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BF #003 Barrrierefreiheit in der technischen Dokumentation – Illustrationen in Printdokumenten

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In der letzten Folge zur Barrierefreiheit in der technischen Dokumentation habe ich das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BFSG erklärt und begonnen aufzuzeigen, wie wir die Barrierefreiheit in der Printausgabe eines Informationsproduktes herstellen können. Hierbei ging es um das Papier als Informationsträger und um die Typografie.

In dieser Folge behandle ich das Thema Illustrationen. Vielfach wird gerne zwischen Bildern, Fotos und Illustrationen unterschieden. Als Illustrationen werden dabei oft von Hand oder am PC erstellte Zeichnungen oder Grafiken bezeichnet.

Ich folge hier der Ableitung aus dem lateinischen „illustrare“, das auch die Bedeutung „erklären“ hat. Eine Illustration erklärt also etwas. Dass das dabei nonverbal geschieht, ist wohl ohne Bedeutung. Somit kann aus meiner Sicht sowohl eine Handskizze, eine Computergrafik wie auch ein Foto eine Illustration sein. In dieser Folge werde ich daher jegliche bildliche Darstellung als Illustration bezeichnen.

Die Aufgabe von Illustrationen in der technischen Dokumentation

Wir möchten mit einer Illustration in unserem Informationsprodukt einen Sachverhalt, einen Vorgang oder ein Detail so darstellen, dass die Illustration für sich bereits entweder alles Notwendige erklärt oder mit einem beschreibenden Text in einer Wechselbeziehung steht.

Illustrationen eignen sich somit beispielsweise dazu das Produkt zu dem wir eine Bedienungsanleitung verfassen dem Benutzer vorzustellen – wie sieht es aus, welche Bedienoberfläche hat es und so weiter. Illustrationen veranschaulichen aber auch Handlungen – etwa wenn es darum geht die Lage eines zu tauschenden Filters, in der Maschine zu beschreiben oder welche Handlungsschritte vor und nach dem Filtertausch durchzuführen, sind. So etwas ist mit einfachen oder wenigen Worten oftmals nicht so zu beschreiben, dass der Benutzer es sicher versteht. Zu welchem Zweck auch immer eine Illustration eingesetzt wird, sie ist eine Komponente des Informationsproduktes, das in die Prüfung auf Barrierefreiheit einbezogen werden muss.

Nun ist es so, dass eine barrierefreie Verwendung von Illustrationen in digitalen Dokumenten die meisten Möglichkeiten eröffnet, denn zum Betrachten des Gesamtwerkes ist in irgendeiner Form immer ein Lesegerät mit einer entsprechenden Software erforderlich. Hierzu gehören Tablets, E-Book-Reader und selbstverständlich der PC mit dem Internetbrowser und dem PDF-Reader.

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Doch bleiben wir heute bei dem gedruckten Informationsprodukt. Hier ist naturgemäß die Bandbreite an Möglichkeiten hinsichtlich Barrierefreiheit sehr eingeschränkt. Was können wir also tun?

Sollten wir uns in der technischen Dokumentation ohnehin bei der Erstellung von Illustrationen Mühe geben, gilt dies bei gedruckten Informationsprodukten für Menschen mit einer Einschränkung der Sehfähigkeit aus meiner Sicht in ganz besonderem Maße.

So sollten wir beispielsweise den Bildinhalt dahingehend prüfen, ob nur die für das Erfassen und Verstehen wirklich relevanten Elemente enthalten sind. Dies ist ohnehin im Sinne der sieben Prinzipien zur Sicherstellung der Informationsqualität – Stichwort: Minimalismusprinzip. Schauen wir dazu auf ein Seniorenhandy. Diese Geräte gibt es sowohl als Smartphones, also in Ausführungen die neben der reinen Telefonfunktion noch weitere Funktionen wie beispielsweise einen E-Mail-Client oder einen Webbrowser vorhalten oder als reines Telefon, das darüber hinaus allenfalls noch   die klassische SMS versenden kann.

Letztere besitzen meist noch eine echte physikalisch vorhandene Tastatur, die für ältere Menschen besser zu bedienen sein dürfte als die virtuellen Tasten auf Touchscreens.  Diese Tasten haben meist eine Doppelbelegung, das heißt, dass sie neben der Auswahl einer Ziffer beispielsweise auch den Anrufbeantworter abfragen können. Hierzu trägt die Taste der Ziffer 1 meist ein kleines Anrufbeantwortersymbol.

Möchte man nun die Anrufbeantworterfunktion beschreiben und die entsprechende Taste hierzu ergänzend abbilden ist es nicht sinnvoll, einfach eine Ansicht des gesamten Mobiltetefons zu integrieren.

Soll dennoch aus einem bestimmten Grund nicht auf die Gesamtansicht des Mobiltelefones verzichtet werden – beispielsweise, wenn in derselben Grafik auch die Position der Taste 1 verdeutlicht werden soll, bietet sich an, der Gesamtansicht eine vergrößerte Detailaufnahme der Taste 1 hinzuzufügen und diese mittels Pfeil oder einer stilisierten Lupe in die Gesamtansicht zu verweisen. Die Deckkraft der Gesamtansicht wird dann – mit Ausnahme des unmittelbaren Bereiches um die Taste 1 – soweit herabgesetzt, dass sie zwar für das Gesamtverständnis der Illustration noch ausreichend sichtbar ist, vom eigentlich zu vermittelnden Bildinhalt aber nicht ablenkt.

Wichtig ist dabei, dass wir uns gleichzeitig darüber Gedanken machen, welche Größe die Illustration haben muss um ein sicheres Erkennen der Inhalte zu ermöglichen, denn anders als in einer digitalen Ausgabe, lässt sich eine gedruckte Illustration vom Benutzer nicht interaktiv vergrößern.

Das soeben beschriebene Verfahren bietet sich insbesondere dann an, wenn wir es mit Foto- oder Grafikdateien zu tun haben, deren Einzelheiten sich – falls überhaupt – nur noch mit sehr viel Mühe ändern lassen. Den Vorzug sollte man meiner Ansicht nach daher Ursprungsdateien im STEP- oder einem Austauschformat wie DWG oder DXF geben. Diese dürften in jeder Konstruktionsabteilung abrufbar sein, denn CAD gehört ja seit langem zur Herstellung eines Produktes. Wer einmal mit einer STEP-Datei gearbeitet hat, wird ihre Vorzüge nicht mehr missen wollen. Dieses Dateiformat ermöglicht die dreidimensionale Darstellung eines Produktes wobei sich diese Darstellung nicht auf die Oberflächentextur beschränkt, sondern ein Produkt in allen äußeren und inneren Bestandteilen bis zur kleinsten Schraube in höchster Präzision wiedergibt. Es ist somit möglich, jeden Bereich eines Produktes aus seiner bestmöglichen Perspektive und Größe darzustellen. Wir sind damit also in der Lage uns jede gewünschte Ansicht für eine Illustration auszuwählen.

Kontraste und Farbe

Was ich in der letzten Folge bezüglich Kontraste in der textlichen Darstellung sagte, gilt im Prinzip in gleichem Maße für Illustrationen. Auch hier sind rein zweifarbige Darstellungen also schwarz-/Weiß und Graustufendarstellungen in Informationsprodukten die Regel.

Dabei spricht überhaupt nichts gegen farbliche Illustrationen. Ganz im Gegenteil sogar, farbliche Darstellungen werden oftmals als positiv wahrgenommen und sie können sogar hilfreiche und wichtige Aspekte darstellen, wenn es um die Vermittlung von Details geht. So findet man die Verwendung von Farbe beispielsweise dort, wo eine genaue Unterscheidung einzelner Bildkomponenten von großer Bedeutung ist. Nehmen wir als einfaches Beispiel die Adernkennzeichnung der Anschlussleitung eines elektrischen Gerätes. In einer dreiadrigen Leitung kommen nach der Norm die Farben braun, blau und grün/gelb vor. Hier stoßen wir aber gleichzeitig auch auf ein Problem:

Während der grün/gelbe Schutzleiter aufgrund seiner auffälligen Kennzeichnung auch im Graustufendruck meist noch einwandfrei identifizierbar ist, ist es bei den Farben braun der Phase und blau des Neutralleiters schon fast unmöglich diese auseinanderzuhalten. Machen Sie den Versuch in Photoshop ruhig einmal selbst und sie können sich leicht vorstellen, dass hier besonders jemand mit eingeschränkter Sehkraft vor einem Problem steht.

Daher ist die Verwendung von Farben alleine noch keine Generallösung. Menschen mit einer Farb-Sehschwäche beispielsweise können hieraus keinen Vorteil ziehen, möglicherweise kann die Verwendung von Farbe sogar ein Risikofaktor sein. Daher sollte zusätzlich zur Verwendung von Farbe eine Verigelung der betreffenden Bildbereiche vorgenommen werden. Für unsere Anschlussleitung wären das dann beispielsweise die Zahlen 1 bis 3 und eine dazugehörige Legende nach dem Muster: Position 2: Neutralleiter (blau).

Hüten sollten wir uns auch davor Farben in Zusammenhang mit Erklärungen zu verwenden. Etwa: Die Lage des Hauptschalters entnehmen Sie dem grün markierten Bereich in Abbildung 1. Dies mag – sofern das der Einzige farblich hinterlegte Bereich in der Illustration ist – möglicherweise auch für Menschen mit Farbsehschwäche oder generell im Graustufendruck noch kognitiv zu erfassen sein, bei mehreren Farbflächen, die sich vielleicht sogar nur durch die Deckkraft der Farbe unterscheiden, wird es dann schnell problematisch.

Bildunterschriften und Anordnung von Illustrationen

Illustrationen werden meist durch eine sogenannte Bildunterschrift ergänzt. Eine sinnvoll ausgewählte Bildunterschrift kann meiner Meinung nach somit ebenfalls einen Beitrag zur Barrierefreiheit einer Illustration leisten. Bildunterschriften unterscheiden sich meist hinsichtlich des Schriftschnittes und einer geringeren Größe vom restlichen Text eines Dokumentes, um hier eine klare inhaltliche Abgrenzung zu ziehen. Im Sinne der Barrierefreiheit sollten wir auf diese Kunstgriffe aber wohl besser verzichten und die Abgrenzung vielleicht eher durch einen etwas größeren Abstand zum Folgetext und eine eindeutig zuzuordnende Nähe zur Illustration schaffen.

Hinsichtlich eines inhaltlichen Textes wie einem Handlungsablauf und der dazugehörenden Illustration bewegen wir uns im Bereich des Text-Bild-Bezuges. Je enger die Beziehung zwischen dem Text und der dazugehörenden Illustration, desto positiver erfolgt die Vermittlung von Informationen. Hierbei sollten also zusammengehörende Texte und Illustrationen im Informationsprodukt räumlich so dicht wie möglich angeordnet werden. Durch diese enge Anordnung werden die Augensprünge beim Lesen – die sogenannten Sakkaden – möglichst kurz gehalten, was nicht nur dazu führt, dass die Bereitschaft beide Informationseinheiten auch zu nutzen steigt, es wird unter anderem auch in gewissem Sinne der Ermüdung der Augen vorbeugt. In Bezug auf das kognitive Erfassen von Informationen sollten wir im Rahmen der Barrierefreiheit hierauf ganz besonders achtgeben.

In puncto Augensprünge sind wir es übrigens gewohnt, Texte von links nach rechts zu erfassen. Daraus ergibt sich, dass eine Illustration zu einem Textteil auch erst nach dem Text angeordnet werden sollte. Und dies so, dass die Illustration in der gleichen horizontalen Ebene liegt wie der dazugehörige Text. In unseren Informationsprodukten bietet sich dazu an, das Layout zweispaltig zu gestalten: linke Spalte der Text, rechte Spalte die entsprechende Illustration.

Doch Vorsicht: Nicht in jedem Kulturkreis unserer Erde ist die Leserichtung von links nach rechts. So ist im arabischen Raum die Leserichtung von rechts nach links, im asiatischen von oben nach unten vorherrschend. Dies sollten wir – barrierefreies Dokument oder nicht – im Rahmen der Lokalisierung von Informationsprodukten immer berücksichtigen.

Die hier genannten Maßnahmen zur Erzielung der Barrierefreiheit von Illustrationen erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wir tun daher gut daran, regelmäßig zu prüfen, ob und inwieweit sich Änderungen oder neue Anforderungen in dieser Hinsicht ergeben – so zum Beispiel auch in Hinblick auf das Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz am 28. Juni 2025.

Größere Möglichkeiten hinsichtlich der Barrierefreiheit von Illustrationen bieten digitale Dokumente. Dies wird jedoch Thema des vierten Teils unserer Podcastreihe sein.

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Fazit

Halten wir also fest:

  • Illustrationen sollten sich immer nur auf die zum Verstehen unbedingt notwendigen Inhalte beschränken.
  • Inhalte von Illustrationen generieren wir möglichst selbst aus Dateiformaten wie STEP. Diese liefert uns die Konstruktionsabteilung.
  • Beim Einsatz von Farben in Illustrationen sollten wir berücksichtigen, dass es Menschen mit Farbsehschwächen gibt und dass unsere Informationsprodukte auch im Graustufendruck ausgegeben werden können.
  • Inhaltlich zusammengehörende Texte und Illustrationen sollten im Informationsprodukt räumlich dicht angeordnet werden.
  • Auch hinsichtlich der Anordnung von Text und Illustration ist die jeweils kulturell vorherrschende Leserichtung zu beachten.

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