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KG #006 Funktionsumfang vs. optionale Erweiterungen

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Vor kurzem erhielten wir eine interessante Anfrage zu einem Thema, welches möglicherweise auch Sie selbst schon einmal beschäftigte.
Es geht um die Bedienungsanleitung zu einem Laptop. Die Anfrage, welche uns erreichte, scheint – zumindest auf den ersten Blick – Potential für juristische Auseinandersetzungen zu haben. Worum ging es konkret?

Ein IT-Spezialist erwarb einen Laptop aus dem Produktportfolio eines bekannten Computerherstellers. Da das Gerät werkseitig nicht über genügend Arbeitsspeicher für die vorgesehenen Anwendungszwecke verfügte, wollte der Kunde diesen selbst erweitern. Wer sich mit der Aufrüstung von Computern beschäftigt weiß, dass zur Speichererweiterung nicht einfach ein beliebiges Modul eingesetzt werden kann, denn dieses muss einigen Spezifikationen entsprechen, will man Fehlfunktionen oder Performanceeinbußen vermeiden. Daher machen die Hersteller nicht nur Angaben, bis zu welcher Größe der Arbeitsspeicher ausgebaut werden kann, sondern beispielsweise auch Vorgaben zu Formfaktor, Taktzyklen oder Datendurchsatz der hierzu in Frage kommenden Speichermodule.
Diese Informationen waren bislang meist in einem eigenen Kapitel oder im Anhang der Bedienungsanleitung aufgeführt – so kenne auch ich das noch aus früheren Zeiten.

Nun machte jedoch die mit dem Computer ausgelieferte gedruckte Bedienungsanleitung in diesem Fall hierzu leider keine entsprechenden Angaben, was den Kunden verärgerte. Auch die Form des Dokumentes missfiel ihm, da es sich – aus seiner Sicht – nur um eine kurze Anleitung für die Installation und Inbetriebnahme handelte.
Nun, es ist durchaus festzustellen, dass sich in den letzten Jahren hinsichtlich des Umfanges der Kundeninformation auch oder vielleicht sogar besonders im Bereich der Computer als Endkundenprodukt etwas verändert hat. So liegen heute oftmals nur noch Anleitungen bei, die lediglich die Informationen vorhalten, um den Rechner möglichst einfach in Betrieb nehmen zu können. Dies kann durchaus auch nur eine Schnellstartanleitung sein.

Allerdings wird die Inbetriebnahme des Gerätes heute in der Regel dahingehend unterstützt, dass das Betriebssystem bereits werksseitig vorinstalliert ist und nur noch einige wenige Einstellungen durch den Benutzer wie beispielsweise das Passwort des Benutzerkontos, Angaben zum Standort und ähnliche triviale Arbeiten erforderlich sind.
Weitere tiefergehende technische Informationen wie sie zur Erweiterung des Arbeitsspeichers, dem Austausch von Laufwerken oder anderen Maßnahmen wie BIOS-Updates erforderlich sind und die ohnehin erweiterte Kenntnisse des Benutzers in der Computertechnik voraussetzen, finden sich dann in entsprechenden externen pdf-Dokumenten. Diese sind meist entweder – wie auch das Betriebssystem – bereits vorinstalliert oder über die Website des Herstellers abrufbar. Auch auf dem Computer befindliche Onboard-Assistenzsysteme die bei der Systemdiagnose und bei der Hardwareerweiterung Hilfestellung geben sind heute üblich.

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Die Zielgruppe

Damit kommen wir dann auch gleich zur Frage der Zielgruppe eines Computers.
Da wären zum einen die Benutzer welche den Computer für nur Schreibarbeiten und Tabellenkalkulationen, kurz: für einfache Bürotätigkeiten nutzen, die also keine besonderen Anforderungen an die Hardware des Rechners stellen.
Auf der anderen Seite der Nutzerskala hinsichtlich der Hardwareanforderungen und Skalierbarkeit eines Computers liegen beispielsweise Nutzer im Medienbereich (Stichwort Videoschnitt, 3D-Animation), Computerspieler die eine extrem leistungsfähige Grafikhardware benötigen und Anwender welche spezielle Messfunktionen in Laboren, Wasserdichtigkeit oder Nachrüstmöglichkeiten von Kommunikationsschnittstellen wünschen. Einige dieser Benutzer werden dabei jedoch nicht auf einen Laptop, sondern eher auf stationäre Desktoprechner setzen da sich die Erweiterbarkeit der Hardware bei Laptops meist auf den Arbeitsspeicher und das Festplatten- bzw. SSD-Laufwerk beschränkt. Während der Anwender eines Büro-PCs hinsichtlich der Computerhardware nicht unbedingt versiert sein muss, ist der Computerspieler oder der Entwicklungsingenieur im Messlabor möglicherweise in diesem Segment bestens bewandert. Letzteren Zielgruppen wird also die Einrichtung eines Computers und vermutlich auch die Arbeit auf Hardwareebene deutlich leichter fallen, als dem Anwender eines Büro-PC.

Die optionalen Erweiterungen

Nun gibt ein Computerhersteller in dem Werbeprospekt eines bestimmten Laptop-Modelles beispielsweise an: Arbeitsspeicher 8 GB, erweiterbar auf 64 GB. Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Was gilt es hierbei zu beachten, wie muss ich vorgehen? Wer sich mit Computerhardware beschäftigt, weiß: Der Austausch von Arbeitsspeicher an einem Desktop-PC ist in der Regel recht einfach zu bewerkstelligen und auch ungeübten Anwendern durchaus möglich – von einigen All-in-One Modellen, bei denen Mainboard, Netzteil und Monitor eine bauliche Einheit sind, einmal abgesehen.

Laptops können hingegen aufgrund ihrer hochkomprimierten Bauweise für technisch nicht versierte Benutzer eine große Herausforderung sein. So gibt es Modelle, bei denen der Arbeitsspeicher durch Abschirmblech und Abschirmfolie abgedeckt ist die erst einmal vorsichtig entfernt und später ordnungsgemäß wieder montiert werden müssen. Abschirmungen von Komponenten haben konstruktionstechnisch meist einen Grund – da wäre beispielsweise die elektromagnetische Verträglichkeit eines Produktes oder ein Schutz vor Überhitzung zu nennen. Bei einem so konstruierten Gerät gehe ich davon aus, dass der Hersteller es eigentlich gar nicht so gerne sieht, dass der Benutzer selbst Hand anlegt und dabei möglicherweise Schäden oder Funktionsprobleme auslöst. Nichtsdestotrotz – verbieten wird der Hersteller derartige Arbeiten dem Kunden meist nicht, es sei denn es ergeben sich heraus wirklich sicherheitsrelevante Gründe.

Ist der Hersteller nun also verpflichtet, dem Kunden eine detaillierte Anleitung zu liefern wie er den Arbeitsspeicher selbst tauschen bzw. erweitern kann?
Außer Frage stehen dürfte: Bewirbt der Hersteller die Möglichkeit, dass der Benutzer den Arbeitsspeicher selbst erweitern kann, muss er die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen. Aber: Muss er das in der gedruckten mit dem Gerät ausgelieferten Bedienungsanleitung tun oder kann er die entsprechenden Hinweise in ein eigenes Dokument auslagern und dieses ausschließlich online zum Download oder über das erwähnte Diagnosetool des Rechners zur Verfügung stellen? Der Kunde hat ja im Grunde genommen einen funktionsfähigen Rechner erworben, der nach der Ersteinrichtung einsatzfähig ist, ohne dass es weiterer Konfigurationen und Umbauten bedarf.

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Bewirbt er diese Möglichkeit eigener Speichererweiterungen nicht, sondern verweist nur darauf, dass diese grundsätzlich möglich ist, wie verhält sich die Informationspflicht dann? Schauen wir zunächst in andere Produktbereiche und nehmen beispielsweise einen PKW. Der Hersteller gibt in seinem Prospekt an, dass ein Modell, das in sehr kalten Regionen betrieben wird, optional mit einer elektrischen Motoröl-Vorwärmung ausgerüstet werden kann. Leitet sich nun daraus automatisch ein Anspruch des Kunden ab, dass der Hersteller diese Nachrüstung in einer detaillierten Anleitung beschreiben muss?

Ein anderes Beispiel: Ein Maschinenhersteller gibt in seinem Prospekt an, dass eine Drehmaschine mit einer elektronischen Steuerung nachgerüstet werden kann, die einen erweiterten Leistungsumfang besitzt. Leitet sich nun daraus automatisch ein Anspruch des Kunden ab, dass der Hersteller diese Nachrüstung in einer detaillierten Anleitung beschreiben muss?

Ich bin kein Jurist und kann diese Frage daher nur als ursprünglich gelernter Elektrotechniker versuchen zu beantworten:

Sind für eine Um- oder Nachrüstung gleich welchen Produktes spezielle Kenntnis-se erforderlich, und sind diese nicht zwingend für die Grundfunktion des Produktes erforderlich wird es möglicherweise nicht im Interesse des Herstellers sein diese dem Endanwender zur Verfügung zu stellen. Dies kann u.a. sicherheits- aber auch haftungstechnische Gründe haben. Ausnahme: Diese Informationen werden in dezidierten Serviceanleitungen ausschließlich für Servicetechniker herausgegeben. In der Regel wird der Hersteller daher in der Betriebs- bzw. Bedienungsanleitung einen entsprechenden Hinweis auf seinen Werks- oder einen externen Kundendienst geben. Bei einem PKW oder der Drehmaschine mag dies nun noch plausibel sein – aber bei einem Computer?

Nun, ich sehe hier die gleiche Argumentationsführung. Haben wir beispielsweise einen Laptop, bei dem der Arbeitsspeicher nur durch vorheriges Entfernen eines Abschirmbleches und einer zusätzlichen Abschirmfolie austauschbar ist, sehe ich aufgrund der konstruktiven Besonderheit durchaus eine Begründung diese Informationen dem Endanwender nicht zur Verfügung zu stellen. Damit der Endanwender jedoch die Möglichkeit der Speichererweiterbarkeit in Anspruch nehmen kann, wird der Hersteller stattdessen dem Kunden anbieten müssen, den Computer bereits bei der Bestellung entsprechend seinen Wünschen werksseitig vorzukonfigurieren, oder die Erweiterung bei einem autorisierten Servicepartner durchführen zu lassen. Wie auch immer er sich entscheidet, er muss dem Kunden die Nutzung des vollen Funktionsumfanges des Produktes ermöglichen. Die mir bekannten Hersteller sehen daher entsprechende Hinweise vor.

Fazit

Halten wir also fest:

  • Alleine die Option ein Produkt technisch erweitern zu können, muss nicht zwingend dazu führen, dass der Hersteller dem Benutzer entsprechende Informationen zur Verfügung stellt. Er muss jedoch dem Kunden die Möglichkeit bieten, die Erweiterbarkeit in Anspruch nehmen zu können. Dies kann beispielsweise im Rahmen herstellerseitiger Dienstleistungen oder durch autorisierte Partner erfolgen. Ob dieses Vorgehen in Hinblick auf Usability und User Experience und damit im Vergleich mit Produkten des Wettbewerbs immer sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt.
  • Bewirbt hingegen ein Hersteller explizit die Möglichkeit, ein Produkt technisch durch den Benutzer erweitern zu lassen, muss er auch die dazu notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Anderenfalls wäre ein solches Vorgehen mindestens ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß.
  • Welche Inhalte die gedruckte und dem Computer beiliegende Bedienungsanleitung haben muss ist nach meiner Ansicht eine Frage des erwarteten Funktionsumfanges des Produktes. Ein Computer soll sich also einschalten lassen, das Betriebssystem muss starten, Peripheriegeräte wie Drucker oder Scanner sollten sich problemlos anschließen lassen, und die Einbindung in ein Netzwerk sollte möglich sein. Dieses muss für den Benutzer beschreiben sein. Auch laut aktueller Gesetzgebung müssen dem Benutzer alle Informationen vorliegen, damit er das Produkt sicher verwenden kann. Siehe hierzu beispielsweise §§ 3 u. 6 ProdSG.
    Darüber hinaus gehende Informationen sehe ich als eine freiwillige Leistung des Herstellers an. Diese können dann als zusätzliche digitale Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Aber auch wenn der Hersteller verpflichtet ist, beispielsweise eine Anleitung über die Erweiterung des Arbeitsspeichers zu liefern, darf er das meiner Ansicht nach in einem gesonderten digitalen Dokument tun, denn diese Informationen sind nicht erforderlich, um den Computer überhaupt in Betrieb nehmen zu können. Zudem sind Computer heute auch in der Minimalkonfiguration bereits bei Auslieferung mit deutlich mehr Arbeitsspeicher ausgerüstet, als für den einfachen Betrieb nötig ist. Ein Speicher von 8 GB RAM dürfte somit für einige Zielgruppen bereits ausreichend sein.
  • Zwar werden Computer – bis auf einige Ausnahmen – nicht speziell für bestimmte Zielgruppen hergestellt dennoch sollte auch hier bei der Erstellung von Benutzerinformationen eine Zielgruppenanalyse durchgeführt werden, um den Informationsbedarf festzustellen.

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