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NN #012 Das Recht auf Reparatur von Waren

NN #012 Das Recht Auf Reparatur Von Waren

Nachhaltigkeit – bald täglich begegnet uns dieser Begriff. Z. B. in den Medien oder beim Einkauf von Waren. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt?
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung definiert Nachhaltigkeit wie folgt: Zitat:

Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein.

Vereinfacht kann man wohl sagen: Geht mit den Ressourcen unseres Planeten so sorgsam um, dass auch diejenigen die nach uns kommen, diese noch nutzen können. Der Begriff Ressourcen steht dabei für alles, was in irgendeiner Form für unsere Gesellschaft nutzbar ist. Dabei unterscheiden wir in endliche Ressourcen wie Kohle, Erdöl oder Erdgas sowie verschiedene Metalle und nachwachsende Ressourcen wie z. B. Holz.

Der Nachhaltigkeitsgedanke ist übrigens gar nicht so neu, wie man vielleicht glauben mag. Vor mehr als dreihundert Jahren wurde dieser bereits auf die Waldwirtschaft übertragen, was bedeutete, dass nur so viele Bäume einem Wald zu entnehmen sind, wie in einer bestimmten Zeit nachwachsen können. Damit wollte man erreichen, die Ressourcen der Wälder nutzen zu können, ohne sie dabei zu zerstören. Dieses populäre Beispiel soll aber nicht davon ablenken, dass Nachhaltigkeit auch in anderen Bereichen von großer Bedeutung ist.

In unserer hochtechnisierten Welt spielen beispielsweise die sogenannten seltenen Erden eine große Rolle. Die Daten zur Verfügbarkeit dieser Metalle schwanken je nach Quellenangabe zwischen 66 und bis zu 3.400 Jahren. Ungeachtet dessen ist die Förderung dieser Metalle meist mit einem immensen Aufwand und nicht selten mit erheblichen Umweltschäden verbunden. Unter anderem aus diesen Gründen ist es erforderlich, auch mit diesen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Eine Maßnahme in diese Richtung ist es, Produkte die defekt oder gar scheinbar verbraucht sind nicht einfach fortzuwerfen, sondern umweltgerecht zu entsorgen uns so dem Recyclingweg zuzuführen. Doch bevor das soweit ist, kann eine Reparatur einem solchen Produkt nicht selten neues Leben einhauchen und es noch viele Jahre nutzbar halten.

Das Recht auf Reparatur

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist nun am 22. März 2023 gemacht worden. An diesem Tag hat das Europäische Parlament und der Rat einen Vorschlag über

gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinien (EU) 2019/771 und (EU) 2020/1828 eingebracht.

Darin geht es darum, die Lebens- und damit die Nutzungsdauer defekter Produkte durch Reparatur zu erhöhen. Gemäß dieses Vorschlages bemühen sich Verbraucher oftmals nicht darum, ein defektes Produkt reparieren zu lassen, sondern entsorgen es vorzeitig – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Garantiezeit. Ein Grund dafür sollen die nicht immer optimalen Reparaturmöglichkeiten sein. Auch überholte Waren (refurbished) scheinen nur in begrenztem Umfang genutzt zu werden, wodurch das Wiederverwendungspotenzial nicht ausgeschöpft wird.

In diesem Zusammenhang wurde auf der Konferenz über die Zukunft Europas auch eine Forderung nach einem Recht auf Reparatur laut. Um dem Rechnung zu tragen und einen nachhaltigen Verbrauch zu fördern, will diese Richtlinie erreichen, dass von Verbrauchern erworbene, brauchbare defekte Waren sowohl innerhalb als auch außerhalb der gesetzlichen Garantie vermehrt repariert und wiederverwendet werden.

Schauen wir uns die künftige Richtlinie etwas genauer an und beginnen mit dem Geltungsbereich in Artikel 1:

Sie legt gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren fest, um damit zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen und dabei ein hohes Niveau im Verbraucher- und Umweltschutz sicherzustellen.

Sie gilt für die Reparatur von Waren, welche von Verbrauchern erworben wurden, und zwar im Falle eines Mangels an den Waren, welcher außerhalb der Verkäuferhaftung gem. Artikel 10 der Richtlinie (EU) 2019/771 (Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenverkaufs) eintritt oder offenbar wird.

Wichtig zu wissen ist, dass nach Artikel 2 die Mitgliedsstaaten keine von dieser Richtlinie abweichenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften beibehalten oder einführen dürfen.

Kommen wir zu denen, welche die Reparaturen ausführen sollen – den Reparaturbetrieben. Reparaturbetriebe im Sinne der Richtlinie sind alle – Zitat: „natürlichen und juristischen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit eine Reparaturdienstleistung erbringt, einschließlich Hersteller und Verkäufer, die Reparaturdienstleistungen erbringen, sowie Reparaturdienstleister, unabhängig davon, ob sie selbständig oder mit diesen Herstellern oder Verkäufern verbunden sind“;

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Ein Reparaturbetrieb muss gem. Artikel 4 dem Verbraucher, welcher ein Produkt bei ihm reparieren lassen will, auf Wunsch das europäische Formular für Reparaturinformationen gemäß Anhang I auf einem dauerhaften Datenträger im Sinne von Artikel 2 Nummer 11 der Richtlinie (EU) 2019/771 zur Verfügung stellen. Hier gibt es allerdings eine Einschränkung: Ist der Reparaturbetrieb nicht zur Reparatur verpflichtet, muss er das Formular nur dann vorlegen, wenn er die Reparaturleistung trotzdem erbringen will.

Die für die Bereitstellung des Formulares anfallenden Kosten, kann der Reparaturbetrieb dem Verbraucher übrigens in Rechnung stellen.

Mit diesem Formular müssen diverse Angaben gemacht werden, die allerdings ohnehin in einen vernünftigen Kostenvoranschlag gehören sollten. An die dort gemachten Angaben ist der Reparaturbetrieb für 30 Tage gebunden, es sei denn, es wurde zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart. Genaueres dazu ist in Artikel 4 Ziffer 4 und 5 nachzulesen.

Wer ist wie zur Reparatur verpflichtet?

Gemäß Artikel 5 ist dies zunächst einmal der Hersteller. Er muss – wenn der Verbraucher es verlangt – die Produkte dann unentgeltlich ober zu einem bestimmten Preis oder eine andere Art von Gegenleistung reparieren, wenn für diese Anforderungen an die Reparierbarkeit in den in Anhang II festgelegten Rechtsakten der Union festgelegt sind. Ist eine Reparatur jedoch nicht möglich, besteht die Verpflichtung zur Reparatur nicht. Kann oder will der Hersteller die Reparatur nicht selbst vornehmen, darf er diese Leistungen an Subunternehmer vergeben. Dabei gilt, dass auch unabhängige Reparaturbetriebe Zugang zu den Ersatzteilen und Reparaturinformationen sowie Werkzeugen im Einklang mit den in Anhang II aufgeführten Rechtsakten der Union haben.

Soweit die Lage bei Herstellern im Gebiet der Union. Was aber, wenn es sich um Produkte von außerhalb der Union handelt?
Hier gilt, dass wenn der Hersteller seinen Sitz außerhalb der Union hat, diese Verpflichtung auf seinen Bevollmächtigten übergeht. Existiert dieser nicht, steht der Importeur in der Verantwortung hierzu. Sollte es auch diesen nicht geben, geht die Pflicht auf denjenigen über, der diese Produkte verteilt.

Mit dem Artikel 6 kommen wir der Arbeit in der technischen Redaktion wieder etwas näher: Die Hersteller sind nämlich auch verpflichtet die Verbraucher über Ihre Reparaturverpflichtung zu informieren. Diese Informationen müssen sie in leicht zugänglicher, klarer und verständlicher Weise bereitstellen – hierbei sind auch Online-Plattformen nach Artikel 7 erlaubt. Gemäß der Richtlinie muss jeder Mitgliedsstaat der Union mindestens eine Online-Plattform bereitstellen, die es den Verbrauchern ermöglicht, Reparaturbetriebe zu finden. Die Anforderungen an diese Online-Plattformen sind in Ziff. 1 lit. a) beschrieben.

Ich gehe also davon aus, dass diese Informationen auch in den Benutzerinformationen enthalten sein müssen.

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Um welche Produkte geht es bei dieser Richtlinie?

Diese Richtlinie gilt gem. Artikel 5 Abs. 1 für Produktgruppen gemäß ihrem Anhang II. Hierzu gehören Produktgruppen welche unter die Anforderungen an die Reparierbarkeit des Ökodesign-Rahmens fallen – z. B. Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlgeräte oder Staubsauger für den Haushalt. Zu diesem Zweck wird vorgeschrieben, dass fachlich kompetenten Reparaturbetrieben für mindestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des letzten Modells die in einer Liste definierten Ersatzteile zur Verfügung gestellt werden.

Fazit

Halten wir also fest:

  • Die Richtlinie stärkt das Recht des Verbrauchers, eine Reparatur seines Produktes zu fordern, auch wenn die gesetzliche Gewährleistung nach Artikel 10 der Richtlinie (EU) 2019/771 bereits abgelaufen ist. Und zwar auch dann, wenn der Mangel bei Lieferung noch gar nicht bestanden hat oder erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist zu Tage tritt.
  • Grundsätzlich ist der Hersteller in der Pflicht diese Reparaturen auszuführen. Er kann sie jedoch an Subunternehmen delegieren. Diese Pflicht zur Reparatur kann jedoch bei Herstellern, die ihren Sitz außerhalb der Union haben bis zum Händler der Produkte durchgereicht werden.
  • Ist eine Reparatur nicht möglich, entfällt die Reparaturverpflichtung.
  • Der Verbraucher kann vor Auftragsvergabe vom Reparaturbetrieb verlangen, dass dieser ihm das Europäische Formular für Reparaturinformationen zur Verfügung stellt. Dies muss der Reparaturbetrieb allerdings nicht unentgeltlich tun.
  • Ein Betrieb, der nicht zur Reparatur verpflichtet ist, muss das Formular nicht vorlegen, wenn er die Reparatur nicht ausführen will.

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