Das Thema KI ist nicht neu, wir haben uns bereits im letzten Jahr in einigen…
TEKOM #003 – Die Marktüberwachung
Wir werden uns heute mit dem Thema Marktüberwachung beschäftigen. Auf der diesjährigen tekom gab es hierzu einen Vortrag vom Referenten Jens-Uwe Heuer-James, einem Anwalt, der sich um die rechtlichen Themen der tekom kümmert und entsprechend ein Experte beim Thema Recht im Zusammenhang mit der technischen Dokumentation ist.
Wie alle Folgen dieser Reihe, setzt auch diese Folge kein Wissen aus den anderen Folgen unseres Podcasts voraus. Sie sollten sich jedoch im Themengebiet der technischen Dokumentation auskennen, um alles im Detail verstehen zu können. Falls Sie am Anfang Ihrer Karriere der technischen Dokumentation stehen, empfehle ich Ihnen daher sich auch die anderen Folgen anzuhören, damit Sie die Zusammenhänge alle im Detail verstehen können.
Bevor ich mit dem eigentlichen Thema beginne, noch zwei allgemeine Dinge. Wie Sie vielleicht bereits festgestellt haben, ist diese Folge etwas später erschienen als normal. Dies liegt daran, dass ich die letzten Tage in Österreich unterwegs war, um Vorort-Termine für Projekte bei Kunden wahrzunehmen. Dabei stand leider keine Zeit für die Aufnahme der neuen Folge zur Verfügung, weshalb sie sich etwas verzögert hat.
Zum anderen möchte ich noch etwas Wichtiges hervorheben. Diese Folge stellt eine Zusammenfassung und Interpretation des Vortrags dar, um das wichtigste aus dem Vortrag festzuhalten. Ergänzt wurde das ganze durch meine eigene Recherchearbeit. Es ist meine eigene Interpretation und Meinung, auch bezüglich der Schlussfolgerungen. Diese Klarstellung ist mir an dieser Stelle wichtig.
Wann wird die Marktüberwachung tätig?
Bevor wir uns mit der Marktüberwachung und Beispielen beschäftigen, möchte ich kurz auf die Marktüberwachung selbst eingehen. Wann wird diese beispielsweise tätig? Und welche Maßnahmen darf sie ergreifen?
Fangen wir damit an, ab wann sie tätig wird und eventuell bei einem Unternehmen vor der Tür steht. Der erste Grund könnte sein, dass das Unternehmen angezeigt wurde. Dies kann übrigens jeder tun. Es gibt die Möglichkeit, eine Anzeige anonym abzugeben. Wie bereits erwähnt, steigt die Anzahl an Anzeigen aufgrund des UWG. Unternehmen werden inzwischen öfters von Mitbewerbern und Marktbegleitern wegen unlauterem Wettbewerb angezeigt. Ein beliebter Grund ist hier eine schlechte oder gar fehlende Betriebsanleitung. Ich werde hierauf in einer weiteren Folge eingehen, wo ich auf rechtliche Entwicklungen in der technischen Dokumentation eingehen werde.
Weiterhin kann die Marktaufsicht aufgrund eines Vorkommnisses wie einem Arbeitsunfall tätig werden. In diesen Fällen werden die beteiligten Produkte und Maschinen genauestens untersucht, beispielsweise mit Partnern wie dem TÜV.
Die Nichtkonformität ist ein wichtiger Handlungsgrund für die Marktüberwachung. Hier unterscheidet man zwischen der materiellen und formalen Nichtkonformität. Bei der materiellen Nichtkonformität ist das Produkt selbst als unsicher einzustufen und gefährlich. Dies kann beispielsweise dann gelten, wenn geforderte Schutzeinrichtungen nicht verbaut werden, das Produkt generell als unsicher eingestuft wird oder das Produkt nicht dem Stand der Technik entspricht.
Die formale Nichtkonformität hingegen ist ein recht neuer Punkt. Er kam mit der Überarbeitung von Richtlinien wie der EMV-Richtlinie oder ATEX-Richtlinie hinzu bzw. wurde dadurch wichtiger. Verstoßen Produkte gegen Richtlinien oder werden Vorgaben und Bedingungen wie beispielsweise die für die CE-Kennzeichnung nicht eingehalten, kommt es zur formalen Nichtkonformität. Diese steht einem technischen Defekt oder einem unsicheren Produkt gleich und bevollmächtigt die Marktaufsichtsbehörden ebenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
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Maßnahmen der Marktaufsicht
Diese geeigneten Maßnahmen treten immer dann auf, sobald die Marktaufsicht gegenüber einem Hersteller tätig wird. Das interessante an diesen Maßnahmen ist, das sie nicht genauer definiert werden und die entsprechenden Behörden einen Ermessensspielraum haben, der verhältnismäßig sein muss. Eine genauere Definition dieser Maßnahmen ist nicht festgelegt, um die Behörden nicht handlungsunfähig zu machen oder einzuschränken. Sie können daher von Nachbesserung über Produktrückruf bis hin zum Verkaufsstopp alles festlegen.
So liest man beispielsweise häufiger über Rückruf- oder Umtauschaktionen für Lebensmittel. Auch diese Aktionen werden meist zusammen mit der Marktaufsicht beschlossen. Da es in diesen Beispielen um Lebensmittel und die Gesundheit von Menschen geht, sind die entsprechenden Maßnahmen recht drastisch. Was natürlich auch so richtig ist.
Jedoch kann so etwas auch mal nach hinten losgehen. In den 80-Jahren gab es die „Flüssigei-Affäre“, wo das Regierungspräsidium Stuttgart unbegründet vor den Produkten der Firma Birkel öffentlich gewarnt hatte. Der Hersteller klagte und erhielt als Entschädigung 12,8 Millionen Mark Schadensersatz. Jedoch war das Image des Unternehmens danach sehr stark geschädigt. Dasselbe gab es vor ein paar Jahren beim Hersteller Coppenrath und Wiese. Dort fiel der Verdacht unbegründet auf eine Tiefkühltorte, nachdem ein elfjähriges Mädchen an einer Bakterieninfektion gestorben war.
Die Relevanz der Marktüberwachung
Vielleicht sind genau diese Fälle der Grund, warum man von der Marktüberwachung eher selten etwas hört. Die Angst davor, von Herstellern verklagt zu werden, könnte zu tief sitzen. Denn wenn ich unsere Kunden nach der Marktüberwachung frage, bekomme ich keine Antwort bzw. es gab nie einen Vorfall. Auch in Recherchen habe ich selten Informationen gefunden, dass Produkte, gerade im Maschinen- oder Anlagenbau, von ihr zurückgerufen oder der Vertrieb durch sie gestoppt wurden.
Und gerade dies ist für mich ein interessanter Wiederspruch. Wir haben es vorhin davon gehabt, dass die Marktaufsicht bei bestimmten Vorkommnissen tätig werden muss. Und dennoch habe ich zu oft katastrophale Betriebsanleitungen, unsichere Maschinen und ungültige CE-Kennzeichnungen gesehen, oder bei der Nachfrage bezüglich einer Risikobeurteilung ein Schulterzucken bekommen.
Daher kam auch mir bereits häufiger die Frage auf, in wie weit die Marktüberwachung überhaupt noch funktioniert oder um es besser auszudrücken: Wie hoch das Risiko selbst ist, dass die Marktüberwachung bei Unternehmen vor der Tür steht, und mit einem Vertriebsstopp droht, wenn sie nicht sofort eine Betriebsanleitung zu Produkt XY vorgelegt bekommt.
Wie der Vortrag mir aufzeigte, scheint es sich hierbei tatsächlich um ein Problem innerhalb Deutschlands zu handeln. Man könnte die beiden genannten Falschmeldungen als Grund ansehen. Wie es scheint, hat die Marktaufsicht nicht mehr den Mut, auf Fälle öffentlich zu reagieren oder ist nur noch begrenzt handlungsfähig. Vielleicht sind sie auch unterbesetzt und es ist dadurch nicht möglich alles zu prüfen. Auch die Unterstellung der Marktaufsicht unter die einzelnen Bundesländer scheint sie in ihrer Handlung etwas einzuschränken.
Das Problem anhand eines Beispiels erklärt
Ich komme zu dieser recht harten Schlussfolgerung, da uns im Vortrag ein Beispiel gezeigt wurde, was mich in Bezug auf die Marktaufsicht, entsetzt hat. Das Beispiel war selbstverständlich anonymisiert. Ich möchte es hier, für Sie liebe Zuhörer, kurz zusammenfassen.
Es gab vor ein paar Jahren bei einem Papierhersteller einen tödlichen Unfall. Ein Mitarbeiter wird zwischen einen Rollenhalter und einer ca. zwei Tonnen schwere Papierrolle eingeklemmt, herumgeschleudert und erleidet tödliche Verletzungen. Kriminalpolizei, TÜV und Marktaufsicht sind schnellstens vor Ort. Die Maschine die den tödlichen Unfall hervorgerufen wurde, wurde durch ein namhaftes, deutsches Unternehmen umgebaut und die CE-Konformität bescheinigt.
Den ganzen Ablauf selbst kürze ich hier nun ab. Er wurde im Vortrag komplett dargestellt, ich glaube aber es ist für unsere Folge nicht weiter wichtig. Als Resultat kam bei diesem tragischen Fall heraus, dass die CE-Konformität korrekt ist und der Mitarbeiter gegen betriebliche Arbeitsanweisungen verstoßen hat. Jedoch würde eine Risikobeurteilung seitens des Herstellers bzw. Umbauers der Maschine benötigt, um den Fall im Detail klären zu können. Da dieser in einem anderen Bundesland sitzt, wurde der Fall an die dort zuständige Marktaufsicht übertragen.
Die Risikobeurteilung wurde oder konnte von der zuständigen Marktaufsicht nicht eingefordert werden, ob es entsprechende Maßnahmen gegen den Hersteller dafür gab ist unklar. Der Betreiber wurde nicht mehr weiter informiert oder hinzugezogen. Der Fall wurde quasi trotz eines Toten zu den Akten gelegt.
Dieses krasse Beispiel zeigt, dass selbst ein Todesfall zwar die Marktaufsicht beim Betreiber auf den Plan ruft, aber es nicht bedeuten muss, dass der Hersteller zur Haftung gezogen wird. Ein anderes Beispiel betrifft die Niederlande. Hier läuft seit 2010 seitens der europäischen Union ein Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlender Marktüberwachung. Die Niederlande haben den größten Hafen in Europa, kontrollieren die dort angelieferten Waren jedoch nur unzureichend. Dies ist der EU im Zuge einer Überprüfung von Feuerzeugen aufgefallen, bei der festgestellt wurde, dass 97% aller importierten Feuerzeuge die Anforderungen aus Normen und Richtlinien nicht einhalten.
Funktioniert die Marktüberwachung überhaupt?
Anhand der ganzen Beispiele stellt sich die Frage, funktioniert die Marktüberwachung noch so, wie sie soll? Die Antwort ist: JA, sie funktioniert. Gerade unsere anderen europäischen Nachbarn insbesondere Frankreich oder Italien nehmen das Thema sehr ernst.
Hier droht die Marktaufsicht sehr schnell mit Vertriebsverboten oder dem Produktrückruf. Im Vortag gab es ein Beispiel bezüglich einer Wurstschneidemaschine, die nach Frankreich exportiert wurde. Im Zuge der Arbeit an der Maschine, verletzte sich eine Mitarbeiterin leicht an dieser und meldete dies entsprechend als Arbeitsunfall. Die französische Berufsgenossenschaft prüfte das Produkt genauestens und stellte Mängel in der Bedienungsanleitung fest. Auch ein Softwarefehler, der die Sicherheitsabschaltung möglicherweise deaktivieren könnte, wurde gefunden. Beides wurde an die Marktaufsicht weitergeleitet.
Diese meldete sich beim Hersteller mit der umgehenden Aufforderung der Sachaufklärung. Sollte die Aufklärung unzureichend sein, drohte die Marktaufsicht mit einem unmittelbaren Rückruf aller sich im Markt befindlichen Geräte und der Anbringung eines Hinweises auf der Internetseite des Herstellers, der vor dem Gebrauch dieses gefährlichen Produktes warnen sollte.
In einem Gespräch zwischen dem Hersteller und der Berufsgenossenschaft konnten die technischen Fehler geklärt und festgestellt werden, dass der Softwarefehler keine gravierenden Auswirkungen haben kann. Dies wurde der Marktaufsicht weiter gegeben. Bleiben also nur noch die Mängel in der Bedienungsanleitung.
Hier forderte die Marktaufsicht vom Hersteller eine sofortige Nachbesserung und den Nachweis, dass die neue Anleitung an alle Kunden zur Verfügung gestellt wird, die das Produkt bereits gekauft haben. Obwohl im Vortrag keine Summen genannt wurden, können Sie sich, genauso wie ich, bestimmt vorstellen, wie viel Geld dieses ganze Prozedere gekostet hat. Auch der Nachweis, dass alle Kunden die neue Anleitung erhalten haben, ist schwer und kann große Kosten verursachen. Hier müssen die Prozesse im Unternehmen sauber und klar festgelegt sein, damit überhaupt nachvollziehbar ist, wer alles das Produkt gekauft hat.
Im Vortrag gab es noch weitere Beispiele für die EU, die ich hier nun nicht mehr aufführen werde. Ich glaube das Beispiel hat gut gezeigt, dass die Marktüberwachung bei unseren Nachbarn besser funktioniert als bei uns.
Die weltweite Marktüberwachung
Kommen wir nun von der EU zur weltweiten Marktüberwachung. Etwas was mich sehr überrascht hat und womit ich nicht gerechnet hätte. Nur um es vorab klar zu stellen: Es gibt keine Marktüberwachung die weltweit agiert. Jedoch reden die Marktüberwachungen miteinander bzw. betrachten auch andere Märkte und deren Geschehnisse.
So gab es ein Beispiel, wo japanische Märkte etwas bei der Marktüberwachung in den USA entdeckt hatten. Dort wurden Fehler in einem Produkt festgestellt, das prinzipiell zu Unfällen oder Verletzungen führen konnte. Die Hersteller wurden entsprechend angewiesen nachzubessern. Die Japaner haben dies gesehen und kurzerhand dasselbe in ihrem Markt veranlasst. Alle Hersteller und Vertreiber mussten ihre Produkte entsprechend prüfen und nachweisen, dass der Fall aus den USA nicht eintreffen kann. Sollte dies nicht geschehen, wurde mit Verkaufsstopp und Rückrufaktionen gedroht.
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Das Fazit
Jetzt haben wir viele Beispiele erläutert, um ein Fazit zu ziehen. In Deutschland scheint die Marktüberwachung nicht sonderlich stark durchzugreifen. Hier überwiegen die negativen Beispielen, wo seitens der Marktaufsicht zu wenig oder falsch gehandelt wurde. Als Hersteller der nur innerhalb Deutschlands seine Produkte vertreibt, muss man nicht sonderlich große Angst vor der Marktaufsicht haben.
Anders ist es, wenn man sich das Ausland ansieht. Hier besteht ein wesentlich größeres Risiko, dass eine Marktüberwachung eingreift und Maßnahmen verhängt. Die einzelnen Marktüberwachungen kommunizieren miteinander und schnell können Vorkommnisse weltweit Wellen schlagen, wenn sie sich das Beispiel mit den USA und Japan anschauen.
In diesem Zuge ist gerade die formale Nichtkonformität nicht zu unterschätzen und muss ernstgenommen werden. Hier können bereits aus kleinen Fehlern große Folgen entstehen, gerade wenn man in mehrere Länder mit ähnlichen oder gleichen Rahmenbedingungen exportiert. Sollte man beispielsweise innerhalb Europas seine Produkte verkaufen, aber nicht die Betriebsanleitung in alle Sprachen übersetzen, geht man ein großes Risiko ein. Fällt dies in einem Mitgliedsstaat auf, werden auch die restlichen Staaten prüfen, ob die Anleitung in ihre Sprachen übersetzt ist.
Das Ganze wird sich noch verschärfen, da die europäische Kommission gerade eine Marktdurchsetzungsverordnung erarbeitet, wo die Überarbeitung der Marktüberwachung eine zentrale Rolle spielt. Sobald diese Verordnung umgesetzt wurde, muss mit vermehrten Prüfungen bezüglich Anleitungen und der formalen Nichtkonformität gerechnet werden, da die Kommission gerade deshalb die Verordnung überarbeitet.
Und zu guter Letzt noch ein Hinweis, wie Sie mit dem ganzen Thema umgehen können: In den Beispielen, die gut für die Hersteller ausgegangen sind, hat sich gezeigt, wie wichtig die Qualitätskontrolle für technische Dokumentation, Produktkennzeichnung, Konformitätserklärungen und Zertifikate sind.
Stellen Sie sich hier gut auf und halten Sie sich an Normen, Richtlinien und Gesetze. Kennzeichnen Sie Ihre Produkte sorgfältig und strukturieren Sie die Produktbeobachtung und Produktnachverfolgbarkeit. Dann werden Sie mit der Marktaufsicht keine oder nur wenige Probleme haben, egal in welchen Ländern Sie tätig sind.
Wir sind nun wieder am Ende des heutigen Podcasts und somit am Ende unserer heutigen Folge. Ich hoffe, Ihnen hat diese Folge gefallen. Nächste Woche geht es mit weiteren aktuellen Themen von der tekom weiter.
Sollten Sie Anregungen oder Fragen zu dem Thema haben, schreiben Sie diese bitte in die Kommentare oder lassen Sie uns diese per E-Mail zukommen. Ich freue mich schon auf nächste Woche und hoffe, Sie sind auch dort wieder dabei.
Herzlichen Dank fürs Zuhören, bis zur nächsten Woche.