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BA#016 Betriebsanleitungen richtig kürzen – Minimalismus Prinzip einhalten

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Edition 2 der IEC / IEEE 82079-1 wurde im Mai 2019 veröffentlicht. Sie ist somit nun der Stand der Technik und sie fordert unter anderem, dass Anleitungen minimal und prägnant formuliert sind. Eine Anleitung soll nur noch die nötigsten Informationen beinhalten, alle anderen Informationen fallen raus. Doch was kann alles aus Betriebsanleitungen gekürzt werden und wie kürzt man eine Anleitung richtig?

Die Folgen der neuen Norm

Sollten Sie die Norm bisher nicht kennen, empfehle ich Ihnen meine anderen Folgen zur Norm oder zu deren Vorgängernorm anzuhören. Wenn Sie sie lesen möchten, können Sie die neue Norm bereits in Englisch oder Französisch beziehen, eine Umsetzung als EN-Norm und die Übersetzung ins Deutsche stehen derzeit noch aus.

Bei der Überarbeitung der alten DIN EN 82079-1 wurden auch die Prinzipien überarbeitet, nach denen eine Dokumentation erstellt werden soll. Die neue Norm fordert nun, dass Anleitungen minimalistisch, prägnant und vollständig über ein Produkt informieren.

Während unserer Überprüfungen von Dokumenten und Anleitungen sehen wir dabei häufig Inhalte, die in einer Anleitung nichts zu suchen haben. Erst recht jetzt nicht mehr, nachdem die neue Norm erschienen ist. Denn die Norm sagt nun ganz klar, dass überfrachtete Anleitungen fehlerhaft und irreführend sind. Man kann diese also auch so bewerten, als ob sie nicht existent seien. Gerade im Zusammenspiel mit der Produkthaftung für viele Hersteller ein Horror-Szenario.

Denn nun müssen Anleitungen inhaltlich überarbeitet, umformuliert und gekürzt werden. Nur so erfüllen sie die neue Norm und können Haftungsrisiken verringern. Doch wie erkennt man Inhalte, die überflüssig sind und wie kürzt man Anleitungen richtig?

Bis zu 40% vieler Anleitungen sind unnütze, überflüssige Informationen

Während unserer Überprüfungen stellen wir oft fest, dass Dokumentationen kürzer und dadurch gleichzeitig verständlicher sein könnten. Gerade bei Anleitungen die von Laien erstellt werden. Damit bezeichne ich Personen, die keine Ausbildung im Bereich der technischen Redaktion haben. Hier können teilweise bis zu 40% eingespart werden.

Kennt man sich betriebswirtschaftlich in diesem Bereich etwas aus, kann man schnell die Kosten für Übersetzungen hochrechnen, die unnötigerweise entstanden sind. Und in je mehr Sprachen übersetzt wird, umso höher wird die Summe. Da fällt bestimmt der ein oder andere Abteilungsleiter oder Geschäftsführer vom Stuhl. Leider reduziert das Kürzen der Anleitung nicht sofort die Kosten. Denn die Überarbeitung und Neuübersetzung der Anleitungen bedeuten ebenfalls wieder Aufwand und Kosten.

Die Kürze einer Anleitung ist auch gleichzeitig ein Qualitätskriterium für das Produkt. Je kürzer die Anleitung, umso mehr Gedanken wurden sich bei der Produktentwicklung und Produktgestaltung gemacht. Sichere Konstruktionen verhindern Gefahrenstellen und somit Warnhinweise. Einfache, klar verständliche Displaymenüs reduzieren den entsprechenden Schreibaufwand, da der Benutzer das Produkt intuitiv bedienen kann. Und dies sind nur einige Beispiele.

Doch auch außerhalb der Produktentwicklung gibt es genügend Informationen und Texte, die gekürzt werden können. Um diese zu finden, muss der Redakteur systematisch und nach festgelegten Regeln arbeiten.

Woher stammen die unnötigen Informationen

Dabei ist ein wichtiger Punkt, dass wir uns zunächst Gedanken darüber machen, wo die Texte überhaupt entstehen und warum diese Kürzungspotenzial haben. Den einen Punkt habe ich bereits genannt. Der Ersteller der Anleitung hat nicht die Kompetenz und Weiterbildungen erhalten, um die ihm übertragene Aufgabe zu erfüllen.

Gleichzeitig muss man bedenken, dass die Anleitungen ja nicht aus dem Nichts entstehen. Es gibt häufig eine bestehende Anleitung die als Basis verwendet wurde. Und bereits dort waren Informationen enthalten, die überflüssig waren. Ein schönes Beispiel hierzu können Sicherheits- und Warnhinweise sein. Das alte Projekt warnt vor den Folgen eines Stromschlags, das neue hat eine ähnliche Stelle. Also wird der alte Hinweis übernommen, obwohl er im Detail gar nicht zutrifft.

Oder man möchte „auf Nummer sicher“ gehen und verwendet möglichst viele Hinweise. Damit man vor allem gewarnt hat. Auch wenn es nicht zutrifft. Für mich ein beliebtes Beispiel sind auch Werbeaussagen, Danksagungen dem Kunden gegenüber oder seitenweise Haftungsausschlüsse. All das sind Inhalte, die keine Wirkung haben und die Anleitung unnötig aufblähen.

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Kürzungspotential erkennen und Texte sinnvoll kürzen

Doch wie erkennt ein Redakteur nun einen zu langen Text, der gekürzt werden kann? Prinzipiell muss man sich die Texte anschauen und sich mehrere Fragen dazu stellen:

  • Was wollen wir dem Leser überhaupt vermitteln?
  • Welche Informationen sucht er?
  • Welche Informationen können als bekannt vorausgesetzt werden?

All diese Fragen hängen wiederum mit der Zielgruppenanalyse zusammen. Nur wenn der Redakteur weiß, wer der Leser ist, welche Informationen er sucht und was er bereits weiß, kann der Redakteur zielgerichtete Informationen zur Verfügung stellen.

Dabei sollte auch immer die Darstellung der Informationen in Frage gestellt werden. Nicht alle Informationen müssen als Absätze oder Handlungen dargestellt werden. Statusanzeigen von Lampen können Beispielsweise viel effektiver in Tabellenform dargestellt werden. Das ist kürzer und informativer.

Passivformulierungen, zusammengesetzte Hauptwörter, Firmenjargon und Fremdwörter können den Text zusätzlich aufblähen und unverständlich machen.

Beispiele für Kürzungspotenzial – zusammengesetzte Hauptwörter

Schauen wir uns mal einige Beispiele für dieses Kürzungspotenzial an. Einer der am meisten unterschätzten Punkte dabei ist meiner Meinung nach die Zusammensetzung mehrerer Hauptwörter. Etwas was im Deutschen möglich ist und gerne verwendet wird, die Übersetzer aber regelmäßig vor Herausforderungen stellt. Denn die Zusammensetzung mehrerer Hauptwörter ist in anderen Sprachen oft nicht möglich, der Übersetzer muss den Begriff umschreiben und der Text wird länger.

Dabei ist die Vermeidung dieser Wörter sehr einfach. Nehmen wir mal an, wir haben die Anleitung einer Maschine vor uns, in der eine Einzugwalze verbaut ist. Da diese Walzen normalerweise einen Antrieb haben, wird in der Anleitung vermutlich dann von einem Einzugwalzenantrieb gesprochen. Dabei wäre die Bezeichnung „Antrieb der Einzugwalze“ effiktiver und lesbarer. Denn je nach Wortzusammensetzung sind diese teilweise auch schwer zu lesen. Ein beliebtes Beispiel dafür sind für mich vor allem Wörter, in denen ein Buchstabe mehrfach hintereinander vorkommt. So wie bei „Dampfschifffahrtsgesellschaft“ die 3 „f“.

Solche Wörter gibt es in technischer Dokumentation häufig. Beispielsweise wenn die Bezeichnung von Schrauben mit deren Funktion verbunden werden, wie in „Kabinenverbindungsschraube“. Neben den zusammengesetzten Hauptwörtern sind Passivformulierungen, Füllwörter, Modalverben und eingedeutschte Fremdwörter in vielen Anleitungen zu finden.

Beispiele für Passivformulierungen, Füllwörter und Fremdwörter

Aufgrund dessen werde ich hier nicht zu viele Beispiele nennen. Ich denke, man erkennt schnell worauf ich hinaus will. Eingedeutschte Fremdwörter sind meist in der IT-Branche zu finden. Dort wird aus der „Taste“ der „Button“, aus der „Benutzeroberfläche“ das „Interface“ oder aus der „Datenbank“ wird die „Database“. Auch wenn diese Begriffe in der heutigen Zeit den meisten Menschen geläufig sind, sollten sie in einer Anleitung vermieden werden. Denn je nach Zielgruppe kennen die Menschen das Wort in gesprochener Form vielleicht, aber nicht in Schriftform. Und dann verwirrt das Wort in der Anleitung mehr als es nutzt. Hinzu kommen dann noch mögliche Schreibfehler, wenn der Redakteur selbst nicht weiß, wie das Wort korrekt ausgeschrieben wird.

Passivformulierungen kommen meist zusammen mit Füllwörter und Modalverben vor. Häufig kann man in Anleitungen Sätze finden wie „Teil XY sollte möglicherweise jährlich ausgetauscht werden“. Stattdessen sind genaue Aktivformulierungen oder die Schreibweise in Befehlsform für den Leser effektiver. Der Satz in Aktiv, ohne Füllwort lautet: „Tauschen Sie Teil XY einmal jährlich“. Die Befehlsform lautet: „Teil XY jährlich tauschen“. Beide Formen sind wesentlich kürzer als das Original.

Zu Modalverben gehören dabei Wörter wie „müsste“, „könnte“ „sollte“ und „dürfen“. Bei Füllwörtern kann man im Internet schnell ganze listen zusammen suchen, ich nenne hier jetzt beispielsweise „keinesfalls“, „mal“, „in der Regel“ und „gewöhnlich“. All diese Wörter haben eine geringe Aussagekraft und helfen dem Leser nicht weiter. Sie blähen den Text nur auf.

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Auch Bilder können aufblähen und gegen das Prinzip verstoßen

Aber nicht nur einzelne Wörter oder Formen von Schreibformen blähen die Anleitung auf. Auch Bilder können Anleitungen aufblähen und gegen das Prinzip des Minimalismus verstoßen. Häufig werden Bilder maßlos überfrachtet, es sollen viel zu viele Elemente auf einem Bild dargestellt werden. Dabei ist es umgekehrt in der Regel besser. Stellt ein Bild nur wenige Informationen dar, ist es für den Leser erkennbarer, wo sich die gesuchte Information befindet.

Das Selbe kann für CAD-Bilder oder Fotos gelten. Je nach Situation eignen sich die einzelnen Arten von Darstellungen besser oder schlechter. Fotos zeigen reale Situationen besser als CAD-Zeichnungen. Dafür können bei CAD-Zeichnungen Elemente ausgeblendet werden, um dem Leser nur die Elemente zu zeigen, die er gerade benötigt.

Weitere Beispiele und mögliche Umsetzung

Zu guter Letzt möchte ich noch etwas erwähnen, was ebenfalls Texte aufblähen kann und häufig in Anleitungen vorkommt: Produkt- oder Gerätebezeichnungen. Den diese helfen dem Leser ebenfalls nicht. Wenn er eine Anleitung für einen Drucker liest, geht er davon aus, dass sie zu dem Drucker gehört, den er vor sich hat. Das in der Anleitung dann immer wieder der Druckername vorkommt, ist in der Regel nicht notwendig.

Denn neben dem Aufblähen verhindern solche Geräte- und Produktbezeichnungen außerdem, dass Texte wiederverwendet werden können. Denn wenn diese vorkommt, kann der Satz nur für diese Art von Gerät verwendet werden.

Zum Schluss der Folge möchte ich noch eine Hilfestellung für die Umsetzung einer solchen Kürzung geben. Sollten Sie also Ihre Dokumente prüfen und auf das notwendigste kürzen wollen, empfehle ich Ihnen folgendes:

  1. Lassen Sie sich Zeit. Prüfen Sie Ihre Dokumente sorgfältig und erlernen Sie erstmal das Kürzen und Umformulieren anhand von Beispielen.
  2. Überlegen Sie sich ein System zur Überarbeitung Ihrer gesamten Texte. Sie müssen unterscheiden können, welche Texte bereits überarbeitet wurden und welche nicht.
  3. Überarbeitung und kürzen Sie die Texte regelbasiert und schreiben Sie die Regeln beispielsweise in eine Redaktionsleitfaden fest.

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