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NORM #002 Die Klassifikation und Einhaltung von Normen

Die Klassifikation und Einhaltung von Normen

„Normenrecherche für die technische Dokumentation“ beschäftigt sich heute mit der Klassifikation von Normen und der Frage, ob Normen eingehalten werden müssen.

Normen sollen Produkte sicherer machen

Bevor wir mit der Klassifikation von Normen beginnen, möchte ich noch einen kurzen Zusammenhang erklären. Wie haben in der letzten Folge viel über Normen und deren Entstehung gesprochen. Jedoch hat der konkrete Zusammenhang zwischen Normen und der technischen Dokumentation bzw. den Anleitungen gefehlt.

Wie wir gelernt haben, verfolgen die Organisationen, die die Normen entwerfen eigene Ziele, die sie durch Normen und Richtlinien versuchen zu erreichen. Ein häufiges Ziel dieser Organisationen ist es, dass Produkte für deren Anwender und Bediener sicherer werden.

Beispielsweise versucht die EU als Hauptnormengeber in Europa, dies durch ihre Richtlinien und Normen von Herstellern zu fordern. Dies wird beispielsweise in der EN ISO 12100 „Sicherheit von Maschinen“ so beschrieben. Durch sogenannte Sicherheitskonzepte sollen Produkte sicherer gemacht werden. Die Norm zeigt dabei auch klar auf, welche Bestandteile zu einem Sicherheitskonzept von Maschinen gehören.

Dokumentation ist Bestandteil des Sicherheitskonzeptes

Angefangen wird mit einer Risikobeurteilung während der Konstruktion, dort werden die möglichen Risiken für den Nutzer ermittelt. Über eine inhärent sichere Konstruktion werden die erkannten Risiken verhindert. Risiken die so nicht verhindert werden können, werden über ergänzende Schutzmaßnahmen gelöst. Und Informationen über jetzt noch übrig gebliebenen Restrisiken, werden durch Benutzerinformationen, also beispielsweise die Betriebsanleitung an den Benutzer übergeben.

Auf Basis der ergänzenden Schutzmaßnahmen und der Benutzerinformation entwirft dann der Anwender oder Betreiber der Maschine Schutzmaßnahmen für seine Anwender. Beispielsweise regelmäßige Schulungen, Kontrollen, Bereitstellung von Schutzausrüstung und anderes. Und so wird auch die Anleitung bzw. die technische Dokumentation im Allgemeinen von Normen und Richtlinien beeinflusst.

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Klassifikation von Normen – Typ A Normen

Kommen wir nun zur Klassifikation von Normen. Diese Klassifikation gilt für Maschinen und ist somit für den Maschinen und Anlagenbau wichtig. Aber ähnliche Klassifikationen kann es auch in anderen Produktbereichen geben. Da ein Großteil der Zuhörer aus dieser Branche kommt, möchte ich auf diese eingehen. Diesen Teil habe ich bereits in der Reihe „Betriebsanleitung erstellen“ angesprochen, daher könnte ein Teil von Ihnen diese bereits kennen.

Normen werden dabei generell in 3 Typen eingeteilt. Man spricht dabei von Typ A; Typ B und Typ C Normen. Typ A Normen sind dabei Sicherheitsgrundnormen. Sie behandeln Grundbegriffe und allgemeine Leitsätze für alle Arten von Maschinen. Zu dieser Normengruppe gehört auch die gerade erwähnte EN ISO 12100.

Typ B Normen und deren Unterarten

Typ B Normen sind sogenannte Sicherheitsgruppennormen. Sie behandeln Sicherheitsaspekte oder bestimmte Arten von Schutzeinrichtungen für eine gesamte Reihe an Maschinen. Diese Normen werden wiederum in zwei Unterarten gegliedert. Diese Unterarten lauten B1 und B2 Normen.

B1 Normen behandeln bestimmte Sicherheitsaspekte für Maschinen wie Sicherheitsabstände, Lärm oder Temperaturen. Sprich hier geht es vorwiegend um bestimmte Gefahrenquellen. Zu dieser Normengruppe gehört beispielsweise die EN ISO 13855 „Anordnung von Schutzeinrichtungen“.

B2 Normen dagegen behandeln bestimmte Schutzeinrichtungen. Beispielsweise gehören hierzu die Norm EN 573, eine Norm für Zweihandbedienungen oder die EN 953 für feststehende, trennende Schutzeinrichtungen.

Bedeutung für technische Dokumentation

Diese ganzen Normenarten haben für die Technische Dokumentation in der Regel jedoch nur wenig Relevanz. Die Typ A und Typ B Normen behandeln in der Regel Eigenschaften von Maschinen und deren Risiken. In Verbindung mit der technischen Dokumentation kommen sie in der Regel nur während der Konzeption der Maschine und der Risikobeurteilung vor. Denn die Normen behandeln die Gefahrenquellen der jeweiligen Maschinen und bieten Lösungsansätze dafür an.

Diese Gefahrenquellen und Lösungen werden dann vom Hersteller in der Risikobeurteilung angegeben. Daher ist es richtig, vor einer Risikobeurteilung eine Normenrecherche durchzuführen, damit man bereits Anforderungen aus den Normen berücksichtigen kann und eventuelle Abweichungen von den Angaben der Normen genau dokumentieren und belegen kann. Denn die Angaben der Normen können auch veraltet sein oder der Hersteller hat eine bessere Lösung für die Vermeidung der Gefahr. Aber dazu später mehr.

Typ C Normen – die Maschinensicherheitsnormen

Zu guter Letzt kommen wir daher noch zu den Typ C Normen. Typ C Normen sind sogenannte Maschinensicherheitsnormen. Sie definieren Sicherheitsanforderungen für bestimmte Maschinentypen oder Maschinengattungen. Beispielsweise die EN 1870 für Kreissägemaschinen oder die EN 62841 für elektrische, motorbetriebene, handgeführte Werkzeuge.

Typ C Normen haben für uns in der technischen Dokumentation eine besondere Stellung. Den Aufgrund ihrem Bezug zu einzelnen Maschinenarten oder Gattungen können sie auch bestimmte Anforderungen an die Dokumentation oder Betriebsanleitung haben. Beispielsweise fordert die DIN EN 12355 für Nahrungsmittelmaschinen konkrete Angaben für die nicht bestimmungsgemäße Verwendung, eine genaue Beschreibung der Aufstellung der Maschine in Arbeitsräumen und konkrete Angaben zu Schulungen, Nachweisen und weiteren Angaben in der Betriebsanleitung.

Eine weitere Besonderheit der Typ C Normen ist, dass sie Vorrang gegenüber den Typ A und Typ B Normen hat. Wiedersprechen sich Angaben innerhalb der Normenarten, gelten die Angaben der Typ C Norm und die Angaben der Typ B und Typ A Normen können ignoriert werden. Dies ist auch sinnvoll, da die Typ C Norm sich beispielsweise genau mit den Risiken der Nahrungsmittelmaschinen auseinander setzt und die Risiken dort somit auch besser lösen kann.

Besonders wichtig dabei ist, dass Typ C Normen auch für die Maschinenrichtlinie wichtig sind. Werden Anforderungen von Typ C Normen ignoriert oder übersehen, gelten automatisch die Anforderungen der Maschinenrichtlinie als nicht erfüllt. Somit würde die Maschine die CE-Konformität verlieren und der Hersteller würde Busgelder oder schlimmeres auferlegt bekommen.

Die rechtliche Verbindlichkeit von Normen und Richtlinien

Kommen wir nun zu der Kernfrage. Wie bindend sind Normen und Richtlinien? Wie wir innerhalb dieser und der letzten Folge gesehen haben, ist das Thema Normenrecherche groß und umfangreich. Die Durchführung einer Normenrecherche kann somit auch entsprechend viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher wird sich der ein oder andere Zuhörer bestimmt fragen, warum soll ich den Aufwand betreiben, meine Maschine ist sicher, auch ohne Normenrecherche.

Prinzipiell: Die Einhaltung der Richtlinien und Verordnungen ist bindend. Sie kommen nicht um die Einhaltung der Maschinenrichtlinie oder Medizinprodukteverordnung herum. Beides sind Richtlinien und entsprechend so bindend wie andere Gesetze. Auch Arbeitsschutzgesetze müssen eingehalten werden. Nur so sind Sie berechtigt auch das CE-Zeichen anbringen zu dürfen.

Wie freiwillig ist die Einhaltung von Normen?

Viele werden nun sagen: Normen sind freiwillig. Diese Aussage ist auch soweit richtig. Aber hier müssen Sie aufpassen. Verträge mit Ihren Kunden oder juristische Quellen wie Gesetze oder Urteile können dazu führen, dass auch Normen verbindlich einzuhalten sind. Und dann haben Sie nicht mehr die Wahlmöglichkeit. Haben Sie mit Ihrem Kunden vereinbart, dass Sie beispielsweise eine Anleitung nach DIN EN 82079-1 liefern und Sie tun dies nicht, liegt ein Sachmangel am Produkt vor. Die Folgen können Nachbesserung, Preisnachlässe oder Rücktritt sein.

Auch müssen Sie selbstgegebene Verpflichtungen einhalten. Geben Sie gegenüber Ihren Kunden und der Öffentlichkeit an, dass Sie die ISO 9001 einhalten, können Sie dies nicht einfach nicht einhalten. Dies kann als arglistige Täuschung seitens der Gerichte angesehen werden. So kann es zu Maßnahmen entsprechend dem UWG kommen, dem Gesetz für unlauteren Wettbewerb.

Vermutungswirkung von harmonisierten Normen

Ähnlich sieht es auch bei den in der letzten Folge genannten harmonisierten Normen aus. Auch diese sollten eingehalten werden, da somit die Vermutungswirkung eintrifft. Die Vermutungswirkung bewirkt hierbei, dass die Beweislast zugunsten des Herstellers umgekehrt wird. Normalerweise muss ein Hersteller beweisen, dass er Normen eingehalten hat, falls seine Produkte seitens der Marktaufsicht beanstandet werden. Durch die Vermutungswirkung der harmonisierten Norm muss die Marktüberwachung nun dies beweisen. Denn sie kann normkonforme Produkte nur beanstanden, wenn diese gegen die Richtlinien verstoßen und dies konkret nachgewiesen wird.

Die Indizwirkung für sorgfältiges Arbeiten

Zu guter Letzt kommen wir zur gebotenen Sorgfalt. Das Gesetz fordert Hersteller auf, seine Produkte nach gebotener Sorgfalt zu produzieren. Was hier sehr schwammig genannt wird, beinhaltet mehrere Bausteine: Zum einen ist es die Einhaltung der Gesetze und Richtlinien. Dies ist Pflicht und somit verbindlich.

Weiterhin empfiehlt das Gesetz die Einhaltung von Normen und dem Stand der Technik. Unter „Stand der Technik“ wird dabei aktuelles, in der Praxis bewährtes Fachwissen bezeichnet, das noch nicht in Normen eingeflossen ist. Dies kann jedoch bereits in Normentwürfen aufgeführt werden.

Außerdem gehören hierzu auch noch die eigenen Erkenntnisse des Herstellers. Sprich alle Erfahrungen, die er in Zusammenhang mit seinem Produkt gemacht hat. Seien es Ergebnisse aus Usability Tests, die in seine Produktentwicklung eingeflossen sind, Rückmeldungen durch Kundenbefragungen, Ergebnisse der Produktbeobachtung, oder „gesunder Menschenverstand“.

Hat er diese Bausteine eingehalten und Berücksichtigt, kann der Hersteller davon ausgehen, dass er seine Produkte entsprechend der gebotenen Sorgfalt herstellt.

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  • Nachvollziehbare Handlungsanweisungen
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Anwendung von Normen – Das Fazit

Schaut man sich diese Punkte alle an, ist das Fazit, ob Normen eingehalten werden müssen, nicht klar. Generell kann man sagen, dass die Einhaltung von Normen nicht vor der Haftung schützt. Haftung kann nicht ausgeschlossen werden, passiert etwas durch ein Produkt, haftet der Hersteller.

Jedoch kann diese Haftung begrenzt bzw. minimiert werden. Die Einhaltung von Normen zeigt dem Gericht bzw. der Öffentlichkeit, das der Hersteller sich an allgemein anerkannte Regeln der Technik gehalten hat und sein bestmöglichstes getan hat, um den Haftungsfall zu begrenzen.

Normen können veralten

An dieser Stelle möchte ich aber auch erwähnen, dass Normen wie vorhin erwähnt veralten können. Normen bilden zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung den anerkannten Stand ab. Jedoch kann auch eine Norm durch technischen Fortschritt überholt werden. Normen müssen daher immer zum aktuellen Zeitpunkt kritisch betrachtet werden.

Denn ist die Technik oder der Fortschritt weiter vorangeschritten und die Norm mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte alt, kann es sein, dass die Lösungen dort nicht mehr ausreichend sind. Dann kann es notwendig sein, von der Norm abzuweichen. Diese Abweichung muss entsprechend dokumentiert, begründet und festgehalten werden, damit sie nachvollziehbar bleibt.

Daher gilt beim Anwenden von Normen: Lesen und erfüllen Sie den Normentext nicht wortwörtlich, lesen Sie die Norm, Verstehen Sie den Inhalt und die Absicht der Norm und passen Sie die Norm auf Ihren eigenen Fall sinnvoll und begründbar an.

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