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CE #004 Die Risikobeurteilung aus Sicht der CE-Kennzeichnung

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Zunächst befassen wir uns mit dem Begriff „Risikobeurteilung“. Der Begriff selbst wird in vielen unterschiedlichen Bereichen und Branchen verwendet, daher zunächst eine kurze Klarstellung. Diese Folge befasst sich mit der Risikobeurteilung, die von den einzelnen CE-Richtlinien gefordert wird. Sollten Sie nach Informationen zu Risikobeurteilungen im Zuge von Projektmanagementaufgaben oder Finanzanlagen sein, sind Sie hier leider falsch.

Außerdem gibt es für den Begriff viele Synonyme, die im Kontext dieselbe Bedeutung haben. Im Maschinen- und Anlagenbau gab es früher den Begriff „Gefahrenanalyse“, einzelne Normen sprechen von der sogenannten „Gefahrenbeurteilung“ oder „Risikobewertung“. Alle Begriffe bezeichnen dieselbe Tätigkeit, auch aus Sicht der CE-Kennzeichnung. Es geht darum, die Gefahrenstellen und Gefahrensituationen eines Produktes zu ermitteln und zu verhindern bzw. zu lösen.

Aber: Es gibt auch die sogenannte „Gefährdungsbeurteilung“. Diese ist jedoch nicht dasselbe wie die Risikobeurteilung, auch wenn sie einen ähnlichen Zweck hat. Die Gefährdungsbeurteilung ermittelt und verhindert die Gefährdungen und Risiken die bei einem Arbeitsplatz vorhanden sind und verhindert diese. Sprich die Bedeutung ist ähnlich aber es gibt dennoch eine wichtige Unterscheidung. Ich habe selbst oft genug erlebt, dass beide Begriffe synonym verwendet oder verwechselt werden.

Verwechslungsgefahr: Risikobeurteilung und Gefährdungsbeurteilung

Der Grund für die Verwechslung liegt vermutlich darin, dass Betreiber von Maschinen eine Gefährdungsbeurteilung für ihre Maschinen durchführen müssen, um die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer zu sichern. Und diese arbeiten ja bekanntlich häufig an Maschinen, die eingekauft werden.

Um sich diese Arbeit zu sparen, möchte man also diese Aufgabe auf den Hersteller der Maschine abwälzen, da dieser ja die Risiken seines Produkts bestens kennt. Und der darf ja nach CE-Kennzeichnung auch keine unsicheren Produkte auf dem Markt bereitstellen.

Und soweit das Durcheinander der Begrifflichkeiten. Einiges ist korrekt, aber wie so häufig falsch in Verbindung gebracht. Denn, ja der Hersteller ermittelt über die Risikobeurteilung die Gefahren seines Produktes und vermeidet diese so gut es geht. Der Hersteller muss eventuelle Restgefahren ermitteln, kennzeichnen und diese an die Benutzer seiner Produkte weitergeben. Das Ganze ist Teil der Instruktionspflicht und der Hersteller warnt den Benutzer durch die Verwendung von Warnhinweisen am Produkt und durch die Betriebsanleitung.

Und auf Basis dieser beiden Informationsquellen kann dann der Betreiber der Maschine eine Gefährdungsbeurteilung aufbauen. Denn darin ist die Maschine zwar ein wichtiger Punkt, jedoch geht der Verantwortungsbereich weiter. Außer den Restgefahren der Maschine können zusätzliche Gefahren auftreten, die der Hersteller gar nicht kennen kann. Hierzu gehören Elemente wie Emissionen, Temperatur oder Lärm, die von Aufstellort zu Aufstellort verschieden sein können. Diese Gefahren muss der Betreiber beseitigen, der Zuständigkeitsbereich des Herstellers hört in der Regel am Rande der Maschine auf. Und diese Ermittlung und Beseitigung von Gefahren nennen wir Gefährdungsbeurteilung.

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Rechtliche Rahmenbedingungen der Risikobeurteilung

Nachdem wir nun diese Begriffe geklärt haben, möchte ich mich kurz mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Risikobeurteilung befassen, da auch hier viele Mythen in der Praxis umhergeistern. Wie eingangs erwähnt, wird die Durchführung der Risikobeurteilung von den einzelnen Richtlinien für die CE-Kennzeichnung gefordert. So soll sichergestellt werden, dass nur sichere Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden.

Sollten Sie nun ein Zuhörer sein, dessen Produkt nicht unter eine der CE-Richtlinien fällt, sollten Sie sich nicht zu früh freuen, wenn Sie denken, dass Sie daher keine Risikobeurteilung durchführen müssen. Denn diese Pflicht gilt nicht nur für Produkte die der CE-Kennzeichnung unterliegen. Laut Produktsicherheitsgesetz muss jedes Produkt, das auf dem Markt bereitgestellt wird, eine Risikobeurteilung durchlaufen. In die Shownotes verlinke ich auf eine Seite des Landesinstitutes für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, wo genau so ein Fall erläutert wird.

Sprich alle Produkte müssen vor der Bereitstellung auf dem Markt diesen Prozess durchlaufen. Eine nachträgliche Risikobeurteilung hat übrigens ein paar Nachteile, auf die ich gleich eingehe. Daher empfehlen wir die Durchführung konstruktionsbegleitend zu machen. Denn sollten Sie bei einer nachträglichen Risikobeurteilung ein Risiko entdecken, das Sie übersehen haben, müssen Sie das Produkt zurückrufen oder solange Stillsetzen, bis die Gefahr beseitigt ist. Und ich glaube, diese Peinlichkeit kann man sich als Hersteller für z. B. Maschinen und Anlagen genau einmal bei Kunden erlauben. Und dann wird dieser nie wieder bei Ihnen bestellen. Oder wie würden Sie es als Kunde empfinden, wenn ein Hersteller ihre Produktionskette stoppen muss, weil er bei der Konstruktion ein Risiko übersehen hat?

Ohne Risikobeurteilung keine CE-Kennzeichnung

Geschweige denn, dass der Hersteller eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er eine CE-Kennzeichnung ohne Risikobeurteilung an einem Produkt vornimmt. Denn die Risikobeurteilung ist schließlich elementarer Bestandteil der CE-Kennzeichnung und ein zu Unrecht gekennzeichnetes Produkt kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 EUR verursachen.

Zu guter Letzt sollte man auch immer folgendes im Kopf haben. Die Maschine ist seit vielleicht einigen Jahren bereits beim Kunden und man möchte jetzt die Risikobeurteilung nachholen. Zunächst stellt sich klar die Frage, hat das den einen Sinn? Denn würde das Produkt noch verändert werden, wenn man etwas feststellt? Oder macht man es nur als Alibi?

Und man sollte sich auch immer eines bewusst sein. Auf der Risikobeurteilung werden die beteiligten Personen aufgeführt und auch ein Datum. Und diese Leute können haftbar gemacht werden. Und ich bezweifle ehrlich, dass jemand in einem solchen Fall etwas anderes aussagen wird, als das er die Risikobeurteilung nachträglich gemacht hat bzw. machen musste und die Maschine längst beim Kunden in Betrieb war. Oder dass er gefährliche Risiken offen dokumentiert, ohne etwas zu unternehmen.

Die Risikobeurteilung bleibt im Haus!

Daher von meiner Seite die dringende Empfehlung: Machen Sie die Risikobeurteilung immer solange das Produkt noch bei Ihnen im Hause steht und es auch noch verändert werden kann. Und wenn Sie keine Zeit dafür haben oder Ihnen das Knowhow fehlt, dann beauftragen Sie Experten damit.

Kommen wir nun noch zu einem weiteren Missverständnis. Oft bekommen wir zu hören, dass die Risikobeurteilung dringend fertiggemacht werden muss, damit man sie zum Kunden senden kann. Dabei gibt es gar keinen Grund dazu! Denn die Risikobeurteilung ist Teil der internen technischen Dokumentation. Sie muss nicht herausgegeben werden. Vor allem geben Sie unter Umständen sogar ihr technisches Knowhow preis. Denn häufig sind Probleme und deren Lösung ebenfalls Teil der Risikobeurteilung. Und das möchte man ja nicht an die Öffentlichkeit geben.

Prinzipiell hat ein Kunde nie das Recht, die Risikobeurteilung zu erhalten. Häufig stammt die Forderung aus der Eingangs erzählten Verwechslung mit der Gefährdungsbeurteilung. Der Kunde möchte Sie für seine Gefährdungsbeurteilung. Aber er benötigt sie dafür gar nicht, denn alle Restgefahren, Empfehlungen für persönliche Schutzausrüstung oder ähnliche Informationen kann er aus der Betriebsanleitung übernehmen.

Aber: Ihr Kunde hat das Recht auf Einsicht in die Risikobeurteilung. Das können Sie ihm nicht verwehren. Er darf sie einsehen. Sollten Sie also Knowhow in der Risikobeurteilung haben, lassen Sie den Kunden anreisen und legen sie ihm in einem dafür vorbereiten Raum die Risikobeurteilung in Papierform vor. Dann kann er sie lesen.

Und in diesem Zuge auch gleich noch etwas zur Sprache der Risikobeurteilung. Diese muss wie alle anderen Dokumente der internen technischen Dokumentation in einer der Amtssprachen der europäischen Union verfasst werden. Egal in welcher. Sie haben die Wahl. Sollten Sie international tätig sein, kann es von Vorteil sein, wenn Sie diese in Englisch abfassen. Sollten Sie nur deutschsprachige Mitarbeiter haben, können sie es auch in Deutsch belassen. Aber sie haben eben die Wahl. Die Risikobeurteilung muss nicht an den Kunden gesendet werden und fällt auch nicht unter die Übersetzungspflicht einzelner Richtlinien.

Die Risikobeurteilung ist kein einmaliges Verfahren!

Neben diesen Missverständnissen gibt es noch ein weiteres Missverständnis, dass vielen Orts herrscht. Und zwar das die Risikobeurteilung ein einmaliges Verfahren ist. Die Risikobeurteilung ist ein iteratives Verfahren und begleitet den gesamten Produktlebenszyklus. Denn Konstrukteure und Risikobeurteiler sind auch nur Menschen und machen Fehler. Daher kann es durchaus vorkommen, dass Sie durch Feedback von Kunden nach vielen Jahren erstmals von einem Risiko erfahren. Und dieses müssen Sie dann auch nachträglich im Sinne der Risikobeurteilung bewerten und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Das ganze fällt dann in die Produktbeobachtungspflicht.

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Das Ziel der Risikobeurteilung

Kommen wir nun aber von den Mythen und Missverständnissen zurück zu unserer Risikobeurteilung. Die ganze Zeit rede ich von der Risikobeurteilung, Gefährdungen und sicheren Produkten. Doch was genau ist eigentlich das Ziel einer Risikobeurteilung und wie kann sie auch durchgeführt werden?

Das Ziel einer Risikobeurteilung ist es, ein Produkt auf dem Markt bereit zu stellen, das beim Herstellungszeitpunkt die technischen Anforderungen erfüllt und dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Mit diesen Worten definiert der Gesetzgeber das Ziel und lässt sie damit dann allein. Schaut man sich den Satz genau an, fällt zunächst das Wort „Herstellungszeitpunkt“ auf. Sollten Sie eine Serie von Produkte fertigen, müssen Sie also während des gesamten Zeitraums das Produkt prüfen und ggf. anpassen.

Die technischen Anforderungen sind etwas komplexer. Sie gliedern sich in die folgenden Bereiche, die während der Konstruktion eines Produktes berücksichtigt werden müssen: Funktionserfüllung, Lebensdauer, Zuverlässigkeit, Bedienung, Wirkungsgrad, Instandhaltung. Werden diese Punkte nicht berücksichtigt, geht man davon aus, dass das Produkt einen Mangel hat und entsprechend Gesetz hat der Kunde dann die verschiedenen Möglichkeiten. Auf den Stand von Wissenschaft und Technik gehe ich nun nicht erneut ein, diesen habe ich in vergangenen Folgen bereits ausführlich besprochen.

Sind diese Anforderungen erfüllt, dient die Risikobeurteilung gegenüber öffentlichen Stellen ebenfalls als Nachweis, dass der Hersteller die rechtlichen Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen erfüllt. Sprich auch ein Ziel der Risikobeurteilung ist es zu zeigen, dass ein Hersteller alles Mögliche getan hat, um ein sicheres Produkt bereitzustellen.

Die Durchführung einer Risikobeurteilung

Für die Durchführung einer Risikobeurteilung gibt es auch verschiedene Hilfsmittel und Ansätze. Da viele unserer Hörer aus dem Maschinen- und Anlagenbau kommen und die Norm selbst auch bei vielen Richtlinien als harmonisierte Norm gelistet ist, betrachten wir im Zuge des Podcasts die Risikobeurteilung nach DIN EN ISO 12100. Sie hilft dem Bewerter, Gefährdungen systematisch zu identifizieren, zu analysieren und die Risiken einzuschätzen.

Außerdem gibt die Norm auch klar vor, wie diese Risiken behoben werden sollen. Gerade falls es aus wirtschaftlicher Sicht oder mit dem aktuellen Stand der Technik nicht möglich ist, das Produkt sicher zu gestalten. In solchen Fällen ist das Ziel, dann das Produkt so sicher wie möglich zu gestalten. Ein Beispiel: Ein Rasenmäher kann niemals komplett sicher gestaltet werden. Um ihn komplett sicher zu machen, müsste das Messer demontiert werden bzw. den Zugang dazu verhindert werden. Aber dann würde er seinen Zweck nicht mehr erfüllen können.

Die Lösung und Vermeidung von Risiken

Wie gesagt gibt die Norm Lösungsansätze vor, die so auch umgesetzt werden müssen. Auch hier kommt ein iteratives Verfahren zum Einsatz. Zunächst muss jedes Risiko durch konstruktive Lösungen und Ansätze verhindert werden. Erst wenn alle konstruktiven Lösungen ausgeschöpft sind, darf das Risiko durch Sicherheitseinrichtungen wie trennende Schutztüren gelöst werden. Und erst wenn diese Schutzmaßnahmen ausgeschöpft sind, darf das Risiko als Restrisiko bezeichnet werden und der Benutzer über Warnhinweise und die Betriebsanleitung gewarnt werden.

Sprich die Lösung: „Mach nen Warnhinweis-Aufkleber drauf und gut ist“ ist aus Sicht der Norm und auch der CE-Kennzeichnung der falsche Weg. Sollte etwas aufgrund dieser Vorgehensweise passieren und Menschen verletzt werden, haften die Verantwortlichen. Denn das ist grob fahrlässig.

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Schutzausrüstung zur Risikominderung

Auf Basis dieser Informationen kann eine persönliche Schutzausrüstung wie Sicherheitsschuhe erst die nachträgliche Lösung für ein Risiko darstellen, nach dem alle konstruktiven Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Weiterhin sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass beispielsweise die Maschinenrichtlinie vorschreibt, dass die benötigte Schutzausrüstung für den Betrieb der Maschine mit geliefert wird bzw. in der Dokumentation aufgeführt wird. Es muss nachgelesen werden können, welche Arten von Sicherheitsschuhen oder Schutzhandschuhe für den sicheren Betrieb des Produktes benötigt werden. Oder wissen Sie, welche Art von Schutzhandschuhen in der Nahrungsmittelindustrie verwendet werden dürfen?

Und wieder Nachweisdokumentation

Zum Schluss der Folge möchte ich wieder kurz auf die Nachweisdokumentation eingehen. Wie in den vergangenen Folgen ist auch im Falle der Risikobeurteilung die Nachverfolgung extrem wichtig. Sie müssen Ihre Entscheidungen und Überlegungen dokumentieren und nachvollziehbar darlegen können. Dies gilt auch für die Risikobeurteilung.

Im Zuge der Risikobeurteilung müssen Sie daher zunächst eine Liste aller grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erstellen, die für Ihr Produkt gelten. Außerdem müssen Sie beschreiben, welches Verfahren Sie für die Risikobeurteilung verwendet haben. Zu guter Letzt müssen Sie eine Beschreibung aller Gefährdungen, aller Lösungsansätze, aller ergriffenen Schutzmaßnahmen und den verbliebenen Restrisiken erstellen.

Diese Informationen müssen Sie im Laufe des Produktlebenszykluses immer wieder aktualisieren und überprüfen. Gerade falls der technische Fortschritt konstruktive Veränderungen an der Maschine erforderlich macht, weil durch neue Technologie eine Gefährdung besser beseitigen kann. Und dieser Teil der Nachweisdokumentation ist ein wesentlicher Teil der vom Gesetzgeber verlangten Technischen Dokumentation. Ohne diese ist wiederum eine ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung nicht möglich.

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