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DD #008 Usability oder User Experience
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Mehr InformationenUsability und User Experience – zwei Begriffe die vermutlich allen, die sich mit der Herstellung oder der Vermarktung von Produkten beschäftigen, schon einmal begegnet sind. Woher stammen sie? Wo werden sie verwendet? Was verbirgt sich hinter ihnen?
Die Begriffe Usability und User Experience haben immer mit unseren Produkten zu tun. Dabei ist es prinzipiell aber erst einmal unerheblich ob es sich um eine Walzstraße oder Stereoanlage oder ob es sich um eine Website bzw. Software zu unserem Produkt handelt. Merken sollten wir uns jedoch, dass die Usability immer Einfluss auf die User Experience nimmt.
Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Aber der Reihe nach. In diesem Podcast beschäftigen wir uns zunächst mit der Usability. Wie gerade erwähnt, ist sie nämlich ein wesentlicher Faktor der User Experience. Diese werde ich in einem gesonderten Podcast behandeln.
Usability kurzgefasst erklärt
Mit Usability bezeichnen wir allgemein die Benutzerfreundlichkeit eines Produktes. Richtig ist jedoch der Begriff „Gebrauchstauglichkeit“. Dabei geht es aber nicht nur um den rein funktionellen Teil des Produktes, sondern auch um die Gebrauchstauglichkeit seiner Benutzerschnittstelle – dem sogenannten User Interface.
Nun kann man bei diesem Begriff schnell auf den Gedanken kommen, dass wir uns hiermit thematisch in der Computerwelt bewegen, das riecht doch förmlich nach Software. Angesichts der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung stimmt das im Prinzip sogar, denn wohl kaum noch eine Maschine, die in der industriellen Produktion eingesetzt wird, kommt heute ohne Software aus, die ihre Funktionen steuert. Denken wir nur an Roboter im Fahrzeugbau oder CNC-Drehmaschinen. Sie alle enthalten Mikrocontroller die – programmiert mit komplexer Steuerungssoftware – erst die präzise Steuerung ermöglichen, die der Mensch alleine auszuführen gar nicht mehr in der Lage ist.
Aber auch in der Consumer Electronic steckt heute überall Software. Ohne sie wäre maximale Funktionalität auf kleinsten Raum gar nicht denkbar. Vergleichen Sie nur einmal ein Röhrenradio der 50er Jahre mit seinem heutigen Pendant. Die Liste solcher Produkte lässt sich beliebig fortführen.
Das User Interface
Was ist nun aber das User-Interface?
Wie unschwer zu erkennen, entstammen beide Begriffe der englischen Sprache: Der User – das ist der Benutzer und das Interface ist eine Schnittstelle. Wir haben es hier also mit einer Benutzerschnittstelle zu tun. Erst diese ist es, die es den Menschen ermöglicht, ein Produkt zu bedienen und sie begegnet uns tagtäglich vielfältig: In Form der Anwenderoberfläche eines Computerbetriebssystems oder E-Mail-Programmes ebenso wie in dem Programmierfeld der CNC-Drehmaschine, dem Bedienfeld unseres Backofens oder dem Temperaturregler eines Bügeleisens. Sie alle wären für uns nicht bedienbar, gäbe es das User Interface nicht. Vergessen wir aber nicht: Ein User Interface in seiner Definition als Benutzerschnittstelle setzt nicht zwingend Software voraus: Auch der rein mechanisch arbeitende Umschalter mit der wir das Schlagwerk unserer alten Schlagbohrmaschine an- und abschalten ist ja ein Teil der Mensch-Maschine-Schnittstelle.
Man muss also kein Marketingprofi oder Entwicklungsingenieur sein, um aus diesen Fakten eine wichtige Erkenntnis zu ziehen: Ohne ein entsprechend gestaltetes Produkt und ohne ein entsprechend gestaltetes User Interface keine Usability.
Und all dies trifft natürlich auch auf die Betriebs- und Bedienungsanleitung eines Produktes zu – womit deutlich wird, dass auch wir technischen Redakteure den Begriff Usability auf unserer Agenda haben müssen.
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Die Gebrauchstauglichkeit definiert
Bei der Gebrauchstauglichkeit geht es nun darum, wie die Benutzer eines Produktes seine Funktionen nutzen können. Und dazu gehören neben der reinen Bedienbarkeit auch die Informationen, die das Produkt während seines Gebrauches den Benutzern übermittelt (Beispiel: Rückmeldungen und Handlungsaufforderungen über ein integriertes Display) aber auch die klassische gedruckte Bedienungsanleitung.
Die DIN EN ISO 9241-11 nennt hierzu die Kriterien
- Effektivität – Was muss der Benutzer tun, um das gewünschte Ergebnis mit dem Produkt zu erzielen?
- Effizienz – Das ist der Grad des Aufwandes, den ein Benutzer hat, um mit einer bestimmten Funktion seines Produktes zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen.
- Zufriedenstellung
Sie gelten nicht nur für das Produkt selbst, sondern auch für seine zugehörigen Informationsprodukte.
Betrachten wir als Beispiel eine Stereoanlage: Ihre Benutzer möchten mit möglichst wenig Aufwand in den Genuss von Musik kommen.
Hierzu ist es hilfreich, wenn sich die Stereoanlage durch Verwendung genormter Steckverbindung auch für Nichttechniker einfach aufbauen lässt, und die Verkabelung nicht erst durch Lötarbeiten fertiggestellt werden muss.
Und um ein Musikstück abzuspielen zu können, sollten die Benutzer beispielsweise nur eine Taste drücken können und nicht erst dieser Taste zugeordnete Funktionsebenen mit Hilfe einer weiteren Taste durchschalten müssen. Oder: Ein Display sollte so gestaltet sein, dass es sich blendfrei und möglichst auch aus größerer Entfernung ablesen lässt. Was nutzt schließlich die Fernbedienung, wenn man sich trotzdem von der Couch erheben muss, um auf dem Display erkennen zu können, welchen Titel man als Nächsten auswählen möchte?
Nicht zuletzt muss die Bedienungsanleitung so abgefasst sein, dass z. B. alle für die Benutzer relevanten Bedienungshinweise schnell auffindbar und eindeutig nachvollziehbar sind. Sprich: Sowohl die Nutzung der Stereoanlage als auch ihrer Bedienungsanleitung sollen die Benutzer zufriedenstellen und nicht etwa verärgern.
Wie lässt sich Usability messen?
Eine sehr effektive Möglichkeit besteht darin, Tests durchzuführen. Eine generelle Lösung nach dem Motto „ein Test für alle Situationen“ ist jedoch nicht zielführend, zu unterschiedlich sind schließlich die Bewertungskriterien. So kommt bei Tests für eine Software, die am Bildschirm verwendet wird oftmals das Mouse- und Eye-Tracking zum Einsatz. Hierbei werden die Bewegungen der Maus und der Augen der Benutzer beim Betrachten des Bildschirms erfasst. Zweck ist es beispielsweise festzustellen, welche Bildschirmbereiche die Testperson häufig betrachtet, bzw. wie er welche Bedienelemente wie z. B. Schaltflächen und Menüpunkte in welchem Zusammenhang benutzt.
Soll ein Usability-Test für die Bedienung eines Gerätes durchgeführt werden, wird man sich sinnvollerweise dafür entscheiden, die Testperson vor dem Gerät zu platzieren, vordefinierte Aufgaben zu stellen und dabei ihr Verhalten beobachten und protokollieren. Oftmals wird der Testlauf auch auf Video aufgezeichnet. Zusätzlich kann die Testperson noch einen Fragebogen ausfüllen – ob dieses während des Tests oder danach erfolgt muss jeweils fallbezogen entschieden werden.
Auch für die technische Dokumentation sind Usability-Tests von großer Bedeutung. Hierbei wird man jedoch möglicherweise weniger an die Bedienungsanleitung in Papierform denken, sondern an das digitale Informationsprodukt. Denn während ein Benutzer mit einem gedruckten Handbuch in der Regel keine Probleme haben wird – die fachgerechte Ausführung der Anleitung vorausgesetzt – sieht das bei sogenannten eingebetteten Informationsprodukten schon anders aus. Hier ist nicht zuletzt die Qualität des Mensch-Maschine-Dialoges von besonderer Bedeutung. Schließlich möchte wohl kein CNC-Dreher von seiner Maschine bei auftretenden Problemen kryptische Fehlermeldungen erhalten, die er sich erst umständlich aus einem Handbuch heraussuchen muss, um dann wiederum nachzuschlagen, wie er die Situation bereinigen kann. Idealerweise wird die Maschine vielmehr anhand des diagnostizierten Fehlers dem Benutzer nicht nur eine genaue Fehlerbeschreibung und Fehlerursache anzeigen, sondern auch gleich die erforderlichen Arbeitsschritte mitteilen wie der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Dass bei der Erstellung eines solchen Informationsproduktes hinsichtlich des Diagnose- und Korrekturverfahrens zwar inhaltlich korrekt gearbeitet wird, aber bei der Programmierung der Dialogfunktion noch Verbesserungsbedarf bestehen kann, dürfte einleuchten. Hier helfen Usability-Tests, diese Klippe zu umschiffen.
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Mit welchen Personen werden Usability-Tests durchgeführt?
Wie nicht anders zu erwarten, sind wir hier beim Thema der Zielgruppe angelangt.
Schließlich macht es bei der Auswahl der Testpersonen einen Unterschied, ob man den Utility-Test mit einer Stereoanlage – also einem Gerät für jedermann – oder einem Spezialprodukt wie einer CNC-Drehmaschine durchführt. Im letzten Fall liegt es auf der Hand, dass hier selbstverständlich nur Facharbeiter mit entsprechender Ausbildung eingeladen werden, da der Anwenderkreis der CNC-Maschine klar definiert ist.
Ebenso wichtig: Die Betriebsumgebung
Und wenn wir über die Zielgruppe sprechen, darf selbstverständlich auch die Umgebung in der ein Produkt eingesetzt wird nicht unberücksichtigt bleiben. So ist es im Fall unserer CNC-Drehmaschine vermutlich ziemlich sinnfrei das Mensch-Maschine-Dialogsystem mit einer Sprachausgabe auszustatten, da davon auszugehen ist, dass eine solche Maschine in einer Umgebung betrieben wird, in der es nicht unbedingt leise zugeht.
Zum Thema der Usability und Usability-Tests gibt es selbstverständlich weitaus mehr zu sagen, und auch das Thema Barrierefreiheit muss in diesem Zusammenhang zwingend erwähnt werden. Dieses würde den Rahmen des heutigen Podcasts jedoch sprengen, daher bitte ich diesen Podcast nur als allgemeine, einführende Information zu werten. Und selbstverständlich möchte ich nicht versäumen, auf die vielfältig vorhandene Fachliteratur zu diesem Thema sowie insbesondere auf die Normenreihe DIN EN ISO 9241 sowie die ISO/IEC/IEEE 26513 zu verweisen. Die 26513 liefert u. a. Informationen zu Methoden für die Usability-Ermittlung von Kundendokumentationen.
Fazit
Halten wir also fest:
Usability – also die Gebrauchstauglichkeit – ist nicht nur eine Domäne der Ingenieure der Produktentwicklung und den Marketingspezialisten, sondern auch die der Technischen Dokumentation. Um Gebrauchstauglichkeit zu erreichen, sind Usability-Tests meistens eine unverzichtbare Maßnahme. Diese können aber nur aussagefähige Ergebnisse liefern, wenn die produktbezogene Zielgruppe und die Arbeitsumgebung in der das Produkt eingesetzt wird, berücksichtigt werden. Vergessen wir nicht: Die technische Redaktion hat mit ihrer Arbeit ganz wesentlichen Anteil an der Usability eines Produktes, denn längst nicht immer geht es um einfach zu bedienende Geräte, sondern um komplexe Maschinen, die dem Bedienpersonal höchste Aufmerksamkeit und Sachkenntnis abverlangen. Und mit einer guten Usability einer Betriebsanleitung werden wir auch dem wesentlichen Zweck einer solchen gerecht: Den Benutzer die sichere Bedienung seines Produktes zu ermöglichen.