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NI #007 Interpretation der Norm DIN EN ISO 20607 Teil 7

Normeninterpretation DIN EN ISO 20607 Teil 7

Zu Beginn wieder die wichtige Anmerkung von mir. Diese Normeninterpretation ist meine eigene, fachliche Einschätzung und Interpretation der Norm. Bei der Interpretation berücksichtige ich keine anderen Normen oder Anforderungen, sondern gehe nur auf die Norm selbst ein. Verweise auf andere Normen führe ich auf und versuche sie auch zu erläutern.

Beachten Sie bitte, dass die DIN EN ISO 20607 eine B-Norm ist. Für einige Maschinen gibt es sogenannte C-Normen die andere Anforderungen an die Dokumentation stellen. Diese können wichtiger und konkreter sein als die Angaben in dieser Norm. Führen Sie daher immer eine Normenrecherche durch und überprüfen Sie alle Anforderungen an Ihr Produkt. Nur so können konforme und rechtssichere Dokumente erstellt werden.

Müssen Ersatzteillisten übersetzt werden?

Welche Anhänge zu Betriebsanleitungen gehören und welche nicht, ist eine häufig gestellte Frage bei uns. Daher ist es wichtig, dass die DIN EN ISO 20607 auch diese Frage behandelt. Denn diese Frage kann unter umständen auch eine sehr kostspielige Frage sein. Wir hatten dies erst vor kurzem, als wir wieder mal gefragt wurden, ob die Ersatzteilliste als Teil des Anhangs übersetzt werden muss oder nicht.

Gerade bei großen Maschinen oder Anlagen kann diese Frage zu Kosten von mehreren Tausend Euro führen oder nicht. Insbesondere im Sondermaschinenbau, wo die Kosten für Übersetzungen nicht auf mehrere Produkte verteilt werden können, sondern nur einer Maschine zuzuordnen sind. Also eine wichtige Frage.

Und an dieser Stelle möchte ich Sie auch erneut beantworten. Die Antwort kann dabei auch auf andere Anhänge ausgeweitet werden, wie z. B. Anleitungen von Zulieferern. Leider ist die Antwort für den Fragenstellenden häufig nicht zufriedenstellend. Denn es kommt darauf an.

Eine zufriedenstellende Antwort?

Die Übersetzungspflicht der Betriebsanleitung stammt aus der Maschinenrichtlinie. Dort steht, dass die Dokumente für den Benutzer der Maschine in Landessprache zu übersetzen sind. Das Ziel dieser Aussage ist es, dass der Benutzer in der Lage ist, seine vorgesehenen Aufgaben sicher erfüllen zu können.

Um die Frage nach der Übersetzungspflicht von Zuliefereranleitungen oder Ersatzteillisten zu klären, müssen wir also zunächst klären, welche Aufgaben der Benutzer hat. Sprich wir sind wieder beim Thema Zielgruppenanalyse und Aufgabenmatrix. Auch dies zeigt die hohe Bedeutung dieser Arbeitsmittel in der technischen Redaktion. Ohne diese geht es nicht.

Sollte bei der Aufgabenmatrix nun herauskommen, dass der Bediener Wartungsarbeiten durchführt, muss er auch alle benötigten Informationen dazu erhalten. Wenn er für den Austausch von Teilen Ersatzteillisten lesen muss, müssen diese auch übersetzt werden. Dasselbe gilt für die Zuliefereranleitungen.

Die Lösung: Funktionierende Prozesse

Aber diese Kosten für die Übersetzung muss nicht der Hersteller alleine tragen. Hat der Hersteller gute betriebswirtschaftliche Prozesse im Unternehmen, werden Kosten bereits beim Angebot für den Kunden mitkalkuliert. Und auch auf Seiten des Einkaufs kann optimiert werden, in dem dort bereits benötigte Übersetzungen mitbestellt werden.

Diese beiden Prozesse sind dabei essentiell, um ein Verlustgeschäft für den Hersteller zu verhindern. Die Arbeit nur nach „Schema F“, gerade im Vertrieb oder Einkauf, kann später teuer werden! Zudem können weitere Kosten reduziert werden. Denn was wir auch häufig sehen, sind mit Text überfüllte Ersatzteillisten.

Und das ist häufig unnötig. Selten wird eine Beschreibung des Ersatzteils benötigt, häufig genügen Artikelnummern, Herstellerangabe und Produktbezeichnung. Das sind Informationen die nicht übersetzt werden müssen bzw. können. Durch klare Zuordnungen über Explosionszeichnungen und Positionsnummern können sprachneutrale Ersatzteillisten erstellt werden, die nur geringe Übersetzungskosten verursachen. Das einzige was dann übersetzt werden muss, ist die Kopfzeile der Ersatzteilliste.

Zu guter Letzt gehört natürlich auch ein guter Übersetzungsprozess dazu. Denn Dokumente ohne Sichtung durch Translation-Memory-Systeme zu jagen, ist gerade bei Ersatzteillisten der beste Weg um Geld zu verbrennen. Denn die Tools erkennen häufig nicht die Listen und zählen dann alle darin erhaltene Wörter. Aufgrund von Wiederholungen wie Herstellerbezeichnungen werden zwar Kosten nur reduziert berechnet, aber diese könnten komplett verhindert werden. Denn die Herstellerbezeichnung wird nicht übersetzt, da sie ein Eigennamen ist.

Anhänge nach DIN EN ISO 20607

Aber wir sollten nun wieder zur Normeninterpretation zurückkehren. Wir haben nun einen der wichtigsten Anhänge näher besprochen, kommen wir zu den anderen Angaben die die Norm aufführt.

Ich fange entgegen der Reihenfolge in der Norm mit den Verzeichnissen und Glossaren an. Das sind Informationsquellen, die dem Leser der Anleitung bei der Navigation im Dokument und beim Verstehen des Dokumentes helfen. Hierzu gehören auch Stichwortverzeichnisse, Tabellenverzeichnisse oder Abbildungsverzeichnisse.

Persönlich empfinde ich diese Informationen als nützlich, jedoch nicht immer als zwingend erforderlich. Aus meiner Sicht muss abgewogen werden, welche Elemente sinnvoll sind und welche nicht. Ein Tabellenverzeichnis wegen 3 Tabellen zu erstellen, gehört für mich nicht dazu. Ein Glossar der die speziellen Fachwörter erläutert hingegen schon. Vorausgesetzt der Leser kennt diese nicht. Womit wir wieder beim Thema Zielgruppenanalyse wären.

Dokumente, Zeichnungen und die eigentlichen Anhänge

Da ich nicht weiter auf dem Thema herumreiten möchte, kehren wir zu den anderen Anforderungen der Norm zurück. Hierzu gibt es zwei weitere Kapitel: 5.2.13 „Dokumente und Zeichnungen“ und 5.2.16 „Anhänge“.

Die Norm ordnet für die Anleitung wichtige Dokumente und Zeichnungen in das genauso benannte Kapitel ein. Sprich hierzu gehören elektrische, hydraulische oder pneumatische Schaltpläne, Teilelisten, Zuliefereranleitungen und sicherheitsrelevante Dokumente, Zeichnungen oder Erklärungen.

Im Kapitel 5.2.16 „Anhänge“ hingegen werden Informationen zu Hilfsgeräten, Ausrüstungen, zu verwendenden Werkzeugen, Ersatzteillisten, Zuliefereranleitungen, Montagezeichnungen oder andere Dokumente aufgelistet.

Warum doppelte Auflistungen?

Wie Ihnen gerade sicherlich aufgefallen ist, sind viele Informationen in den beiden Kapiteln redundant aufgeführt. Zweifelsohne stellen sich viele hier die Frage: Warum? Und die Antwort ist zum Glück einfach. Die DIN EN ISO 20607 unterscheidet bei den Anhängen zwischen sicherheitsrelevanten und nicht notwendigen Anhängen.

Alle Anhänge die der Benutzer benötigt, müssen dem Dokument beiliegen. Und zwar auch übersetzt. Informationen die sozusagen „nice to have“ sind, aber nicht vom Benutzer benötigt werden, können beigelegt werden.

Ein Beispiel: Der Benutzer muss alle 2 Jahre ein Sicherheitsbauteil austauschen. Er benötigt dafür die korrekte Beschreibung des Teils, inklusive der Spezifikationen und einer Anleitung zum Austausch. Und das alles in einer für ihn verständlichen Sprache.

Ist in der Anlage ein Teil verbaut, das zum Beispiel eine längere Lebenszeit hat, als die Anlage selbst und ist dessen Tausch durch den Benutzer nicht vorgesehen, so können die dazugehörigen Dokumente beigelegt werden, müssen aber nicht. Es könnte aber sinnvoll sein, gerade wenn es sich um eine Sondermaschine handelt, die so nicht mehr hergestellt werden wird.

Weiterführende Kapitel der DIN EN ISO 20607

Nach der Besprechung der Anhänge kommen wir nun zu den beiden letzten, verbliebenen Hauptkapiteln der DIN EN ISO 20607. Kapitel 6 beschäftigt sich dabei mit Sprache und Formulierung von Betriebsanleitungen. Kapitel 7 hingegen mit dem Thema Veröffentlichungsformen der Anleitung.

Beide Kapitel haben übrigens keine Konformitätsvermutung für die Maschinenrichtlinien. Sprich hier werden nur Informationen gegeben, die man berücksichtigen sollte. Kapitel 6 beginnt außerdem mit zwei Anmerkungen. Einmal ein Verweis auf den Anhang der Norm um Formulierungsbeispiele zu sehen. Die andere Anmerkung ist ein normativer Verweis auf die IEC IEEE 82079-1 die das Thema Sprache und Gestaltung ausführlicher behandelt und genauere Hilfestellungen bereitstellt.

Verwirrung bei der zu liefernden Sprachversion

Kommen wir daher direkt zu Kapitel 6.2 Sprachversion. Dieses Kapitel ist mir ein wichtiger Punkt, da es häufig zu Missverständnissen führt. Warum? Nun weil Menschen gerne nur das Lesen, was sie auch verstehen wollen. Und leider ist dieses Kapitel etwas problematisch geschrieben. Ich zitiere Ihnen den ersten Satz und der Auslöser der Verwirrung: „Die Betriebsanleitung muss in der (den) mit dem Kunden vereinbarten Sprache(n) verfasst werden.“

Dieser Satz führt dazu, dass viele Hersteller nun verstärkt denken, dass sie vertraglich nur Englisch als Sprache definieren können und sich so die Übersetzungskosten sparen können. Aber Nein, das ist ein Irrtum, den auch der nachfolgende Text zu beseitigen versucht, jedoch nicht eindeutig. Denn dort verweist die Norm auf die gültigen gesetzlichen Anforderungen des Landes, in dem die Maschine auf den Markt gebracht wird.

Wer sich mit den Richtlinien und Verordnungen der EU auseinandersetzt weiß, dass diese in nationale Gesetze umgewandelt werden. Die Maschinenrichtlinie ist bei uns in Deutschland Teil des Produktsicherheitsgesetzes. Somit wird die dortige Anforderung zur Übersetzung in eine für den Benutzer verständliche Sprache zu einem Gesetz und muss auch nach der Norm so bereitgestellt werden. Jedoch ist es leider nicht eindeutig formuliert.

Ich hätte mir hier eine klarere Definition des Ganzen gewünscht. Dass in diesem Kapitel ebenfalls beschrieben wird, dass Anleitungen in für den Benutzer verständliche Sprachen übersetzt werden müssen. Und die Information, das vertragliche Regelungen dabei keine Auswirkung haben. Die Berücksichtigung von landesspezifischen Gesetzen könnte hier aus meiner Sicht zwar stehen bleiben, sollte aber auch in ein eigenes Kapitel verlagert werden. Denn hierzu gehören nicht nur Anforderungen an die Sprache, sondern auch zu anderen Bereichen wie Arbeitsschutz und ähnliches. Auch diese nationalen Anforderungen haben berücksichtigt zu werden!

Formulierung von Anleitungen

Auf die Kapitel zur Formulierung von Anleitungen gehe ich nicht speziell ein. Hier finden Sie die üblichen Anforderungen und Hinweise, die Sie auch in andere Publikationen oder Normen finden. Anleitungen müssen so formuliert werden, dass Benutzer diese durch eine konsistente, genaue, unmissverständliche, vollständige, logische, präzise und einfache Schreibweise leicht verstehen können. Und um dies erreichen zu können, ist der erste Schritt, Sie ahnen es bestimmt, die Zielgruppenanalyse. Denn nur so wissen Sie, für wen Sie schreiben und welche Kenntnisse die Personen haben.

Zur klaren Formulierung der Anleitung gehört auch eine sinnvolle und klare Struktur. Kapitelüberschriften müssen daher auch klar und unverwechselbare Bezeichnungen tragen, damit der Benutzer auch schon über das Inhaltsverzeichnis die Informationen finden kann. Unklare Überschriften wie „Übersetzung des Getriebes“ hilft dem Benutzer nicht weiter.

In diesem Zuge möchte ich nur noch kurz auf Handlungsanweisungen eingehen. Denn auch hier stellt die Norm Anforderungen, die bei einigen Herstellern zu großen Änderungen der Anleitung führen wird. Denn die Norm fordert, dass Handlungen in sequentieller Reihenfolge geschrieben werden müssen und jeder Schritt aus einem Satz bzw. einer Tätigkeit bestehen darf. Mehrere Sätze oder Tätigkeiten dürfen nur in einem Schritt vorkommen, falls diese gleichzeitig durchgeführt werden müssen.

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Die wichtigsten 6. Punkte zur Prüfung von Betriebsanleitungen in der technischen Dokumentation.
  • Ersichtlicher Verwendungszweck der Maschine
  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
  • Korrekt gestaltete Warnhinweise
  • Übersichtliches Layout der Betriebsanleitung
  • Verständliche Abbildungen
  • Hochwertige textliche Gestaltung

Vielleicht das Aus für die ganz schlechten Anleitungen?

Warum mir das so wichtig ist? Nun aufgrund der Stellung der Norm hoffe ich einfach auf ein Umdenken bei den Herstellern und ändern der Anleitungen. Ich hoffe auf ein aussterben der ganz schlechten Anleitungen.

Denn auch nach nun 8 Jahren seit der Veröffentlichung der DIN EN 82079-1 bekomme ich regelmäßig zur Überprüfung Dokumente vorgelegt, die katastrophal sind. Dort gibt es unter anderem keine Handlungen, keine Gliederung nichts. Alles ist meist in Blocksatz und Absätzen formuliert, für den Leser ist keine klare Struktur vorhanden.

Wir arbeiten bei der Überprüfung mit Checklisten und Formularen, ausgerichtet an den neusten Normen und Richtlinien. Und diese passen schlicht auf solche Dokumente nicht mehr. Häufig sind die Dokumente leider dabei so schlecht, dass sich nicht einmal eine Überprüfung lohnt. Das Geld kann direkt sinnvoller in eine Neuerstellung gesteckt werden. Neuerstellung deshalb, weil es für eine Überarbeitung bei solchen Dokumenten in der Regel keine Basis gibt.

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

Die Bedeutung und Risiken einer schlechten Anleitung wird den Herstellern leider in solchen Situationen erst dann bewusst, wenn etwas passiert und Personen zu Schaden kommen. Und dann ist es in der Regel leider schon zu spät. Nicht nur für die geschädigte Person, sondern häufig auch für den Hersteller.

Das Abtun und die Unkenntnis über Normen zu diesen Themen helfen natürlich auch nichts. Denn wie heißt es so schön: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.

Neben Handlungen und Handlungsanweisungen bemängeln wir häufig auch unzureichende Warnhinweise. Und auch hierzu hat die Norm ein Kapitel. Für alte Hasen aus der Dokumentation ist auch das nichts Außergewöhnliches, für mich ist es dennoch erfreulich, dass das Thema in einer harmonisierten Norm aufgeführt wird. Und was fordert die Norm? Nun das übliche. Warnhinweise benötigen klassifizierte Signalwörter, Beschreibungen der Gefährdung, mögliche Folgen und Informationen zur Vermeidung des Schadens. Sprich das SAFE-Prinzip.

Warum fehlt die Definition des Signalwortes für Sachschäden?

Das einzig interessante dabei ist, dass als Signalwörter die Wörter Gefahr, Warnung und Vorsicht nach ISO 3864-2 empfohlen werden, der Sachschaden jedoch nicht aufgeführt wird. Das finde ich persönlich Schade, es wäre eine Möglichkeit gewesen eine Definition festzulegen. Denn ich bin ein Freund von Einheitlichkeit und ein Fan des Systems nach ANSI Z535, wo Sachschäden mit NOTICE gekennzeichnet werden. So etwas wünsche ich mir für den europäischen Markt auch.

Denn bei uns ist die Situation momentan verwirrend. Als Signalwörter werden verwendet: Hinweis, Achtung, Vorsicht Sachschaden, Wichtige Information und andere Begriffe. Kurzum ein Durcheinander.

Erneutes Chaos durch die Norm

Kommen wir nun noch zum letzten Kapitel, Kapitel 7 „Veröffentlichungsformen“. Auch dieses Kapitel hat bei vielen Herstellern für Verwirrung gesorgt. Denn auch dieses Kapitel beginnt mit dem Satz, dass der Hersteller die Anleitung in der mit dem Kunden vereinbarten Form bereitzustellen hat. Viele Unternehmen haben das gelesen und sich über die digitale Anleitung und auf den Verzicht von Papier gefreut.

Doch auch hier nimmt der nachfolgende Satz mit Verweis auf Gesetze den Euphorisierten den Wind aus den Segeln. Den es gibt aktuell kein Gesetz in Deutschland, dass eine digitale Anleitung erlaubt. Das Produktsicherheitsgesetz spricht von „beilegen“ der Anleitung. Juristen interpretieren „beilegen“ als etwas dem Produkt beilegen und das geht nur, wenn die Anleitung einen Körper hat. Sprich Papierform.

Aufgrund der Digitalisierung durch Covid19 werden die Rufe nach einer digitalen Anleitung immer lauter, insbesondere in Deutschland. Doch ob sich das so schnell ändert, ist ungewiss. Vermutlich müssen wir die neue Maschinenrichtlinie abwarten, bis es hier einen Richtungswechsel gibt.

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