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MS #006 Ursachen für Maschinenunfälle

Ursachen-für-Maschinenunfälle

Bei Maschinenunfälle können unterschiedlichen Verletzungen vorkommen. Dabei reicht die Auswahl von leichten Verletzungen wie das Einklemmen von Körperteilen, über schwere Verletzungen wie das Abtrennen von Extremitäten bis hin zum Tod von Benutzern der Maschine. Wir gehen heute darauf ein wie Unfälle passieren können und wie eine bestmöglichste Sicherheit an der Maschine erzielt werden kann.

Wie passieren Maschinenunfälle?

Werfen wir zu Beginn erst einen Blick darauf, aus welchen Ursachen heraus eigentlich Unfälle passieren. Eine häufige Quelle ist sicher der Mensch. Das kann sowohl der Benutzer sein, welche die Maschine bedient. Genauso ist es aber möglich, dass der Konstrukteur die Maschine nicht sicher konstruiert hat. Oder die Maschine wurde bei der Installation bzw. vor der Inbetriebnahme nicht korrekt überprüft.

Ursache Maschinenbediener

Kurz nicht aufgepasst und schon ist es passiert. Ein Werkstück hat sich aufgrund eines Bedienfehlers verklemmt und schießt aus der Maschine heraus und verletzt den Benutzer. Vielleicht berührt auch die Hand oder ein anderes Körperteil des Benutzers eine gefährliche Stelle in der Maschine, weswegen es zu einer Verletzung des Benutzers kommt.

Es ist offensichtlich, dass an einer hohen Zahl von Unfällen an Maschinen der Mensch selber die Schuld trägt. Die Anzahl der festgestellten Maschinenunfälle aufgrund von Konzentrationsmangel oder Unachtsamkeit der Benutzer sind erschreckend hoch. Doch woran könnte das liegen?

Das Bedienpersonal möchte sich die Arbeit an der Maschine möglichst einfach gestalten und wählt deswegen den „Weg des geringsten Wiederstandes“. Häufig ist das Resultat einer solchen Denkweise der Verlust über die Kontrolle der Maschine. Dies ist häufig bei Hand gehaltenen oder beweglichen Maschinen wie Werkzeugmaschinen zu beobachten.

Oder der Benutzer manipuliert im Betrieb die angebrachten Schutzeinrichtungen, das diese nur als lästig und überflüssig angesehen werden. Im Fachjargon spricht man hierbei auch von der „vernünftigerweise vorhersehbarer Fehlanwendung“, die aufgrund menschlichen Fehlverhaltens auftritt.

Die Hintergründe warum Schutzeinrichtungen manipuliert werden, können Sie sich in der Podcast Episode „Manipulation von Schutzeinrichtungen“ anhören.

Aber nicht nur im Betrieb, auch bei der Inbetriebnahme oder bei der Fehlersuche können Unfälle passieren. Wenn der Benutzer in Gefahrenbereiche eingreift, um dort Fehler zu beheben und die Maschine unerwartet wieder anläuft, passieren Unfälle. Dann stellt man sich Fragen wie…

  • Wurde der Hauptschalter in der Stellung „Aus“ entsprechend durch ein Vorhängeschloss gesichert, damit nicht versehentlich die Maschine wieder mit Energie versorgt wurde?
  • Oder waren in der Maschine sogar noch Energien gespeichert, die sich erst nach dem Eingriff des Benutzers gelöst haben.

In einem solchen Fall ist auch die Fehlkonstruktion eine weitere Möglichkeit für den Maschinenunfall.

Nicht sichere Konstruktion

Der Konstrukteur hat dann schon in der Planungsphase der Maschine die falschen Entscheidungen getroffen, weshalb an der Maschine eine erhöhte Risikogefahr besteht. Das können falsch geplante Materialien oder Eigenschaften sein, die nicht zu den Anforderungen an die Maschine passen. Auch die Eigenschaften anderer Bauteile oder Werkstücke können falsch geplant sein, wodurch es zu neuen Gefährdungen an der Maschine kommen kann.

So ist ein Ausfall von Bauteilen oder Komponenten häufig auf Konstruktionsfehler zurückzuführen. So können ebenfalls Störungen von außen dazu beitragen, dass die Maschine nicht die vorgesehene Funktion ausführen. Jede Funktionalität an einer Maschine kann Auswirkungen auf die Sicherheit haben. Eine scheinbar sichere Funktion kann durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren (wie bspw. durch Störung der Energieversorgung) doch nicht sicher sein.

Die Maschine muss „inhärent sicher“ konstruiert sein. Die DIN EN ISO 12100 bezeichnet eine inhärent sichere Konstruktion als

„Schutzmaßnahme, die entweder Gefährdungen beseitigt oder die mit den Gefährdungen verbundenen Risiken vermindert, indem ohne Anwendung von trennenden oder nichttrennenden Schutzeinrichtungen die Konstruktions- oder Betriebseigenschaften der Maschine verändert werden“.

Ich werde in dieser Folge noch darauf eingehen, wie diese inhärent sichere Konstruktion erreicht werden kann. Zuerst befassen wir uns aber noch mit einer weiteren Quelle für Maschinenunfälle, nämlich das Fehlen von Prüfungen.

Fehlende Prüfungen

Die Betriebssicherheitsverordnung verlangt für jedes Arbeitsmittel, also auch Maschinen, eine einheitliche Gefährdungsbeurteilung, um dieses auf ihre Sicherheit zu prüfen. Als Sicherheitsmaßstab zählt der aktuelle Stand der Wissenschaft und Technik, soweit diese nicht durch andere harmonisierte Richtlinien geregelt sind. Im Betrieb müssen daher Maschine und deren Komponenten wie Warneinrichtungen, usw. regelmäßig überprüft werden. Prüfungen sind von befähigten Personen in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Fehlen diese Prüfungen steigt auch die Gefahr eines Maschinenunfalles.

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Wie Sicherheit an der Maschine erzielen

Die Fragen ist ja wie kann ein Hersteller vorgehen, um Unfälle weitmöglichst zu verhindern? Bei der Wahl der richtigen Lösung hilft einem die DIN EN ISO 12100. Die Norm zur Risikobeurteilung verlangt bezüglich der Risikominderung von bestehenden Gefährdungen, dass Schutzmaßnahmen nach einem „Drei-Stufen-Verfahren“ durchzuführen sind.

  • Die erste Stufe bildet die Inhärent sichere Konstruktion.
  • Die zweite Stufe sind Technische Schutzmaßnahmen und/oder ergänzende Schutzmaßnahmen
  • In der dritten und letzten Stufe sind Benutzerinformationen aufgeführt

Inhärent sichere Konstruktion

Eine konstruktiv gelöste Maßnahme ist daher immer zuerst zu wählen. Eine inhärent sichere Konstruktion beseitig Gefährdungen durch bestimmte Konstruktionsmerkmale. Beispielweise indem scharfe Kanten an der Maschine abgerundet werden. Oder dass keine Undichtigkeiten an der Maschine vorkommen, sodass Flüssigkeiten herausspritzen könnten. Im Kapitel 6.2 der DIN EN ISO 12100 finden sich hierfür Punkte, die für eine inhärent sichere Konstruktion zu beachten sind. Dazu zählen unter anderem Vorkehrungen für die Standsicherheit, die Auswahl von geeigneten Technologien, die den Stand der Wissenschaft und Technik wiederspiegeln oder das Beachten von ergonomischen und geometrischen Grundsätzen.

So fordert die Norm beispielsweise, dass die äußere Gestaltung einer Maschine so zu wählen ist, dass von der Bedienstelle einfach in Arbeits- und Gefährdungsbereiche einzusehen ist. Die Anzahl an nicht einsehbare Stellen soll so gering wie möglich bleiben, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.

Genügt die inhärent sichere Konstruktion nicht aus, um einen sicheren Betrieb der Maschine zu garantieren, sind weitere technische Schutzmaßnahmen zu treffen.

Technische Schutzmaßnahmen

Zu den Technischen Schutzmaßnahmen zählen trennende und nicht trennende Schutzeinrichtungen. Das können Schutzzäune, Verdeckungen oder Barrieren sein, die als feststehende, trennende Schutzeinrichtungen dienen. Zu den nicht trennenden Schutzeinrichtungen gehören Lichtvorhänge, Bereichsscanner, Sensoren zum Verriegeln oder Zuhalten.

Die Variante der feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen wird gewählt, um den Zugang zu gefährlichen Bereichen der Maschine zu verhindern. Die Maschinenrichtlinie verlangt, dass sich diese Art von Schutzeinrichtungen nur durch Werkzeuge lösen oder abnehmen lassen. Auch müssen die Befestigungsmittel nach dem Abnehmen weiterhin mit der Schutzeinrichtung oder der Maschine verbunden bleiben.

Es gibt bezüglich der Anforderungen an Gestaltung und Bau von trennenden Schutzeinrichtungen mit der DIN EN ISO 14120 eine Norm.

Die nicht trennenden Schutzeinrichtungen überwachen das Zusammentreffen von Mensch und Gefährdungsquelle. Ist im normalen Betrieb oder für das Einrichten der Zugang zu Gefährdungsbereichen in der Maschine notwendig, überwachen die nicht trennenden Schutzeinrichtungen die gefährlichen Bereiche. Das kann beispielsweise eine Lichtschranke sein, welche auslöst, wenn der Benutzer in den Gefahrenbereich eingreift. Bei Aktivierung der Lichtschranke schaltet die Maschine jede gefahrbringende Bewegung sicher ab.

Im Bereich der nicht trennenden Schutzeinrichtungen gibt es ebenfalls  Normen. Ich nennen als Beispiel die DIN EN ISO 13855, welche die Anordnung von Schutzeinrichtungen festlegt hinsichtlich den Annäherungsgeschwindigkeiten von Personen und Körperteilen. Die Norm behandelt somit Sicherheitsabstände zwischen dem Schutzfeld von Sensoren zu einem Gefahrenbereich.

Sind nun Technische Schutzmaßnahmen ebenfalls nicht ausreichend, um die Gefahr für den Benutzer auf ein akzeptables Niveau zu sinken, muss der Benutzer vor den Restgefahren gewarnt werden.

Benutzerinformationen

Zu den Benutzerinformationen gehören neben Warnhinweise zu Restrisiken auch Beschreibungen von Arbeitsverfahren, um die sichere Nutzung der Maschine zu gewährleisten.

Die Nutzungsinformationen sind ein Teil der Maschine und müssen der Maschine bei der Bereitstellung auf dem Markt beiliegen. Welche Inhalte in die Nutzungsinformationen bzw. Betriebsanleitung hineingehören, können Sie aus anderen Podcast Folgen entnehmen. Ich verweise hier beispielsweise auf die Reihe „Betriebsanleitung erstellen“ von meinem Kollegen.

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So sollte Sicherheit nicht aussehen…

Fall 1:

In einem Unternehmen ereignete sich ein Unfall an einer Maschine, mit derer in geschnittenem Flachglas Kanten geschliffen und geglättet wurden. Bei der Arbeit an dieser Glaskantenschleifmaschine beugte sich ein junger Auszubildender zu weit in die Maschine und wurde eingeklemmt. Die Verletzung endete tödlich.

Normalerweise sollte eine Sicherheitseinrichtung den Schleifvorgang unterbrechen, sobald eine Person in den Arbeitsbereich gelangt. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Lichtschranke ausgebaut war, um die Produktivität zu erhöhen. Die Lichtschranke hätte sonst den tödlichen Arbeitsunfall verhindert.

Die Geschäftsführung hat die Entscheidung getroffen die Maschine ohne die Lichtschranke zu betreiben. Dies lief dann auch einige Jahre ohne Probleme gut bis zu dem besagten Unfall. Die Geschäftsführung und mehrere leitende Angestellte handelten hierbei fahrlässig. Den auf die Gefahr der demontierten Sicherheitseinrichtung wurden sie von einer Fachkraft für Arbeitssicherheit hingewiesen. Aber sowohl die Geschäftsführer wie auch die angestellten Ausbilder, Produktionsleiter und Instandhaltungsleiter der Maschine haben nicht auf die Empfehlungen der Arbeitssicherheitskraft reagiert.

Das Gericht verurteilte die Geschäftsführer aufgrund der Fährlässigkeit ihres Handelns zu Freiheitsstrafen und verhängte mehrere Geldstrafen gegen die leitenden Angestellten.

Fall 2:

Eine Haubenüberziehmaschine zieht Folienschläuche über auf Paletten gestapelte Sackware. Zugang zur Maschine ist nur durch eine verriegelte Schutztür möglich, da die Anlage von einem Schutzzaun umgeben ist. Ein- und Auslauf der Maschine sind mit Sicherheitslichtschranken gesichert. Die Sicherheitslichtschranken waren jedoch manipuliert, damit bei benötigtem Zutritt zum Gefahrenbereich wie beim Bereitstellen von neuem Folienmaterial die Maschine nicht komplett stillgesetzt und das pneumatische System entlüftet wird. Ein Mitarbeiter wurde von der Haubenüberziehmaschine tödlich am Kopf verletzt, als plötzlich eine Maschinenbewegung auslöste während er im Gefahrenbereich der Anlage stand.

Die Manipulation fand vermutlich deswegen statt, weil die Folie über einen pneumatischen Klemmgreifer gehalten und über die Säcke gezogen wird. Durch Auslösen der Sicherheitslichtschranke oder dem Öffnen der Schutztüre werden die Antriebe stillgesetzt und der Klemmgreifer entlüftet. Durch das Entlüften muss die geraffte Folie manuell abgetrennt und neu eingefädelt werden. Den tätigen Mitarbeitern war diese Verfahren vermutlich zu aufwändig, weshalb die Lichtschranken versetzt wurden, um Zugang zum Gefahrenbereich zu haben, ohne dass der pneumatische Klemmgreifer entlüftet wird.

Die Manipulation der Schutzeinrichtung wäre vermeidbar gewesen. Sicherheitstechnisch hätte die Maschine so eingestellt werden können, dass die Klemmgreifer weiterhin die Folie halten, auch wenn die Sicherheitslichtschranken unterbrochen wurden. Eine solche Änderung an der Maschine fand leider erst nach dem Unfall statt.

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