Ausrüstung, gilt nur dann als auswechselbare Ausrüstung, wenn es erst nach Inbetriebnahme der Grundmaschine mit dieser verbunden und betrieben werden kann. Die Grundmaschine, für die das Produkt konzipiert ist, muss also als eigenständige Einheit in Verkehr gebracht worden sein und auch ohne das Produkt in vollem Umfang funktionieren. Die Kombination aus Grundmaschine und der jeweils angebauten auswechselbaren Ausrüstung hingegen muss darauf abzielen, dass die so entstandene Einheit als ein Funktionssystem auftritt. Beispiel: Das Multifunktionsfahrzeug mit angebautem Schneeräumsystem bildet eine funktionelle Einheit. Ohne Schneeräumsystem kann das Fahrzeug zu diesem Zweck nicht eingesetzt werden, ohne Fahrzeug ist das Schneeräumsystem wirkungslos.

Wichtig dabei: Erfordert der An- und Abbau einer Ausrüstung, dass an der Grundmaschine vorher erhebliche Änderungen durchzuführen sind (z. B. Änderung der Fahrzeugkonstruktion durch Anschweißen oder Herausschneiden von Teilen), gilt diese Ausrüstung nicht als auswechselbar im Sinne der Maschinenrichtlinie. Gleiches gilt übrigens, wenn der „regelmäßige Wechselfaktor“, wie ich ihn nennen möchte, bei einer Ausrüstung nicht erkennbar ist. Eine Ausrüstung, die also nach ihrer mechanischen Montage noch die aufwändige Beschaltung mit Ver- und Entsorgungsleitungen und weiteren festen Verbindungen zum Fahrzeug erfordert gilt nicht als auswechselbare Ausrüstung. Vergleichsbeispiel: die Anhängerkupplung wie wir sie bei PKW kennen. Hier ist nicht nur die Montage der Tragekonstruktion als dauerhaft anzusehen, sondern auch die Einbindung der Steckdose in die Fahrzeugelektrik.

Ob das oder die Produkte die als auswechselbare Ausrüstung gelten vom selben Hersteller wie der Grundmaschine geliefert werden oder von einem externen Hersteller ist ohne Belang. Wichtig ist jedoch, dass jedes Produkt welches unter die Einstufung als auswechselbare Ausrüstung fällt, zwingend mit einer Betriebsanleitung und EG-Konformitätserklärung auf dem Markt bereitzustellen ist. Selbstverständlich gilt auch hier die Pflicht zur CE-Kennzeichnung.

Andersherum gilt ein Produkt nicht als auswechselbare Ausrüstung, wenn es gar nicht dazu bestimmt ist vom Benutzer gewechselt zu werden und bereits vom Hersteller mit der Grundmaschine verbunden in Verkehr gebracht wird. In diesem Fall ist das Produkt als Teil der Maschine zu werten.

Nun gibt es in der Definition der Maschinenrichtlinie zur auswechselbaren Ausrüstung den Halbsatz

… um ihre Funktion zu ändern oder zu erweitern, sofern diese Ausrüstung kein Werkzeug ist;

Auswechselbare Ausrüstungen verändern oder erweitern die Funktion einer Maschine – das haben wir bereits festgestellt. Was hat das nun aber mit Werkzeugen zu tun und was ist überhaupt unter Werkzeugen zu verstehen?

Nun, es liegt sicher auf der Hand, dass es hier nicht um den Schraubendreher oder den Seitenschneider geht. Werkzeuge kommen im Zusammenhang mit Maschinen in deutlich größeren Dimensionen daher. So stellt beispielsweise ein Baggerlöffel ein Werkzeug dar. Werkzeuge ändern oder erweitern die Funktion des Grundfahrzeugs in der Regel nicht und unterliegen auch nicht der Maschinenrichtlinie. Sie gelten auch in anderen Fällen nicht als Teil der Maschine.

Aber betrachten wir das ruhig einmal etwas näher: Der Baggerlöffel wird kaum direkt mit dem Grundfahrzeug verbunden werden – wie sollte man damit auch arbeiten? Er erfordert eine entsprechende Vorrichtung am Grundfahrzeug – den Baggerarm. Gibt es für ein Grundfahrzeug einen Baggerarm, der relativ einfach jederzeit an- und abgebaut werden kann, stellt dieser eine auswechselbare Ausrüstung dar. Damit ist unser Grundfahrzeug prinzipiell in der Lage Erdarbeiten auszuführen (die Erweiterung bzw. Änderung der Funktion). Das, was wir nun am Arm montieren – den oder die Baggerlöffel in verschiedener Breite – ändern an der Funktion des Grundfahrzeuges nichts.

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Die Betriebsanleitung

Wie bereits erwähnt, ist für eine auswechselbare Ausrüstung eine Betriebsanleitung zu erstellen. Grundlegend strukturell unterscheidet sich eine solche Betriebsanleitung erst einmal nicht von beispielsweise der des Grundfahrzeuges. Dennoch gibt es einiges zu beachten.

So muss die Betriebsanleitung darüber informieren, mit welchen Grundfahrzeugen die auswechselbare Ausrüstung sicher zusammengebaut und betrieben werden kann.
(Das gilt natürlich für alle Maschinen – ich bleibe hier bei den Grundfahrzeugen, weil es zu meinen Eingangsbeispielen passt).  Hierzu müssen entweder alle technischen Merkmale angegeben werden, die das Grundfahrzeug für die sichere Montage und den sicheren Betrieb der auswechselbaren Ausrüstung aufweisen muss oder die entsprechenden Fahrzeugmodelle müssen benannt werden, an welche die auswechselbare Ausrüstung montiert werden darf.

Selbstverständlich müssen auch alle Informationen enthalten sein, die für die sichere Montage und den sicheren Gebrauch der auswechselbaren Ausrüstung von Bedeutung sind.

Und da der sichere Betrieb einer Maschine auch von der Verwendung der entsprechenden Werkzeuge abhängt, muss die Betriebsanleitung der auswechselbaren Ausrüstung alle Merkmale aller Werkzeuge aufführen, die von Bedeutung für eine sichere Benutzung sind. Hierzu gehören unter anderem Abmessungen, Gewicht, Werkstoffe, Konstruktionsmerkmale oder Form der Werkzeuge.

Übrigens: Wir haben es ja mit dem Grundfahrzeug sowie der auswechselbaren Ausrüstung mit Produkten zu tun, die jedes für sich auch in Hinblick auf die Sicherheit zu bewerten sind. Wir dürfen dabei nun aber keineswegs aus dem Blick verlieren, dass auch die Kombination von Grundmaschine und auswechselbarer Ausrüstung sicher zu betreiben ist. Das ist keineswegs so banal, wie es klingt, denn man kann nicht automatisch davon ausgehen, dass die Kombination zweier Produkte – die jedes für sich sicher sind – ebenfalls sicher ist. Hier ist die Konstruktionsabteilung gefordert, darauf zu achten, dass beispielsweise die auswechselbare Ausrüstung in Form eines Baggerarmes nicht die Standsicherheit des Grundfahrzeugs gefährdet.

Und ein weiterer zu beachtender Punkt ist, dass die Kombination Grundfahrzeug / auswechselbare Ausrüstung unter Umständen darin resultiert, dass man es plötzlich mit einer Maschinenkategorie zu tun hat, die unter den Anhang IV der Maschinenrichtlinie fällt. Würde man beispielsweise ein Grundfahrzeug mit einer Ausrüstung kombinieren, die das Heben von Personen oder Gütern ermöglicht, bei denen die Gefahr eines Sturzes aus einer Höhe von mehr als 3 m besteht, hat dies Auswirkungen auf das durchzuführende Konformitätsbewertungsverfahren.

Es gilt also viel zu beachten, wenn es um das Thema auswechselbare Ausrüstung geht. Leider zeigt die Praxis immer wieder, dass so mancher Hersteller hiermit Probleme zu haben scheint. So wird beispielsweise sehr oft zu der auswechselbaren Ausrüstung lediglich eine Montageanleitung erstellt. Alle anderen relevanten Teile werden in die Betriebsanleitung des Grundfahrzeuges auslagert. Zumindest steht es dann so in der Montageanleitung. Schaut man nun in diese Anleitung, findet man durchaus schonmal – nichts. „Was ist hier los?“, fragt man sich dann als technischer Redakteur. Nun, warum dies so ist, kann man meist nur mutmaßen. Nicht selten resultiert so etwas vermutlich aus der laufenden Entwicklung. Auf der einen Seite haben wir ein multifunktionales Grundfahrzeug, dass eigentlich keiner Änderungen bedarf, auf der anderen Seite besteht plötzlich der Wunsch, die Funktion dieses Fahrzeuges und damit die Produktpalette der Ausrüstung zu erweitern. „Einen Schneepflug für den XYZ123 haben wir noch nicht im Sortiment – dabei ist der aufgrund seiner Geländegängigkeit doch geradezu dafür prädestiniert“.

So wird dann also ein Schneepflug als Zusatzausrüstung gebaut – und man vergisst dabei das neu hinzugekommene Teil auch entsprechend in der Betriebsanleitung des Grundfahrzeugs zu erwähnen.

Alleine aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass die Verpflichtung besteht, für auswechselbare Ausrüstung eine eigene Betriebsanleitung zu erstellen. Trotzdem dürfen wir nicht darauf verzichten, die Betriebsanleitung dahingehend zu ändern, dass mindestens die Bedienung des Schneepfluges über das Bedienpaneel des Grundfahrzeuges ausreichend detailliert beschrieben wird.

Fazit

Halten wir also fest:

  • Produkte, die die Funktion einer Maschine erweitern oder verändern gelten dann als auswechselbare Ausrüstung, wenn
    – sie keine Werkzeuge sind
    – und erst nach der Inbetriebnahme der Grundmaschine mit dieser verbunden werden können
  • Die Kombination einer Grundmaschine mit einer auswechselbaren Ausrüstung ergibt eine funktionelle Einheit
  • Auswechselbare Ausrüstungen unterliegen vollumfänglich der Maschinenrichtlinie
  • Für jedes Produkt, das eine auswechselbare Ausrüstung ist, muss eine Betriebsanleitung erstellt und das Konformitätsbewertungsverfahren sowie die CE-Kennzeichnung durchgeführt werden.
  • Die Betriebsanleitung der auswechselbaren Ausrüstung muss alle Merkmale aller Werkzeuge aufführen, die von Bedeutung für eine sichere Benutzung sind.
  • Die Kombination von einer Maschine mit auswechselbarer Ausrüstung kann zu einer Maschine nach Anlage IV der Maschinenrichtlinie führen. Dies hat dann Auswirkung auf das Konformitätsbewertungsverfahren.

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