BA #017 Zusammenspiel von EN 82079 und die ISO 20607 für die Technische Dokumentation

Diesen Juni erschien die ISO Norm 20607, welche Gestaltungsgrundsätze für Betriebsanleitungen von Maschinen enthält. Diese Norm geht spezifischer auf sicherheitsrelevante Anforderungen an Maschinen ein, als es die allgemeine Dokumentationsnorm DIN EN 82079-1 macht. Im letzten Jahr haben wir uns bereits mit der ISO 20607 beschäftigt, jedoch nur mit der Entwurfsfassung. Daher und auch weil in diesem Mai die 2. Edition der DIN EN 82079-1 erschienen ist, wollen wir das Zusammenspiel dieser beiden Normen für die Technische Dokumentation im Maschinenbau genauer behandeln.

Die ISO 20607 kann als eine Art Kochbuch für die Erstellung von Betriebsanleitungen angesehen werden. Dabei konkretisiert die Norm Anforderungen aus dem Abschnitt 6.4 aus der Sicherheit von Maschinen Norm DIN EN ISO 12100.

Die ISO 20607 enthält dabei für Maschinen die Basisvorgaben für eine rechtskonforme und sicherheitsgerechte Betriebsanleitung. Maschinenbauer können diese Norm als Hilfsinstrument einsetzen, um auch ohne eigene Technische Redaktion eine Betriebsanleitung auf ein Mindestniveau zu erstellen, welche konform mit den geltenden gesetzlichen Vorgaben einhergeht.

Vorrangig behandelt die ISO 20607 als Zielgruppe also die Hersteller von Maschinen, aber zudem auch die behördliche Seite. Darunter fallen Gesundheits- und Sicherheitsinstitutionen wie die nationalen Marktaufsichten.

Den Behörden fiel häufig die Überprüfung von Betriebsanleitungen auf die rechtlichen Vorgaben schwer, weswegen diese Norm sich auch an die Behörden richtet.

Ein Hersteller von Maschinen kann mit der ISO 20607 leicht nachprüfen, ob alle relevanten Inhalte in seiner Betriebsanleitung enthalten sind. Da die ISO 20607 als harmonisierte Norm eingestuft ist, kann mit Ihr auch die Konformitätsvermutung nach der Maschinenrichtlinie dargelegt werden. Aber nicht nur die Hersteller berücksichtigt die neue Norm, auch die Betreiber von Maschinen kann die ISO 20607 nützlich sein. Einem Maschinenbetreiber ohne Fachkompetenz ist es mit der neuen Norm ebenfalls möglich nachzuprüfen, ob die für die Maschine vorhandene Betriebsanleitung dem Stand der Technik entspricht.

Mit der Norm kann gut unterstützend gearbeitet werden. Die Norm kann dabei aber nicht auf alle Fragen umfassend eingehen. Gutes Beispiel sind die Warnhinweise in einer Anleitung. Diese werden in der Norm knapp inhaltlich beschrieben. Beim Aufbau von Warnhinweisen pocht die Norm lediglich auf das bekannte SAFE-Prinzip mit

• Signalwort,
• Art und Quelle der Gefahr,
• Folgen bei Nichtbeachtung des Warnhinweises und
• Möglichkeiten zum Entkommen bzw. Vermeiden der Gefahrensituation.

Zudem ist lediglich eine Forderung in der Norm gestellt, dass die Warnungen direkt an die betroffene Zielgruppe gerichtet sein müssen. Dies soll verhindern, dass nur verallgemeinerte Warnungen vor Risiken vermittelt werden.

Der Anwendungsbereich der ISO 20607 ist klar für Maschinen definiert. Die DIN EN 82079 ist hingegen als Horizontalnorm angelegt und kann für unterschiedliche Produktgruppen verwendet werden. Im Maschinenbau ist es durchaus sinnvoll, beide Normen zu beachten. Die ISO 20607 macht inhaltliche Vorgaben, während die DIN EN 82079 den Fokus auf Struktur der Anleitung und den Erstellungsprozess legt. Überschneidungen sind durchaus möglich, betreffen vorrangig die formalen Anforderungen und nur zum Teil die inhaltlichen Anforderungen.

Der Anhang B der ISO 20607 spiegelt beispielsweise die Vorgaben zu Darstellung und Formatierung an Anleitungen aus der Norm DIN EN 82079. Diese sind dabei in deutlich vereinfachter Form abgebildet. In der DIN EN 82079 sind die Vorgaben detailgetreuer dargestellt und zeigen umfangreich die Anforderungen auf. Somit ist schnell ersichtlich, dass Anleitungen für Maschinen mit dem Zusammenspiel beider Normen bestmöglich zu erstellen sind.

Die ersten 3 Kapitel sind wie viele Normen aufgebaut und beschäftigen sich mit dem Anwendungsbereich, den Normativen Verweisungen und der Erklärung von Begriffen.

Das 4. Kapitel der ISO 20607 beschäftigt sich mit den allgemeinen Informationen, die bei der Gestaltung einer Betriebsanleitung relevant sind. Die Norm legt bei der Informationsvermittlung stark den Wert auf den Kommunikationsablauf: Sehen – Denken – Anwenden

Bezüglich den Inhalten und Struktur von Anleitungen macht das Kapitel 5 der ISO 20607 genaue Vorgaben. Die Norm liefert eine vorgefertigte Struktur einer Betriebsanleitung, welche die Erstellungsarbeit einer Anleitung vereinfachen soll. Eine weitere Hilfestellung für Technische Redakteure ist das Muster einer Fehlerliste in dieser Norm. In dem Muster finden sich Beispiele für Fehler samt Informationen zur Fehlerbeseitigung sowie zur Wiederherstellung der Funktionalität der Maschine. Ergänzende Felder für Klassifikation der Fehler und der Zuweisung von entsprechendem Fachpersonal runden das Muster ab.

Über Formulierungsstandards und die Sprache im Allgemeinen geht es im 6. Kapitel der Norm.

Bei der Gestaltung von Produktschildern verweist die Norm ISO 20607 auf die Verwendung von Symbolen nach der ISO 7000.

Was Zuliefererdokumente angeht, macht die ISO 20607 rudimentären Vorgaben hinsichtlich:

• der Übernahme von Dokumenten der Zulieferer direkt in die Betriebsanleitung
• Verweise in der Betriebsanleitung auf relevante Teile der Originalanleitung des jeweiligen Zulieferers

Auch die Vorgaben an Ersatzteillisten sind in der ISO 20607 abgebildet. Alle Ersatzteile einer Maschine, die für den sicheren Betrieb der Maschine notwendig sind, müssen deutlich gekennzeichnet sein. Sollte spezielle Informationen zu diesen Teilen benötigt werden, um den sicheren Betrieb der Maschine zu gewährleisten, müssen diese Informationen der Dokumentation beigefügt sein.

Vorgaben für die Dokumentation der IT-Schnittstellen der Maschine behandelt einer der Anhänge der ISO 20607. Dabei geht es um Benutzerrechte, Benutzerkonten und Maßnahmen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit. Die Norm verweist dabei auf ein neues technisches Regelwerk: die ISO/TR 22100-4.

Die Art wie eine Betriebsanleitung als Dokument erstellt werden kann, ist ebenfalls in der ISO 20607 detailliert beschrieben. Falls verschiedene Inhalt für unterschiedliche Zielgruppe vorgesehen sind, sollen die Inhalte auf einzelne Dokumente aufgeteilt werden. Dies ist auch hilfreich, wenn die Dokumentation zu komplex für ein gesamtes Dokument ist und dieses dann zu unübersichtlich dargestellt wäre. Beispielsweise könnte der Teil des Einrichtens der Maschine in ein eigenständiges Dokument ausgegliedert werden und trotzdem ein Bestandteil der gesamten Betriebsanleitung sein. Der Ersteller der Dokumentation muss darauf achten, dass der Zusammenhang der Einzeldokumente klar erkennbar ist.

Die Maschinenrichtlinie stand bisher immer wieder für fehlende Mindestvorgaben zur Bereitstellung der Betriebsanleitung in der Kritik. Die ISO 20607 schließt diese Lücke und passt diesen Sachverhalt an den Stand der Technik an. Es ist nun möglich unterschiedliche Publikationsmedien zu wählen, die zum Produkt und der Verwendung passen. Es muss nun nicht immer auf die klassische Papierform gesetzt werden. Zwar müssen immer noch die jeweils gültigen rechtlichen Bestimmungen im Zielland beachtet werden. Die ISO 20607 gibt jedoch folgende Publikationsformen zur Auswahl:

• Die Bereitstellung der Betriebsanleitung wie bisher gewohnt in gedruckter Form
• Die Bereitstellung durch Zugriff auf externen Server, interne Server, Webseiten oder Speichermedien
• Die Bereitstellung über ein mit der Maschine verbundenes Speichermedium
• Die Bereitstellung in Form einer Audio- oder Videoanleitung auf Webseiten, Steuerterminals oder ähnlichem

Da die Bereitstellung der Anleitung auch im digitalen Fall dauerhaft gewährleistet sein muss, kann je nachdem auch weiterhin nicht auf die gedruckte Anleitung verzichtet werden. Beispielsweise falls nicht dauerhaft ein elektronisches Gerät zum Abruf der Anleitung zur Verfügung steht.

Wir sehen also, dass es im Maschinenbau sehr nützlich sein kann, einen Blick auf beide Dokumentationsnomen zu werfen. Die DIN EN 82079 als Grundlagennorm für alle Arten von Informationsprodukten und die ISO 20607 ergänzend für die Konformitätsvermutung nach der Maschinenrichtlinie.