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TEKOM #002 – Doppelfolge Teil 2 IEC 82079 Version 2

TEKOM #002 – Doppelfolge Teil 2 IEC 82079 Version 2

Ein herzliches Willkommen an alle Zuhörerinnen und Zuhörer zu einer neuen Folge unseres Podcasts zur Technischen Dokumentation. Mein Name ist Florian Schmider und ich bin bei der GFT AKADEMIE verantwortlich für den Bereich der Technischen Dokumentation.

Wie letzte Woche angekündigt, starten wir heute in den zweiten Teil der Doppelfolge zur zweiten Edition der IEC 82079-1. Letzte Woche behandelten wir die größten Änderungen in der neuen Norm, unter anderem die Prinzipien. Ein nach wie vor wichtiger Teil der Norm dreht sich um die Zielgruppe, weshalb wir hier nun direkt mit diesem Thema fortfahren.

Die Zielgruppenanalyse genauer erklärt

Die Zielgruppenanalyse ist nun in der zweiten Edition der Norm ausführlicher erklärt und aufgeführt. In der ersten Edition war die Zielgruppenanalyse nur ein kleines Thema, nach dem Motto „Führen Sie eine Zielgruppenanalyse durch“. Weiter wurde das Ganze in der Norm nicht erklärt.

In der letzten Folge habe ich von der tekom erzählt. Als ich im Publikum des Vortrages saß, stellte der Referent die Frage, wer sich mit dem Thema Zielgruppe bereits beschäftigt und eine vollständige Zielgruppenanalyse einsetzt. Von den ungefähr 300 Personen im Raum, haben sich drei dazu gemeldet. In der Kategorie ob man sich überhaupt mit dem Thema beschäftigt hat, meldeten sich ca. 9 Personen. Der Rest des Publikums beschäftigt sich also folglich bisher gar nicht damit. Dies zeigt, wie unklar dieses Thema bisher war und das hier ein dringender Nachholbedarf seitens der Norm und danach auch seitens der Hersteller besteht.

Die zweite Edition macht das ganze besser und erklärt deutlich mehr. Beispielsweise wird die Zielgruppenanalyse in 2 Bereiche aufgeteilt. Zum einen in die Eigenschaften der Zielgruppe, zum anderen in eine Aufgabenanalyse.

Bei den Eigenschaften der Zielgruppe sollen die folgenden Punkte ermittelt werden:

  • Die Fachliche Kompetenz und Erfahrung der Zielgruppe
  • Die gesprochene Sprachen und das Level
  • Die Aufgaben der Zielgruppe
  • Die Arbeitsumgebung wo die Aufgaben durchgeführt werden
  • Die dort verfügbaren Werkzeuge
  • Die verfügbare Mittel für den Informationszugriff (auf welche Art Informationen abrufen werden können)

Die Aufgabenanalyse hingegen legt den Schwerpunkt auf die einzelnen Tätigkeiten. So soll jede Tätigkeit der Nutzer nach den folgenden Punkten analysiert und überprüft werden:

  • Die Gründe für die Aufgabe
  • Die Häufigkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Anwender an die Aufgabe erinnert
  • Die Dauer der Aufgabe
  • Die Personen und Rollen, die die Aufgabe gemeinsam ausführen
  • Die spezifischen Umgebungsbedingungen
  • Die Fehlertoleranz der Aufgabe
  • Den Ermessensspielraum in Ausführung und Zeitpunkt der Tätigkeit
  • Die zu erfüllenden Voraussetzungen der Aufgabe
  • Die Üblichkeit der Aufgabe

Neben diesen ganzen Punkten, verweist die Norm außerdem auf eine andere, weiterführende Norm, der ISO IEC IEEE 26514 mit dem Titel „Informationstechnik – Software und System-Enginering – Anforderungen an Designer und Entwickler von Benutzerdokumentationen“.

Anhand dieser Informationen und der weiterführenden Norm sollen Zielgruppenanalysen für die Produkte erstellt und berücksichtigt werden, damit die Nutzer alle erforderlichen Informationen erhalten und das Prinzip des Minimalismus und das Prinzip der Vollständigkeit eingehalten werden können.

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  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
  • Korrekt gestaltete Warnhinweise
  • Übersichtliches Layout der Betriebsanleitung
  • Verständliche Abbildungen
  • Hochwertige textliche Gestaltung

Digitalisierung von Informationen – die elektrische Dokumentation

Neben der Zielgruppenanalyse beschäftigt sich die zweite Edition der Norm auch noch mit anderen Themen, die sie nun besser macht als in der ersten Edition.

Beispielsweise wird viel mehr auf die elektrische Dokumentation eingegangen. Verstehen Sie dies aber bitte nicht so, dass Sie nun Ihre Papier-Dokumentation ab sofort entsorgen können. Diese ist immer noch gefordert. Jedoch versucht die Norm auch zukunftsweisend zu sein und berücksichtigt damit bereits zukünftige Dinge wie die elektrische Dokumentation.

So verweist sie ausdrücklich darauf, dass auch Informationen als Video, 3D-Modelle, Augmented Reality, Virtual Reality, Ton oder Kombinationen daraus übermittelt werden können. Dabei sollen jedoch alle Regeln auf diese angewendet werden, sprich es sollen für alle Arten von Informationen die Prinzipien angewendet werden.

Dabei fordert die Norm, dass bei der Wahl des Mediums immer auch die Verfügbarkeit, der Zielgruppenbedarf und die Zugänglichkeit der Informationen berücksichtigt werden müssen. So müssen beispielsweise Sicherhinweise die bei der Montage einer Maschine eingehalten werden müssen, auch zu diesen Zeitpunkt dem Nutzer zugänglich sein. Die digitale Version der Sicherheitshinweise bringt während der Montage der Maschine dem Anwender nichts, da er zu diesem Zeitpunkt nicht darauf zugreifen kann.

Weitere Anforderungen an die elektronische Dokumentation

Ein aus meiner Sicht nicht zu unterschätzender Punkt beleuchtet die Norm ebenfalls. Es muss sichergestellt werden, dass die Informationen während der zu erwartenden Lebensdauer des Produktes zur Verfügung steht. Beispielsweise ist es nicht sinnvoll, wenn eine Anleitung auf einer CD ausgeliefert wird, wenn das Produkt selbst beispielsweise eine Lebensdauer von 20 Jahren hat. CD-Laufwerke verschwinden inzwischen immer mehr. Ob in 15 Jahren noch CDs vorkommen ist also fraglich.

Auch betont die Norm in diesem Zusammenhang, dass die Darstellung der elektrischen Dokumentation entsprechend der üblichen Geräte und Systeme möglich ist. Es muss sichergestellt werden, dass die benötigte Software zur Verfügung steht und auch die Informationen dargestellt werden können.

Ebenso müssen die jeweiligen Vorteile wie die Verwendung von Suchfunktionen, dynamische Navigation und Druckmöglichkeiten berücksichtigt und wenn möglich verwendet werden.

Auf ein brandaktuelles Thema geht die Norm ebenso ein, Stichwort: Datenschutz. Die Norm fordert Anleitungen für Funktionen zum Datenschutz. Der Nutzer muss sich schützen können. Persönliche Daten müssen vertraulich bleiben und geschützt werden.

Die üblichen Methoden für Informationsschutz und –sicherheit sollen berücksichtigt und angewendet werden. Daten müssen verschlüsselt werden, über Datensicherungen gespeichert werden und auch vernichtet werden, wenn dies der Anwender wünscht oder diese nicht mehr benötigt werden. Dies sind alles Dinge, die im Zuge der Industrie 4.0 kommen, aber von vielen Unternehmen noch gar nicht bedacht werden.

Überarbeitung vorhandener Anforderungen

Neben Ergänzungen von neuen Inhalten wurden auch alte Inhalte der Norm im Zuge der zweiten Edition überarbeitet. In der alten Norm konnte man oft „falls zutreffend“ lesen. Aufgrund der Vielfalt an möglichen Produkten, wurden dort Inhalte für Anleitungen aufgelistet, die jedoch nicht für jede Art von Produkt gegolten haben. Die zweite Norm definiert nun den Fall genauer.

Anhand der Identifikation von Produkt, Anleitung und Hersteller, dem dazugehörigen Zubehör, dem Verbrauchsmaterial, den Verschleiß- und Ersatzteillisten und den vollständigen Informationen zum Lebenszyklus des Produktes soll es dem Anwender ermöglicht werden, alle Informationen für das Produkt zu finden und klar zu zuordnen.

Beispielsweise müssen Produkte mit austauschbaren Teilen mit einer Ersatzteilliste versehen werden. Jedes Ersatzteil muss dabei mit Informationen versehen werden. Dazu gehören:

  • Name und ID wie am Produkt
  • Name, Nummer, Version des Herstellers
  • Abbildung, vorzugsweise in einer Explosionszeichnung
  • Angabe, ob das Teil aufbereitet und wiederverwendet werden kann
  • Bei Industrieanlagen: das Referenzzeichen nach IEC 81346
  • Herstellungsjahr oder Jahr der letzten Verfügbarkeit
  • Entsorgungsinformationen

Schaut man sich diese Liste im Vergleich zur alten Version an, kann man wesentlich mehr Informationen aus der Norm herausnehmen. So soll es einfacher werden zu überprüfen, ob wesentliche Informationen übersehen wurden.

Optimierung von Sicherheits- und Warnhinweisen

Neben inhaltlichen Anpassungen hat sich die zweite Version der Norm auch mit dem Thema Sicherheits- und Warnhinweisen beschäftigt. Aufgrund der Mitarbeit der USA sind nun Ergänzungen aus Sicht der ANSI Normen-Reihe Z535 eingeflossen.

Beispielsweise wurde ein neues Beispiel für den Hinweis „Anleitung lesen und aufbewahren“ mitaufgenommen. Das Beispiel aus der ersten Version erhielt Kritik, da es nicht den Anforderungen nach ANSI Z535 entsprach und aufgrund von Versalien eine schlechte Leserlichkeit aufwies. Das alte Beispiel darf jedoch weiter verwendet werden, da es bereits viel verwendet wird.

Bei den Warnhinweisen wurde mehr auf den Lesefluss und die Überbetonung von Warnhinweisen eingegangen. Die Norm fordert, dass Warnhinweise den Leser nicht vom Lesen abhalten und auch nicht auffällig sein dürfen. Warnhinweise als Warnschild bzw. in Tabellenform sind nicht normkonform und stören zu sehr den Lesefluss. Warnhinweise innerhalb von Handlungen sollen in diese eingebettet werden. Dies stellt die Norm ganz klar da.

Neue Kapitel: Struktur und Navigation; Anlagendokumentation

Neben den ganzen Ergänzungen und Erweiterungen gibt es auch einige Punkte, die sogar eigene Kapitel bekommen haben. Das Thema Struktur und Navigation hat nun ein eigenes Kapitel und hier wurde direkt auch zwischen gedruckten und elektronischen Informationen unterscheidet und die jeweiligen Anforderungen genauer spezifiziert.

Gedruckte Anleitungen sollten daher nun ab 12 Seiten über ein Inhaltsverzeichnis verfügen. Die erste Version der Norm forderte dies bereits ab 5 Seiten. Elektronische Informationen müssen Kontext sensitiv sein, Verlinkungen und Suchfunktionen beinhalten und an die Endgeräte angepasst werden.

Auch die Anlagendokumentation wurde im Zuge der Überarbeitung der Norm mehr berücksichtigt und genauer betrachtet. Auch ist geplant, das sich ein weiterer Teil der Normenreihe ausschließlich mit diesem Thema im Detail befassen könnte.

Die zweite Version der IEC 82079 hat bereits Anforderungen an die Anlagendokumentation. Dazu gehört beispielsweise, dass es eine übergeordnete Anleitung gibt, die für die gesamte Anlage gilt und Einschränkungen, Sicherheitshinweise und auch konkrete Handlungsabläufe beinhaltet.

Weiterhin soll der Anlagenhersteller auf Basis von Methodischen Entscheidungen überlegen wie er mit der Lieferantendokumentation umgeht. Die Kernfrage dabei ist, ob diese integriert werden oder nur darauf verwiesen werden soll.

Aufgrund der Anzahl der Dokumente und Seiten sind bei der Anlagendokumentation die Kennzeichnung, die Verwendung von klaren Referenzen und Verweisen und eine konsistente Terminologie notwendig. Weiterhin geht die Norm auf Ersatzteile, Wartung, Störungsbeseitigung, das Thema Terminologie im Zusammenhang mit Lieferantendokumentation und auf den Prozess der Erstellung der Anlagendokumentation ein.

Aufgrund der Fülle der Informationen und einer Anregung eines Zuhörers per E-Mail wird es demnächst auch eine eigene Podcast-Reihe zum Thema der Anlagendokumentation geben. Daher werde ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Weiterhin wurde einzelne Optimierung im Bereich von der Gestaltung der Informationen vorgenommen.

Gratis - Checkliste klärt endlich auf!
Die wichtigsten 6. Punkte zur Prüfung von Betriebsanleitungen in der technischen Dokumentation.
  • Ersichtlicher Verwendungszweck der Maschine
  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
  • Korrekt gestaltete Warnhinweise
  • Übersichtliches Layout der Betriebsanleitung
  • Verständliche Abbildungen
  • Hochwertige textliche Gestaltung

Kompetenzen der Beteiligten und Konformität

Zum Schluss möchte ich noch auf ein letztes, neues Kapitel in der zweiten Version der Norm eingehen. Die Norm beschäftigt sich dort mit dem Thema Kompetenzen der Prozessbeteiligten. Sprich welche Kompetenzen die jeweiligen Personen haben bzw. haben sollten und wie diese in 3 Kompetenzlevels eingeordnet werden sollen. Neben den Redakteuren werden auch Prozessbeteiligte wie Übersetzer betrachtet. Dieses Kapitel soll auch als Basis für die Aus- und Weiterbildung von Personal innerhalb von Unternehmen dienen, um Prozesse und Ressourcen optimal nutzen und planen zu können.

Neben diesem neuen Kapitel geht die Norm auch näher auf das Thema Konformität ein und zeigt zwei Wege für den Konformitätsnachweis. So können entweder alle Anleitungen zu einem bestimmten Produkt überprüft werden oder nur eine einzelne Anleitung. Dies sieht die Norm jedoch nicht für Verbraucherprodukte vor. Dabei soll die Einhaltung der Prinzipien, der Inhalt, die Struktur, die Gestaltung betrachtet und empirische Tests durchgeführt werden

Diese Prüfung sollte durch unabhängige Personen durchgeführt werden und anhand von einer Dokumentation festgehalten werden. Diese Prüfung kann unternehmensintern durchgeführt werden, jedoch kann es dort Schwierig sein, genügend unabhängige Prüfer mit entsprechender Kompetenz und Prüferfahrung zu finden.

Der andere Weg ist die Prüfung durch externe Experten. Beispielsweise können wir Ihre Dokumentation entsprechend prüfen. Eine Anfrage können Sie uns per E-Mail oder über unsere Website zukommen lassen.

Wie Sie sehen, hat sich einiges im Vergleich zur ersten Version der Norm getan. Ich kann Ihnen daher nur raten, dass Sie sich auf die Einführung und veröffentlich der Norm im nächsten Jahr vorbereiten und die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung einplanen, wenn Sie aktuell bleiben und den Stand der Technik erfüllen wollen.

Wir sind nun wieder am Ende des heutigen Podcasts und somit am Ende dieser Doppelfolge. Ich hoffe, Ihnen hat diese Folge gefallen. Nächste Woche geht es mit weiteren aktuellen Themen von der tekom weiter.

Sollten Sie Anregungen oder Fragen zu dem Thema haben, schreiben Sie diese bitte in die Kommentare oder lassen Sie uns diese per E-Mail zukommen. Ich freue mich schon auf nächste Woche und hoffe, Sie sind auch dort wieder dabei.

Herzlichen Dank fürs Zuhören, bis zur nächsten Woche.

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