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RA #009 Wenn Warnhinweise zum Sicherheitsrisiko werden
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Mehr InformationenKennen Sie das? Sie schauen sich eine Anleitung an und erkennen nur einen Dschungel an Warnhinweisen. Die seitenlange Aneinanderreihung von Warnhinweisen in Tabellenform machen Anleitungen unlesbar und unverständlich.
Dann werden Warnhinweise schnell selbst zum Sicherheitsrisiko. Aber was soll man nun tun? Warnhinweise sind doch Pflicht, oder? Nun die kurze Antwort ist ein klares JEIN.
Ja, der Hersteller hat eine Instruktionspflicht und muss den Benutzer über den sicheren Umgang mit dem Produkt instruieren. Dazu gehören auch Informationen über mögliche Restrisiken.
Ein Nein dazu, dass es ausreicht die Anleitung einfach mit genügend Warnhinweisen voll zu „kleistern“, damit man auf der sicheren Seite ist.
Woher kommt also dieser Gedanke, einfach sehr viele Warnhinweise in die Anleitung einzubauen? Dies kommt häufig am Anfang der Produktentwicklung auf. Nämlich dann, wenn die Risikobeurteilung gemacht wird.
Instruktive Maßnahmen schon in der Risikobeurteilung
Häufig arbeiten nur die Konstrukteure an der Risikobeurteilung und legen im Alleingang fest, welche Warnhinweise in die Anleitung gehören. Dies führt dann schnell zu dem sogenannten „Overwarning“, da die Konstrukteure einfach meinen, es genügt vor jedem Restrisiko einfach in der Anleitung zu warnen.
Hier fehlt dann natürlich die Zusammenarbeit mit der Technischen Redaktion. Diese sollte bereits im Zuge der Risikobeurteilung mit ins Boot genommen werden. Schließlich ist die Erstellung der Risikobeurteilung eine Teamarbeit. Auch fordert die DIN IEC IEEE 82079-1 die Einbeziehung der für die Dokumentation verantwortlichen Personen in den Prozess der Erstellung der Risikobeurteilung.
Wenn die Technische Redaktion in diesem Prozess involviert ist, können diese Fachkräfte darüber entscheiden, ob die Instruktion vor einem Restrisiko ein Warnhinweis, einen Sicherheitshinweis oder beides benötigt. Zusätzlich haben die Fachkräfte aus der Technischen Redaktion auch das entsprechende Wissen, um Restrisiken durch eine ausreichend detaillierte Instruktion in der Anleitung zu mildern. Zusätzliche beschreibende Texte und Abbildungen sollen dann den Benutzer anleiten, ohne dass dieser sich durch übertrieben viele Warnhinweise durchkämpfen muss.
Oft kommt aus fachfremden Abteilungen die Forderung, hier und dort noch einen Warnhinweis einzubauen. Lieber zwei oder drei mehr Schilder an der Maschine, damit wir auf der sicheren Seite sind. Das Marketing will nicht, dass schon auf der Verpackung vor schweren Verletzungen oder Tod gewarnt wird. Dann lässt sich das Produkt doch schlechter verkaufen. Die Technische Redaktion muss solche Forderungen an die Nutzungsinformationen aus fachfremden Abteilungen natürlich abwehren. Es obliegt den Technischen Redakteuren und Redakteurinnen die Formulierung und Platzierung von Warnhinweisen vorzunehmen.
Auch liegt es in der Verantwortung der Technischen Redaktion im Zuge der Risikobeurteilung auf Möglichkeiten der konstruktiven Lösung zurückzugreifen, bevor in den Nutzungsinformationen gewarnt wird.
Jedoch: Konstruktion vor Instruktion!
Schließlich gilt es die 3-Stufen Methode zur Minderung von Restrisiken aus der DIN EN ISO 12100 zu beachten. Zuerst müssen konstruktive Maßnahmen versucht werden, um Risiken zu beseitigen bzw. zu mindern. Die sogenannte inhärent sichere Konstruktion ist der erste Schritt der Risikominderung.
Der zweite Schritt sind technische Schutzmaßnahmen in Form von trennenden und nicht trennenden Schutzeinrichtungen. Der Benutzer des Produktes soll durch Schutzzäune, Abschrankungen und andere Schutzeinrichtungen vor der Gefahrenquelle getrennt werden.
Erst in der letzten Instanz erfolgt die Risikominderung durch Benutzerinformation. Hierzu zählen Informationen in und auf der Maschine selbst, auf der Verpackung, in Begleitunterlagen wie der Betriebsanleitung oder auch andere Maßnahmen wie Warnsignale, Sirenen oder Blinklichter, um vor drohenden Gefahren zu warnen.
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Kein Zwang zu Warnhinweise
Daher sollte die Forderung mögliche Restrisiken eines Produktes in den Nutzungsinformationen zu erläutern nicht als ein Zwang aufgefasst werden, die Anleitung mit Warnhinweisen zu überfrachten. Auch andere instruktive Techniken dürfen in die Nutzungsinformationen mit einfließen.
Benutzerinformationen müssen alle Informationen enthalten, die eine sichere und ordnungsgemäße Verwendung der Maschine gewährleistet. Dazu zählen natürlich auch die Warn- und Sicherheitshinweise.
Hier nochmal zur Erinnerung bezüglich der Unterscheidung dieser beiden Begriffe: Sicherheitshinweise kommen am Anfang einer Anleitung im Sicherheitskapitel vor. Diese dienen zur allgemeinen Sicherheitsunterweisung.
Die Warnhinweise sind Handlungsanweisungen vorangestellt oder vor dem jeweiligen gefahrbringenden Handlungsschritt angebracht. Diese sollen die Aufmerksamkeit des Nutzers auf die Maßnahmen lenken, um Gefahren zu vermeiden und ein sicheres Handeln zu gewährleisten.
Wie bereits anfangs erwähnt, können viele Warnhinweise problematisch sein. Ich möchte kurz erläutern, warum dies der Fall ist, bevor wir uns mit hilfreichen Informationen für die Umsetzung von sicherheitsrelevanten Informationen beschäftigen.
Warum viele Warnhinweise problematisch sind
Wenn in der Anleitung seitenweise nur Warnhinweise vorkommen, führt dies schnell zu einer Ablehnung der Anleitung. Der Leser denkt sich, dass er über die allgemeinen Gefahren vom Produkt eh schon Bescheid weiß und diese überflüssigen Warnhinweise nicht lesen muss.
Warnhinweise welche groß und auffällig platziert sind, beispielsweise durch die Tabellenform, brechen auch die Struktur einer Anleitung. Diese dominieren den Seitenaufbau und lenken von den restlichen wichtigen Informationen, außerhalb des Warnhinweises ab. Auch ist dann das Auffinden von Informationen nur noch schwer möglich, da sich die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Warnhinweise konzentriert.
Stuft er diese dann als überflüssig ein, führt dies schnell zu einem selektiven Lesen. Das heißt er überspringt alle Warnhinweise, selbst diese die wirklich wichtig sind und für die Sicherheit essentiell.
In der Praxis muss sich die Technische Redaktion damit befassen, zum einen die Anleitung nicht mit unnötigen Warnhinweisen vollzupacken und auf der anderen Seite aber genügend Informationen bezüglich der Sicherheit bereitzustellen, um den Benutzer ausreichend anzuleiten. Und wie schafft man nun diesen Drahtseilakt?
Praxistipps? Hilfreiche Informationen für die Umsetzung?
Kommen wir nun zu hilfreichen Informationen, wenn es um die Umsetzung für sicherheitsrelevanten Informationen geht. Wie warne ich richtig vor möglichen Restrisiken und wann ist es sinnvoll Warnhinweise einzusetzen.
Stichwort Zielgruppe
Die Zielgruppenanalyse ist ein wichtiges Instrument für die Instruktion vor Restrisiken. Laien ohne Fachkenntnisse haben einen größeren Informationsbedarf als Fachkräfte. Die Informationstiefe hängt sehr stark mit dem Profil der jeweiligen Anwender und Anwenderinnen zusammen.
Sind die sicherheitsrelevanten Informationen für Fachkräfte banal, überspringen die Leser diese. Eine Warnung wie das Messer des Einsatzwerkzeuges ist scharf und kann zu Schnittverletzungen führen, ist für die Fachkraft halt offensichtlich und somit uninteressant. Für einen Laien könnte die Information hingegen wichtig sein.
Durch die Festlegung der Zielgruppe können die Inhalte genau definiert werden, so wird ein mögliches „Überwarnen“ schon im Voraus vermieden.
Konzept für Gestaltung Sicherheitskapitel
Neben der Definierung der Zielgruppe sind auch entsprechende Konzepte für die Gestaltung von Informationen wichtig. So kann beispielsweise in einem Redaktionsleitfäden entsprechende Verfahren zum Schreiben von sicherheitsrelevanten Informationen stehen.
Fangen wir doch am Anfang der Anleitung an. Eines der ersten Kapitel innerhalb der Anleitung ist immer das Sicherheitskapitel. Das Sicherheitskapitel ist für ein grundlegendes Verständnis bezüglich der Sicherheit zuständig. Beispielsweise welche persönliche Schutzausrüstung bereitgestellt werden muss und wozu diese dient. Auch kommen hier allgemeine Sicherheitshinweise vor und diese benötigen auch nicht unbedingt ein Signalwort.
Achten Sie hierbei darauf, dass der Leser sich dieses Kapitel auch aufmerksam durchliest. Leiten Sie das Kapitel mit einer Verpflichtung zum Lesen ein bzw. motivieren Sie den Leser zum Lesen des Sicherheitskapitels.
Bauen Sie das Sicherheitskapitel in seiner Struktur so auf, dass dieses didaktisch wertvoll für den Benutzer ist. Damit ist gemeint, keine ungeordnete Aufzählung zu verwenden, nur damit der Benutzer diese quasi auswendig lernt. Das Sicherheitskapitel soll durch entsprechende Abschnitte lesbar und attraktiv gemacht werden.
Sprechen Sie den Benutzer im Sicherheitskapitel mit einer direkten Ansprache an. Beispielsweise:
- „Hier finden Sie wichtige Hinweise zu Ihrer Sicherheit:“
- „Achten Sie beim Bedienen der Maschine darauf,“
Nur im Ausnahmefall sollten Sie im Sicherheitskapitel auf Warnhinweise zurückgreifen. Dann sollten auch nur allgemeine Gefahren und sich häufig wiederholende Warnhinweise in dem Sicherheitskapitel vorkommen. Spezielle Warnhinweise sind nur vor den jeweiligen gefährlichen Handlungen aufzuführen. Was die Gestaltung von Warnhinweisen angeht, sollte die Technische Redaktion ebenfalls ein genaues Konzept erarbeiten. Dieses garantiert dann die Lesbarkeit und Verständlichkeit von Warnhinweisen. Auch trägt ein solches Konzept dazu bei, die Anwender entsprechend anzuleiten.
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Konzept für Gestaltung Warnhinweise
Legen Sie in ihrem Konzept entsprechende Vorgehensweisen fest. Prüfen Sie zuerst vor welchen Gefahren Sie in Handlungen warnen müssen. Ebenfalls sollte überprüft werden, ob die Beschreibung der Handlungsanweisungen ausreichen, um entsprechende Gefahren zu vermeiden. Also ob die Anweisung auch ohne Warnhinweis auskommt. Ein bestimmtes Verhalten kann in den Handlungen auch betont werden, um so einen Warnhinweis zu umgehen.
Hier ein Beispiel: Das Arbeiten mit einer Säge beinhaltet die Gefahr, dass die Maschine beim Auftreffen auf ein Hindernis zurückgestoßen werden kann und den Benutzer treffen kann. Hier besteht eine Verletzungsgefahr für den Benutzer, wenn er sich hinter der Maschine aufhält. Nun könnte dies mit einem Warnhinweis vor der Handlung gelöst werden. Aber genau so könnte man den Benutzer so anleiten, dass er sich gar nicht hinter der Maschine aufhält. Beispielsweise indem betont wird, dass er beim Sägen immer seitlich der Maschine stehen soll, um eine Gefahr durch Rückstoß der Maschine zu vermeiden. Dies kann beispielsweise in der Handlung mit entsprechender Hervorhebung durch Fettdruck oder mit einem „Achtung“ in Fettdruck hervorgehoben werden.
Um die Anleitung nicht mit der Wiederholung von allgemeinen Warnhinweise in den Handlungen zu überfrachten, besteht auch die Möglichkeit auf das allgemeine Sicherheitskapitel zu verweisen. Legen Sie dies als Voraussetzung fest, dass der Benutzer das Sicherheitskapitel gelesen und verstanden haben muss, um das Produkt sicher verwenden zu können.
Fazit
Soviel zu Gestaltung der Warnhinweise. Letztendlich müssen Sie Ihre Anleitung auf die Sinnhaftigkeit von den angebrachten Warn- und Sicherheitshinweisen überprüfen. Dabei spielt natürlich das Produkt eine wichtige Rolle. Wie gefährlich ist dieses? Bei einer Säge sind Warnhinweise sicher nicht fehl am Platz. Bei anderen Produkten, die weit weniger gefährlich sind, wie beispielsweise einem Kopfhörer sorgen viele Warnhinweise für den Eindruck, man habe ein extrem gefährliches Produkt gekauft. Auch ist die Frage entscheidend, kennt der Anwender die Gefahren eines Produktes und kann er einschätzen, wann diese auftreten und wann er sich vorsichtig verhalten muss.