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Leben #02 Wenn schlechte Dokumentation teuer wird – Praxisfälle aus der TD

Wenn schlechte Dokumentation teuer wird -Praxisbeispiele aus der TD

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Heute geht es um ein Thema, das vielen Herstellern irgendwann auf die Füße fällt – nämlich, weil sie das Thema zu lange unterschätzen. Es geht um schlechte Dokumentation: unzureichende Betriebsanleitungen, unvollständige Risikobeurteilungen oder mangelhafte Unterlagen für die CE-Kennzeichnung.

Was passiert, wenn Kunden plötzlich auf die Qualität dieser Dokumente achten – und was bedeutet das für die Hersteller? Ich zeige Ihnen heute zwei echte Praxisfälle aus meiner Beratungserfahrung. Und wir werfen gemeinsam einen Blick auf Gerichtsurteile, die zeigen: Dokumentation ist nicht nur Pflicht, sondern bares Geld wert.

In meinem beruflichen Alltag erlebe ich es immer wieder: Die Technische Dokumentation wird von vielen Herstellern eher als lästige Pflicht wahrgenommen – und oft nur so minimal wie möglich umgesetzt.

Manche sehen in einer Betriebsanleitung oder Risikobeurteilung keinen echten Mehrwert. „Hat der Kunde bisher auch nie bemängelt“, höre ich dann oft.

Doch was passiert, wenn sich das ändert?

Praxisbeispiel 1 – Schlechte Risikobeurteilung wird zum ersten Mal bemängelt

Genau das ist kürzlich einem meiner Kunden passiert. Ein Maschinenbauer, solide aufgestellt, technisch auf einem guten Niveau. Seine Produkte waren bislang vor allem bei kleineren Abnehmern im Einsatz. Die Dokumentation? Funktional, aber lückenhaft.

Eine Risikobeurteilung wurde erstellt, aber eher stiefmütterlich behandelt. Man hatte das Gefühl: „Reicht schon so, hat sich noch nie jemand beschwert.“

Bis jetzt.

Denn mit dem Wachstum des Unternehmens kamen auch neue, größere und namhaftere Kunden – darunter auch Konzerne, die nicht nur auf das Produkt schauen, sondern auf das Gesamtpaket: CE-Kennzeichnung, vollständige Unterlagen, und eben auch eine ordentliche Risikobeurteilung.

Und dann kam es, wie es kommen musste: Die gelieferte Risikobeurteilung wurde bemängelt. Nicht systematisch, nicht vollständig, keine klare Struktur. Der Kunde verweigerte die Freigabe und behielt einen Teil des Kaufpreises zurück.

Dokumentation als Spiegelbild der Arbeitsweise

Das war für den Hersteller nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden, sondern auch ein Imageproblem. Denn auch das wird gerne vergessen und ist häufig nicht einmal bezifferbar. Viele Kunden schließen anhand der Qualität der Dokumentation darauf, wie sorgfältig und genau ein Unternehmen arbeitet. Eine schlechte Dokumentation kann also dazu führen, dass der Kunde den Eindruck bekommt, dass nicht ordentlich gearbeitet wird. Und anschließend stellt er sich vielleicht die Frage: Wo wurde noch schlecht gearbeitet? Was wurde noch eingespart? Eine gute Dokumentation kann diese Schlussfolgerung verhindern.

Wir wurden als externer Dienstleister beauftragt, um die Risikobeurteilung neu aufzusetzen. Dieses Mal korrekt, normkonform, strukturiert und nachvollziehbar.

Das Ergebnis? Die neue Version wurde ohne Beanstandung akzeptiert. Aber: Der Zwischenfall hat Vertrauen gekostet, Zeit und Geld. Und er hätte sich vermeiden lassen.

Fallbeispiel Nr. 2 „Das Millionen-Projekt“

Das erste Fallbeispiel ist aber bei weitem nicht das einzige, es ist nur das neuste in einer ganzen Reihe. Daher möchte ich hier noch ein zweites Beispiel erwähnen, dass aufgrund der damit verbundenen Summen und Umstände in besonderer Erinnerung bleiben wird.

In meinem zweiten Praxisfall geht es um einen großen Anlagenbauer, der automatisierte Fertigungsanlagen im Millionenwert verkauft. Auch hier haperte es massiv an der Dokumentation:

Die Risikobeurteilung und die Betriebsanleitung waren unvollständig und teils unverständlich.

Der Kunde des Anlagenbauers nahm den Fall ernst und zog sogar einen Anwalt hinzu – woraufhin eine juristische Frist zur Vorlage vollständiger Unterlagen gesetzt wurde.

Bis zur fristgerechten Lieferung der Dokumente behielt der Kunde den üblichen prozentualen Anteil am Kaufpreis zurück –  In der Branche übliche Praxis: 5 bis 10 Prozent des Gesamtwerts.

Machen wir das einmal konkret: Wenn die Anlage 10 Millionen Euro kostet, entsprechen 5 Prozent exakt 500.000 Euro. Bei 10 Prozent wären es sogar eine Million Euro – ein Betrag, der oft entscheidend für die Liquidität eines Unternehmens sein kann.

500.000 bis 1.000.000 Euro, die so lange nicht flossen, bis die Dokumentation stimmte.

Auch hier haben wir den Hersteller unterstützt. Die Risikobeurteilung wurde systematisch aufbereitet, die Anleitung neu erstellt, die CE-Unterlagen vervollständigt. Alles unter enormen Zeitdruck durch die anwaltliche Frist. Erst dann konnte das Projekt final abgeschlossen werden.

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Fallbeispiele aus juristischer Sicht

Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, was passiert, wenn man Dokumentation als Nebensache behandelt. Aber nicht nur aus der Praxis, sondern auch rechtlich ist die Lage eindeutig. In der Vergangenheit gab es ein paar gerichtliche Entscheidungen dazu. Und zwar in Deutschland und nicht wie vielleicht erwartet nur in den USA.

  • Das Oberlandesgericht München (Az. 6 U 4082/05) entschied: Wenn die Dokumentation – in dem Fall die Betriebsanleitung – wesentliche Informationen nicht enthält, kann das Produkt als mangelhaft gelten, auch wenn es technisch einwandfrei funktioniert.
  • Ein weiteres Urteil des OLG Hamm (Az. 31 U 37/89) stellt klar: Wenn eine Anleitung so kompliziert ist, dass ein durchschnittlicher Nutzer sie nicht versteht, ist das ein Sachmangel. Das gilt selbst dann, wenn das Produkt korrekt funktioniert.
  • Und laut 434 BGB ist eine unvollständige oder fehlerhafte Anleitung ausdrücklich ein Sachmangel – mit der Folge: Der Kunde kann den Kaufpreis mindern, vom Vertrag zurücktreten oder Nachbesserung verlangen.
  • Die Produktsicherheitsverordnung und das davor geltende Produktsicherheitsgesetz gehen sogar weiter. Wenn die Anleitung nicht korrekt ist, darf das Produkt eigentlich nicht einmal in Verkehr gebracht werden.

Eine Studie des DIN-Verbraucherrats hat bereits 2010 aufgezeigt: Schlechte Dokumentation führt regelmäßig zu Rückabwicklungen, Schadenersatzforderungen und Eskalationen in der Lieferkette.

Anforderungen bei Export

Bis jetzt habe ich hauptsächlich die juristische Sicht auf den Mangel am Produkt beleuchtet. Aber hier hört es nicht auf, es kann auch noch weiter gehen. Auch hier habe ich ein kleines Beispiel, diesmal auf europäischer Ebene.

Eine Maschine wird von Deutschland nach Österreich exportiert. An der Grenze wird sie vom Zoll kontrolliert und gestoppt. Der Grund – eine fehlende CE-Dokumentation. Diese Arten von Zollkontrollen sind durch den freien Warenverkehr der EU zu einer Seltenheit geworden, kommen aber dennoch vereinzelt vor. Bei einem Export in Drittstaaten dagegen ist eine solche Kontrolle wesentlich höher, also achten Sie hier besonders auf die Einhaltung der jeweiligen Vorschriften.

Die Maschine wurde anschließend durch den Zoll so lange zurückgehalten, bis alle Unterlagen vorhanden waren.

Der Hersteller musste so nicht nur nachbessern, sondern auch eine Vertragsstrafe zahlen, da die Lieferfrist durch die fehlende Dokumentation überschritten wurde. Solche Fälle häufen sich – besonders wenn internationale Vorschriften wie die OSHA-Vorgaben in den USA ins Spiel kommen und seitens Hersteller missachtet werden.

Probleme mit Versicherungen

Abseits des juristischen Blickes gibt es aber noch weitere Folgen, die ebenfalls gerne vergessen werden. Ein oft unterschätzter Aspekt sind hierbei die Versicherungen. Gerade bei Berufshaftpflicht und Produkthaftung prüfen Versicherer, ob die Dokumentation den Stand der Technik erfüllt. Fehlt diese, kann die Leistung im Schadensfall verweigert oder gekürzt werden.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Zulieferer wurde in eine Produkthaftungsklage verwickelt. Ein Bedienfehler hatte einen Personenschaden verursacht – weil die Anleitung lückenhaft war. Die Versicherung verweigerte die Leistung: Der Hersteller blieb auf den Kosten sitzen.

Dabei ist das Problem nicht auf eine Branche beschränkt. Im Gegenteil – in manchen Branchen ist es noch viel gravierender: In der Medizintechnik zum Beispiel. Hier sind Dokumentationspflichten durch MDR und FDA besonders streng geregelt. Mängel in der Doku führen hier nicht nur zu Rückfragen – sondern zu Rückrufen und Marktverboten.

Oder in der Baubranche: Dort ist eine CE-Kennzeichnung mit vollständiger Leistungserklärung Voraussetzung, um überhaupt an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu können.

Warum war das überhaupt nötig?

Doch warum wird die Dokumentation dann trotzdem oft vernachlässigt? Hier spielt auf der einen Seite die Unternehmensentwicklung eine Rolle. Viele kleinere Hersteller starten mit engen Budgets, konzentrieren sich auf die Technik, das Produkt, die Auslieferung.

Solange die Kunden keine Fragen stellen, wird Dokumentation als zweitrangig angesehen. Nach dem Motto: „Hat doch bisher auch keiner gebraucht.“

Mit zunehmendem Erfolg und Wachstum wächst das Unternehmen, die Dokumentation bleibt jedoch auf dem alten Stand. Auch die Kunden wachsen mit, es kommen auch namhaftere Kunden dazu. Im Verborgenen wachsen die Anforderungen an die Dokumentation mit, jedoch werden diese nicht beachtet, bis es zu spät ist.

Auf der anderen Seite hängt es genau von diesen Kunden ab. Bei kleineren Unternehmen spielt die Dokumentation häufig wie auf Seite des Herstellers eher eine kleinere Rolle. Große Kunden jedoch, insbesondere international tätige Unternehmen, legen heute großen Wert auf vollständige, strukturierte und normkonforme Dokumentation. Manche führen sogar eigene Audits durch oder haben umfangreiche Checklisten, mit denen sie jede Dokumentation prüfen. Compliance und die damit verbundenen Anforderungen sind die Treiber dahinter.

Ein Einkaufsleiter sagte mir kürzlich:

„Wir prüfen nicht nur die Maschinenqualität, sondern auch, wie gut wir unsere Mitarbeiter unterweisen können – das geht nur mit guter Doku.“

Hintergrund dieser Aussage ist die notwendige Flexibilität auf dem weltweiten Wirtschaftsmarkt. Ein Unternehmen muss in der Lage sein, seine Produktion schnell anpassen zu können. Wenn zum Beispiel Mitarbeiter ausfallen und ersetzt werden müssen. Und das geht nur mit guter Dokumentation.

Fehlt diese gute Dokumentation, leidet nicht nur die Akzeptanz beim Kunden, sondern auch dessen Bereitschaft zur Abnahme und Zahlung. Denn eine stehende Maschine erwirtschaftet keine Rendite.

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Ja, gute Technische Dokumentation kostet Geld

Natürlich ist auch gute Dokumentation nicht umsonst. Aber was viele vergessen: Schlechte Dokumentation ist teurer. Sie kostet nicht nur Zeit für Nachbesserungen. Sie kostet Vertrauen. Und im schlimmsten Fall: Bares Geld.

Im Fall des Anlagenbauers reden wir über einen Rückbehalt von 500.000 Euro. In anderen Fällen mag es „nur“ um 5.000 oder 50.000 Euro gehen – aber die Wirkung ist dieselbe. Der Cashflow stockt. Projekte verzögern sich. Kundenbeziehungen leiden.

Und dabei ist die Lösung klar: Qualität von Anfang an. Dokumentation ist kein Luxus, sie ist Bestandteil des Produkts. Wer hier spart, spart am falschen Ende.

Interne Wirkung von schlechter Dokumentation

Und auch intern kann schlechte Dokumentation Auswirkungen haben:

  • Der technische Support wird überlastet, weil Bedienfehler oder Missverständnisse häufiger auftreten.
  • Das Servicepersonal verliert wertvolle Zeit, weil keine klaren Anweisungen vorliegen und er alles nochmal erklären muss.
  • Schulungen werden ineffizient, weil grundlegende Informationen fehlen.
  • Der Vertrieb bekommt Rückfragen, die eigentlich durch die Anleitung beantwortet hätten werden sollen.

Auch hier habe ich eine Praxiserfahrung. Wir hatten bei einem Kunden die Anleitungen deutlich erweitert und überarbeitet, da viele Informationen fehlten. Nach einiger Zeit konnte unser Kunde im Support etwas feststellen:

Die Auslastung bei den Support-Anfragen gingen deutlich zurück. Wenn ich es korrekt in Erinnerung habe, um die 20-25%. Vor unserer Überarbeitung entstand also jede 4 bis 5 Supportanfrage durch die fehlerhafte Anleitung. Durch die Überarbeitung entfielen diese Anfragen, der Support wurde entlastet. Auch das kann bares Geld sein.

Blick in die Zukunft

Und der Blick in die Zukunft zeigt: Die Anforderungen werden in den kommenden Jahren eher steigen als sinken.

  • Die neue Maschinenverordnung der EU bringt strengere Anforderungen an Betriebsanleitungen und Risikobeurteilungen.
  • Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erhöht den Druck auf die Nachweisbarkeit sicherer Produkte.
  • Digitale Betriebsanleitungen, smarte Dokumentation, automatische Übersetzung – all das ist nur sinnvoll, wenn die Inhalte stimmen.

Praxis Tipps

Was also tun? Ich habe drei Empfehlungen aus der Praxis für Sie:

  1. Technische Dokumentation frühzeitig einplanen. Nicht als letzten Punkt vor Auslieferung, sondern als festen Bestandteil des Entwicklungsprozesses.
  2. Professionelle Hilfe holen. Gute technische Redakteure, normkundige Dienstleister und erfahrene CE-Berater können viel abfedern – bevor es kritisch wird. Oder wie einer unserer Kunden einmal so schön gesagt hatte: „Frage den Fachmann und Du springst vorwärts.“
  3. Von Kunden lernen. Wer heute schon weiß, was spätere Kunden verlangen, kann seine Prozesse rechtzeitig anpassen.

Mein Appell an alle Hersteller: Wartet nicht, bis eure Kunden euch zur Qualität zwingen. Investiert frühzeitig in gute Dokumentation – und das bedeutet: In kompetente technische Redakteure, saubere Risikobeurteilungen und rechtssichere Betriebsanleitungen.

Denn gute Dokumentation ist kein Kostenfaktor. Sie ist ein Verkaufsargument.

Fazit

Fassen wir zusammen: Unzureichende Dokumentation ist mehr als ein ärgerliches Detail. Sie kann Lieferungen verzögern, Zahlungen blockieren und sogar zu rechtlichen Konsequenzen führen. 

  • Dokumentation ist Bestandteil des Produkts – auch bei Großprojekten.
  • Ein Anwalt und eine Frist sind nicht nur juristisch wirksam, sondern schlagen auch finanziell zu Buche.
  • 5 % Rückbehalt bei Anlagen im Millionenbereich sind keine Seltenheit – als Druckmittel für Nachbesserung.
  • Rechtliche Risiken: Unvollständige Dokumente können nicht nur Geld kosten, sondern auch Image und Vertragsbeziehungen gefährden.

Die beiden Fälle, die ich Ihnen heute geschildert habe, stehen exemplarisch für eine Branche im Wandel: Von dem Fokus auf Technik zum Fokus auf die Gesamtverantwortung.

Wenn Sie also selbst in einem Unternehmen arbeiten, das Produkte entwickelt, baut oder verkauft – nehmen Sie Dokumentation ernst. Es lohnt sich.

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