Die Welt der Normen und Verordnungen ist ständig im Wandel. Regelmäßig werden neue Normen, Verordnungen…
Besonderheiten für Betriebsanleitungen Teil 2 – #US-P004
Die Fachkraft – Das Bildungssystem
Im ersten Teil dieser Doppelfolge habe ich bereits erwähnt, dass Texte und Handlungen für den amerikanischen Markt genauer und ausführlicher beschrieben werden müssen. Einer der Gründe dafür ist das dortige Bildungssystem. Bildung ist teuer und nicht selbstverständlich. In Amerika gibt es keine großflächige, gleichbleibende Schulbildung, es ist ähnlich wie bei uns. Bei uns haben auch die Bundesländer die Hoheit und können entsprechend die Schulen und das Bildungssystem entsprechend beeinflussen. Ähnlich wie bei uns gibt es auch dort Bundesländer mit besseren Standards als andere. Jedoch ist die Differenz zwischen den einzelnen Bundesstaaten größer, teilweise auch zwischen den einzelnen Schulen innerhalb der einzelnen Staaten.
Bitte verstehen Sie das nun nicht falsch. Hier soll es nicht darum gehen, wer schlauer ist oder so. Der Amerikaner ist nicht dümmer wie wir. Aufgrund der teuren Schulen und unterschiedlichen Bildungsstandards ist die Spannbreite zwischen den guten und schlechten Schulen nur wesentlich größer als bei uns. Dies müssen Sie entsprechend berücksichtigen. Mir hat ein befreundeter Anwalt dazu mal gesagt, dass man in Amerika so schreiben muss, dass es bei uns ein Sechstklässler versteht.
Die teure Schulbildung schlägt sich auch auf die Ausbildung bzw. die Berufswelt entsprechend nieder. Da Schulen teuer sind, sind Aus- und Weiterbildungen sehr viel anders aufgebaut als bei uns. Wo bei uns beispielsweise durch die IHK einheitliche Abschlussprüfungen in den Ausbildungen durchgeführt werden, gibt es so etwas nicht in Amerika. Auch Ausbildungsinhalte wie Ausbildungsrahmenpläne oder zeitliche Abläufe sind nicht vorhanden.
Dort lernt der Berufseinsteiger oder Auszubildende das, was ihm der Ausbilder zeigt. Somit kann nur das vermittelt werden, dass der Ausbilder selbst weiß. Dadurch haben wir in der Berufswelt meist nur angelernte Arbeitskräfte und keine Facharbeiter. Weiterführende Ausbildungen wie Meisterlehrgänge kosten ebenfalls viel Geld, da dort viel schulische Ausbildung involviert ist. Dementsprechend sind diese Qualifikationen seltener als bei uns anzutreffen. Dies muss bei der Erstellung von technischer Dokumentation in der Beschreibungstiefe entsprechend berücksichtigt werden.
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Abkürzungen und technische Termini
Diese Situation hat auch noch weitere Auswirkungen auf die technische Dokumentation. Neben der Beschreibungstiefe dürfen auch Fachtermini also Fachbegriffe oder Abkürzungen nur bedingt verwendet werden. Zu hoch ist das Risiko, dass jemand die Begriffe nicht kennt oder nichts mit ihnen anfangen kann. Dadurch empfehlen wir die Auflistung und Erklärung aller Abkürzungen und Fachbegriffe. Fachbegriffe sollten außerdem falls möglich auch über oder mit Bilder erklärt werden.
Diese ganzen Punkte führen dazu, dass Anleitungen nicht einfach nur ins US-Englische übersetzt werden können. Wenn Sie dies bisher so machen, besteht ein größeres Haftungsrisiko, als Ihnen vielleicht bisher bewusst war. Um es richtig zu machen, müssen Sie die Anleitung von Beginn an entsprechend planen und konzipieren.
Piktogramme und Warnhinweise
Die Erstellung der Warnhinweise und Piktogramme muss nach der Normenreihe ANSI Z535 geschehen. Dies habe ich bereits in einer andern Folge der Reihe erläutert. Jedoch müssen neben den Kriterien der ANSI auch die Informationen aus dieser und der letzten Folge miteinfließen, damit der Warnhinweis verständlich ist. ANSI gibt praktisch die Form vor, den Inhalt müssen Sie selbst erstellen und dazu müssen Sie die Zielgruppe und deren Bildung berücksichtigen.
Bei den Piktogrammen ist es ähnlich. Wer bereits ANSI Piktogramme gesehen hat, weiß dass diese meist brutaler sind als ihre Gegenstücke aus der ISO. Es werden Finger oder Gliedmaßen auf den Piktogrammen abgetrennt und ähnliches. Auch diese Brutalität ist dem Bildungsstandart, der Sprachenvielfalt und den andern Kriterien geschuldet, die wir bisher besprochen haben. Es soll jedem sofort ersichtlich sein, dass hier eine Gefahr vorliegt, die Folgen bei der Nichtbeachtung hat.
Wichtig ist hierbei, dass Sie niemals Piktogramme zweckentfremden dürfen. Verwenden Sie Piktogramme nach der ANSI-Normenreihe. Sollte es keine passenden Piktogramme geben, können Sie eigene erstellen. Beachten Sie hierbei jedoch, dass diese in der Anleitung entsprechend erklärt werden und unmissverständlich sind. Es gab hierzu auch vor einigen Jahren eine interessante Studie, bei der verschiedenen Personen verschiedene Piktogramme vorgelegt wurden. Die Personen sollten die Bedeutungen der Piktogramme deuten und das Ergebnis war bei einigen Piktogramme katastrophal. Sollten Sie sich unsicher sein, empfehlen wir immer, dass Sie die Piktogramme verschiedenen Nutzern vorlegen und diese nach der Bedeutung fragen. So können Sie in einem Live-Beispiel sehen, ob Ihre Piktogramme erkannt und verstanden werden.
Warnhinweise am Produkt
Wir bleiben noch etwas bei den Piktogrammen und Warnhinweisen, wechseln jedoch nun von der Anleitung an das Produkt. Für die USA ist es sehr wichtig, dass die Warnhinweise am Produkt nach Möglichkeit dauerhaft sind und nicht entfernt werden können. Außerdem sollte es eine Übersicht in der Anleitung geben, damit der Leser die angebrachten Piktogramme anhand dieser überprüfen und ggf. nachbestellen kann. So können Sie verhindern, dass Piktogramme verschwinden und dadurch Gefahrensituationen missachtet werden.
Daneben sollten Sie bei Warnhinweisen ähnlich wie bei der Sprache der Anleitung über Recherche von Richtlinien überprüfen, in welchen Sprachen Sie die Warnhinweise auf dem Produkt benötigen. Aufgrund der Sprachenvielfalt in den USA ist es dort nicht unüblich, dass die Warnhinweise auf Produkten in zwei oder drei Fremdsprachen verfasst sind.
Schutzeinrichtungen
Kommen wir von den Warnhinweisen am Produkt zu den Schutzeinrichtungen. Wir bewegen uns daher etwas weg von den Tipps und Besonderheiten für die Dokumentation und gehen über zur Konstruktion. Konstruktive Schutzmaßnahmen sind dabei wichtige Elemente, denn sie schützen den Benutzer vor Risiken und Gefahren durch das Produkt.
Für die USA ist bei der Konstruktion dieser Schutzmaßnahmen zu beachten, dass diese nach Möglichkeit dauerhaft sind. Sprich Sie sollten darauf achten, dass die Schutzmaßnahmen nicht ohne weiteres deaktiviert oder demontiert werden können und das Produkt dennoch weiter verwendet werden kann. Der Mensch ist von Natur aus faul und aus Bequemlichkeit demontierte Schutzeinrichtungen kommen leider zu oft vor. In Deutschland könnte vor Gericht argumentiert werden, dass die Schutzeinrichtungen nicht demontiert werden dürfen, da dies die Anleitung verbietet.
In den USA jedoch geht es nur darum, wie der Anwalt des Kläger argumentiert und hier kann er schnell damit argumentieren, dass die Maschine dann nun mal nicht betriebsfähig sein darf, wenn Schutzeinrichtungen demontiert sind. Daher empfehlen wir immer, dass bereits bei der Konstruktion darauf geachtet wird, dass Schutzeinrichtungen nicht demontiert oder außer Betrieb gesetzt werden können.
Temperaturzonen und elektrisches Netz
Ein weiterer Punkt der während der Konstruktion berücksichtigt werden sollte ist, dass Sie auch den Transport in die USA, eine Lagerung in Häfen oder am Zoll und die unterschiedlichen Temperaturzonen berücksichtigen müssen. Dies wird gerne vernachlässigt und zu oft wird bei der Inbetriebnahme dann festgestellt, dass das Produkt durch zum Beispiel Salzwasser während der Lagerung im Hafen, beschädigt oder unbrauchbar wurde.
Die USA verfügen über viele unterschiedliche Temperaturzonen, sehr kalte aus auch sehr warme. Dennoch neigen viele Unternehmen dazu, die USA auch in diesem Hinblick zu vereinheitlichen und diese Punkte nicht zu berücksichtigen. Es folgen dadurch zwar keine Produkthaftungsklagen, jedoch können andere Klagen aufkommen.
Neben der Temperatur werden gerne auch die Rahmenbedingungen vor Ort vernachlässigt. Zu oft gab es bereits Situationen wo beispielsweise die Qualität von Druckluft, des Stromnetzes oder anderen Betriebsmitteln vernachlässigt oder vergessen wurde. Auch dies kann zu Klagen führen.
Gerade das elektrische Netz wird hierbei vernachlässigt. Im Gegensatz zu unseren 230 Volt bei 50 Hz gibt es in den USA eine Netzspannung von 120 Volt bei 60 Hz. Für größere Anlagen gibt es aber auch 240 V oder andere Standards. Es ist nicht in allen Bundesstaaten einheitlich und auch Stromschwankungen und ähnliches Störungen können dort häufiger als bei uns auftauchen.
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Drogen, Medikamente, Alkohol – Vorhersehbarer Missbrauch
Als letzte Besonderheit möchte ich noch auf die Einnahme von Drogen, Medikamente und Alkohol eingehen. Ähnlich wie bei uns ist auch dort am Arbeitsplatz verboten. Jedoch wird dieses Verbot gerne missachtet, oft bewusst um mit Stress umzugehen oder Leistungsfähiger bei der Arbeit zu sein. Aufgrund dessen ist es wichtig, dass ein entsprechender Hinweis in der Anleitung zu finden ist. Es ist in den USA als vorhersehbarer Missbrauch anzusehen, dass jemand mit leistungssteigenden Medikamenten ein Produkt oder ähnliches bedient. Daher empfehlen wir die Verwendung dieses Hinweises.
Bekannte rechtliche Fälle und Klagen
Wir sind nun wieder am Ende des heutigen Podcasts. In der nächsten Folge werde ich auf Mythen und bekannte Haftungsfälle aus den USA eingehen und diese Anhand der Angaben aus den bisherigen Folgen analysieren, um Ihnen anhand der Beispiele die Arbeitsweise der Gerichte und Situation in den USA zu erklären.
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