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Extra #008 Wussten Sie schon wie gefährlich ein Wärmekissen sein kann? (Weihnachtsspecial)

Extra #008 Wussten Sie Schon Wie Gefährlich Ein Wärmekissen Sein Kann? (Weihnachtsspecial)

Gefährlich bedeutet hierbei aber nicht vorrangig im Sinne von möglichen Verletzungen, sondern eher im Sinne von rechtlichen Konsequenzen. Denn was die wenigsten wohl wissen ist, dass ein Wärmekissen eine CE-Kennzeichnung samt Gebrauchsanweisung benötigt. Das wird Sie sicherlich verwundern, warum das so ist. Der Grund dafür ist logisch betrachtet sehr einfach, ich möchte zuerst aber die Hintergrundgeschichte zu dieser Folge erläutern.

Verkauf von Wärmekissen auf Weihnachtsmärkten

Zur Weihnachtszeit findet man sie überall: die Weihnachtsmärkte. Und wie üblich kann man auf den Ständen der Märkte eine Menge Sachen kaufen. Ein Bekannter kam auf die Idee selbstgemachte Wärmekissen mit Kirschkernen auf dem Weihnachtsmarkt zu verkaufen. Diese Kissen können dann im Backofen oder der Mikrowelle erwärmt werden und spenden dem Benutzer Wärme.

Ich habe davon mitbekommen und habe dem Bekannten davon abgeraten, die selbstgemachten Wärmekissen auf dem Weihnachtsmarkt anzubieten. Was hier dem Bekannten nicht klar war ist nämlich die Tatsache, dass es sich bei einem Wärmekissen um ein Medizinprodukt handelt und die rechtlichen Verpflichtungen bei einem Verkauf eines hergestellten Medizinproduktes hoch sind.

Besonderheit: Ein Wärmekissen ist ein Medizinprodukt

Die Einordnung des Wärmekissens als Medizinprodukt lässt sich anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, des Gesetzes über Medizinprodukte und des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs beantworten. Da das Wärmekissen zur Anwendung beim Menschen bestimmt ist, liegt hier bereits eine maßgebliche Voraussetzung für ein Medizinprodukt vor. Das Wärmekissen kann zudem zur Linderung von Krankheiten und Verletzungen eingesetzt werden, was ebenfalls einem Medizinprodukt zuzuordnen ist.

Fertigt und vertreibt der Bekannte nun die Wärmekissen, ist er auch der Hersteller und geht somit auch alle Verpflichtungen ein, welche die europäische Medizinprodukteverordnung mit sich bringt. Dazu gehört die Pflicht eine Gebrauchsanweisung zu erstellen und das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen. Die CE-Kennzeichnung ist natürlich auch mit dem gesamten Konformitätsbewertungsverfahren verbunden.

Auch wenn sich viele denken: Als Privatperson würde mich das doch eh nicht betreffen, da ich kein Gewerbe betreibe. Das ist nicht richtig! Diese Annahme stammt aus der Sicht des Finanzamtes. Das Finanzamt definiert einen Gewerbetreibenden oder einen Hersteller anders als es jedoch Richtlinien tun. Denn die Medizinprodukteverordnung definiert den Hersteller als jede natürliche oder juristische Person, die ein Medizinprodukt herstellt, aufbereitet und vermarktet bzw. vertreibt. Bietet man als Privatperson also ein Wärmekissen zum Verkauf an oder verschenkt es, (Stichwort „bereitstellen auf dem Markt“)  ist man ein Hersteller laut Medizinprodukteverordnung.

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Pflicht zur Erstellung einer Gebrauchsanweisung

Schauen wir uns doch kurz die Medizinprodukteverordnung hinsichtlich der Pflichten des Herstellers an und beginnen mit der Erstellung einer Gebrauchsanweisung. Die aktuelle Fassung 2017/745 wurde im April 2017 verabschiedet und bezeichnet unter dem Begriff „Gebrauchsanweisung“:

vom Hersteller zur Verfügung gestellte Informationen, in denen der Anwender über die Zweckbestimmung und korrekte Verwendung eines Produkts sowie über eventuell zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet wird;

Im Falle des Wärmekissens für den Weihnachtsmarkt hätte der Bekannte entsprechende Informationen zum Gebrauch erstellen und dem Produkt beilegen müssen. Dazu gehört eine Anwendungsbeschreibung wofür das Wärmekissen geeignet ist und wofür nicht. Weiterhin eine detaillierte Beschreibung wie das Produkt zu verwenden ist. Also wie erhitzt man das Wärmekissen im Backofen? Darf das Wärmekissen in der Mikrowelle erhitzt werden? Bei wieviel Grad bzw. wieviel Watt und wie lange?

Auch über mögliche Gefahren wie, dass bei Überhitzung oder Austrocknung eine Brandgefahr besteht, muss in der Gebrauchsanweisung in Form von Warnhinweisen hingewiesen werden. Und das ist wichtig! Denn beispielsweise in Zeitungsartikeln führen Sicherheitsexperten auf, dass die Erwärmung von Wärmekissen in der Mikrowelle immer wieder zu schlimmen Unfällen führen. Auch Mikrowellenhersteller haben Ihre Bedienungsanleitungen entsprechend angepasst und verbieten zum Teil sogar die Erwärmung solcher Wärmekissen. Es gab auch Fälle, wo sich die Füllung nach der Erhitzung entzündet hat und so ein Bett in Brand gesteckt hat. Diese Vorfälle passieren so häufig, dass der bayrische Verwaltungsgerichtshof sich bereits 2011 mit solchen Fällen beschäftigt und Urteile gefällt hat.

In der Gebrauchsanweisung sollten daher auch einige Hinweise stehen, dass ein Wärmekissen nicht unbeaufsichtigt erhitzt werden darf oder die Bedienungsanleitung des Backofens oder der Mikrowelle zu beachten ist. Auch über mögliche Verbrennungsgefahren sollte man hinweisen und dass man die Temperatur des Wärmekissen vor Benutzung prüfen muss. Schaut man sich diese Anforderungen an, bezweifle ich, dass dies ein Laie ordnungsgemäß hinbekommt.

Auf die weiteren Inhalte einer Gebrauchsanweisung gehe ich hier aber nicht näher ein. Dazu kann ich Ihnen den Podcast meines Kollegen Florian Schmider empfehlen. Dieser behandelt die häufigen Fehler und Fehlerquellen bei der Erstellung der Dokumentation und welche Inhalte von Gebrauchsanweisungen im Zusammenhang mit Medizinprodukten gefordert sind.

Das Schreiben einer Gebrauchsanweisung für das Wärmekissen alleine reicht jedoch nicht aus, um alle Anforderungen der Medizinprodukteverordnung zu erfüllen. Durch die Klassifizierung als Medizinprodukt gibt es für das Wärmekissen noch eine viel wichtigere Anforderung.

Pflicht zur CE-Kennzeichnung

Das Wärmekissen benötigt nämlich ebenfalls eine CE-Kennzeichnung. Und hinsichtlich des Konformitätsbewertungsverfahrens hat die europäische Medizinprodukteverordnung auch einige Bestimmungen, die es zu beachten gilt. Abhängig von der Klassifizierung des Medizinproduktes muss sich der Hersteller zwischen verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren entscheiden.

Die Wärmekissen sind als Medizinprodukte der Klasse 1 eingestuft, weil sie zur Linderung von Krankheiten und Verletzungen dienen. Auch werden die Wärmekissen entsprechend beworben zur Behandlung von Prellungen, Blutungen und Zerrungen sowie von Rheuma oder Migräne. Durch die Einstufung als Medizinprodukt sind Hersteller von Wärmekissen verpflichtet eine CE-Kennzeichnung am Produkt anzubringen. In der einfachen Klasse 1 führt der Hersteller eigenverantwortlich das Verfahren durch und legt dem Produkt eine Konformitätserklärung bei. Für alle anderen Klassen von Medizinprodukten muss eine benannte Stelle (wie TÜV, Dekra, oder ähnliches) im Konformitätsbewertungsverfahren involviert sein.

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Besonderheit: Wärmekissen und die Spielzeugrichtlinie

Eine weitere Besonderheit ist, wenn das Wärmekissen die Form eines Kuscheltieres aufweist. In diesem Fall hat das Kissen einen zusätzlichen Spielcharakter und fällt somit auch unter den Geltungsbereich der europäischen Spielzeugrichtlinie. Der Hersteller muss in seiner Konformitätsbewertung dann nicht nur die Bestimmungen als Medizinprodukt einhalten sondern zusätzlich ebenfalls die Bestimmungen als Spielzeug beachten. In diesem Falle sagt der Hersteller mit dem Anbringen der CE-Kennzeichnung nämlich aus, dass er die Anforderungen beider Richtlinien einhält.

Im Falle des Wärmekissens in Kuscheltierform ist zu beachten, dass die Anforderungen an Hygiene und Sauberkeit erfüllt sind, um jegliche Infektions-, Krankheit- oder Kontaminationsrisiken zu vermeiden.

Um die Hygiene zu gewährleisten, muss das Wärmekissen daher waschbar sein und muss nach der Wäsche auch genauso sicher sein wir vor der Wäsche. Daher sollte die Körnerfüllung des Kissens in einer einfachen herausnehmbaren Hülle eingenäht sein, damit man das Wärmekissen separat von der Körnerfüllung waschen kann.

Allgemein ist Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten so zu gestalten und herzustellen, dass eine Reinigung möglich ist. Außer das Spielzeug enthält einen Mechanismus, der beschädigt werden könnte, wenn er eingeweicht wird.

Problematisch können im Zusammenhang mit Spielzeug auch Füllungen mit Aromastoffe sein, die einen angenehmen Geruch abgeben sollen. Solch ein Duftkissen mit Wärmefunktion können gesundheitliche Gefährdungen durch Allergien auslösen. Der Zusatz von natürlichen Aromastoffen ist zwar möglich, jedoch sollte die allergisierende Wirkung insbesondere für Kleinkinder im Vorfeld untersucht werden.

Risiken bei Verkauf ohne Kennzeichnung

Kommen wir nochmal zu dem Bekannten zurück und dem Verkauf der selbstgemachten Wärmekissen auf einem Weihnachtsmarkt.

Hätten dieser nun die Wärmekissen zum Verkauf angeboten und im Nachhinein wäre etwas passiert, hätten der Bekannte ganz schöne Probleme bekommen können. Falls beispielsweise beim Erhitzen des Wärmekissens in der Mikrowelle die eingenähten Kirschkerne sich entzünden oder explodieren sollten, kann es ja zu Verletzungen oder Verbrennungen führen. Möglicherweise ist ein ungeeigneter Stoff für den Bezug des Wärmekissens gewählt worden, weswegen sich auch dieser einfach entzünden kann.

Auch Allergiker könnten mit den Wärmekissen ein Problem haben, wenn die Füllung aus Getreide, Spreu oder Obstkernen sind. Ein weiteres Problem sind mögliche Belastungen durch Schimmelpilze. Ältere oder abwehrgeschwächte Personen, die das Wärmekissen benutzen, sind einer Gefahr ausgesetzt, wenn die Füllung mit Schimmelpilzen belastet ist.

Werden solch gesundheitsschädliche Wärmekissen mit CE-Kennzeichnung in Umlauf gebracht, ist das ein Verstoß gegen die EU-Vorschriften. Die rechtlichen Konsequenzen als Hersteller des Wärmekissens sind enorm.

Aber es muss nicht unbedingt ein Unfall mit Verletzungen passieren. Es genügt ja schon, dass der Bekannte als Laie von der CE-Kennzeichnung nichts gewusst hat. Denn er hätte gegen die Bestimmungen der Medizinprodukteverordnung verstoßen, wenn er das Produkt ohne CE-Kennzeichnung verkauft hätte. Das Ganze läuft dann unter fahrlässigem Verhalten und das Bußgeld für diese Ordnungswidrigkeit beläuft sich auf 100.000 Euro. Im Falle von Unfällen kommen dann natürlich noch mögliche Klagen von Geschädigten, die auf Schadensersatz pochen.

Auch bezweifle ich, dass er genug Ahnung davon hat wie man eine Anleitung richtig schreibt. Eine unvollständige oder fehlerhafte Anleitung ist auch ein Sachmangel, da die Anleitung ein Teil des Produktes ist. Seine Kunden hätten hier also auch bereits Ansatzpunkte für Schadensersatzklagen gehabt. Und so ein hohes Risiko nur um ein paar Euro durch Wärmekissen zu verdienen.

Der Bekannte hat sich nach meinem Anraten dann gegen einen Verkauf von selbstgemachten Wärmekissen entschieden.

Daher ist es in dieser Hinsicht sinnvoller für Laien als Händler zu fungieren. Zuerst die Wärmekissen beispielsweise über den Onlinehandel erwerben und anschließend auf einem der Weihnachtsmärkte vertreiben. Dabei aber darauf achten, dass der Händler in der EU ansässig ist. Wärmekissen die so zugekauft werden, müssen bereits CE gekennzeichnet sein und man selbst muss dann nicht den Aufwand und das Risiko dafür tragen.

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